Vor über 20 Jahren, man schrieb das Jahr 1997, besiegte ein von IBM gebauter Computer namens „Deep Blue“ unter Turnierbedingungen den damals amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow. 2011 schlug der Supercomputer „Watson“, ebenfalls von IBM entwickelt, in der Quizsendung „Jeopardy!“ zwei menschliche Gegner, die in der Show zuvor Rekordsummen gewonnen hatten. 2015 war auch die menschliche Vorherrschaft im asiatischen Brettspiel „Go“ Geschichte. Obwohl deutlich komplexer als Schach, hatten weder der damalige Europameister noch der Weltmeister eine Chance gegen eine Software namens AlphaGo.
Der Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI) wurde möglich, weil Maschinen plötzlich die Fähigkeit zum selbstständigen Lernen entwickelten (Experten sprechen vom so genannten „Machine Learning“). In den Anfangsjahren könnte man die künstliche Intelligenz noch als Spielerei abtun. Doch heute ist die künstliche Intelligenz eine Technologie, die fast alle Industriezweige prägen und verändern wird. Das ist die zentrale Erkenntnis der Hannover Messe, die heute zu Ende geht.
Es geht um Daten, Daten, Daten
Selbst an sich völlig analoge Produkte wie Gummischläuche, Metallgetriebe, Pumpen oder Luftfedern werden künftig mit Chips und Sensoren ausgestattet, und damit ans so genannte Internet der Dinge angeschlossen. Der Vorteil: Je mehr Daten man zur Verfügung hat, desto präziser kann man produzieren, liefern und gegebenenfalls Ersatzteile beschaffen. Der baden-württembergische Autozulieferer Bosch, hat sich bereits das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2025 sämtliche Produkte mit einer KI-Komponente auszustatten. Auch ZF mischt im KI-Geschäft mit und hat in Saarbrücken ein eigenes Institut zur Erforschung dieser Technologie gegründet.
Der technologische Wandel lässt sich auch an der Entwicklung der Hannover Messe beobachten. Früher noch eine reine Hardware-Messe, kommt heute kaum noch ein vorgestelltes Produkt ohne Software-Komponente aus. Das gilt umso mehr, seit die Industrieschau die Computermesse Cebit geschluckt hat. Beschleunigt wird der Einzug der künstlichen Intelligenz in die Fabrikhallen durch die Einführung des Mobilfunkstandards 5G, der einen hundertmal schnelleren Datentransfer als der heutige Standard 4G erlaubt.
Der entscheidende Engpass in der Industrie für die Weiterentwicklung kluger digitaler Produkte ist allerdings der Fachkräftemangel. Tausende Informatiker und Ingenieure fehlen auf dem Arbeitsmarkt, rechneten die Fachverbände auf der Hannover Messe vor. Im Vergleich zum Handelsstreit, dem Brexit und der sich abkühlenden Konjunktur sei der Personalmangel das deutlich größere Problem, hieß es einstimmig auf der Industriemesse. Auch wenn manche Botschaft aus der niedersächsischen Landeshauptstadt zu schwarzmalerisch daherkam, hat Deutschland derzeit keine gute Ausgangsposition bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Andere Nationen wie die USA oder China sind deutlich weiter, wie mehrere aktuelle Studien belegen.
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Vor diesem Hintergrund ist es ein Fehler, dass die Bundesregierung ihre KI-Ambitionen senkt. Ursprünglich sollen drei Milliarden Euro bis 2025 in die Erforschung der künstlichen Intelligenz fließen. Nun läuft es wohl nur noch auf 500 Millionen bis 2023 hinaus. Das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Um den digitalen Wandel zu bewältigen, muss die Politik mehr Geld für die digitale Ausbildung in Schulen und Hochschulen zur Verfügung stellen. Doch auch die Unternehmen dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Alte Arbeitnehmer zu entlassen und junge Mitarbeiter mit neuen Fähigkeiten einzustellen, wie es derzeit mehrere große Konzerne wie SAP, Telekom oder Bayer praktizieren, kann nicht der Königsweg sein. Statt viel Geld für Abfindungen und Frühverrentungen auszugeben, sollten die Unternehmen lieber eine digitale Weiterbildungsoffensive starten.