Friedrichshafen – Die Wassersport-Branche in Deutschland schwimmt in diesem Jahr auf einer Welle des Erfolgs. "Wir stehen so gut da wie lange nicht mehr", erklärte Sonja Meichle, Vizepräsidentin des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft, beim Branchengespräch auf der "Interboot" in Friedrichshafen. Die Branche rechnet mit einem Rekordumsatz an maritimen Gütern und Dienstleistungen von mehr als zwei Milliarden Euro, wobei kein Bereich schwächelt, so Meichle. Vom Neuboot-Geschäft über Bootsvermietungen bis hin zum Zubehör- und Ausrüstungsmarkt bewege sich die Nachfrage auf einem hohen Niveau.
Auch die Firmen rund um den Bodensee profitieren demnach von der guten Wirtschaftslage der Branche. Primus bleibe der Service, hier gebe es die deutlichsten Zuwächse. Seit Jahren nehme die Zahl der Bootseigner zu, die ihr bestes Stück lieber von einem Fachbetrieb warten lassen als selbst Hand anzulegen.
Wie gut die Stimmung unter den Schiffsbauern ist, verdeutlicht auch das Ergebnis der Konjunkturumfrage des Bundesverbands. Fast neun von zehn Unternehmen bewerteten die Geschäftslage als gleich gut oder besser im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Erfolg habe aber auch seine Schattenseiten, sagte Sonja Meichle. Viele Firmen arbeiten an der Kapazitätsgrenze, Fachpersonal sei kaum zu bekommen.
Von einem regelrechten Boom des Standup-Paddling (SUP) sprach Bernd Flügel, Geschäftsführer bei F2, die sich als Hersteller von Surfboards einen Namen gemacht haben. Während Surfen und Kiten jedoch nahezu out sind und dieser Sportbereich am Boden liege, schieße das SUP-Geschäft durch die Decke. "Das Tor nach oben ist gerade richtig offen", so Flügel. Mittlerweile seien rund 600 000 Boards in Europa verkauft, allein 40 000 in Deutschland. Zuwachsrate? 100 Prozent. "SUP spricht ein breites Publikum an und wird ein Breitensport werden wie einst Inlineskaten.
Fliegende Segelboote
Grundlage ist eine rasante technologische Entwicklung. Wog solch ein SUP-Board vor vier Jahren noch gut 20 Kilo, bringen gute Bretter heute nur noch acht Kilo auf die Waage. "Das können auch Frauen aufs Wasser tragen", erklärte Bernd Flügel. Trend sind ohnehin aufblasbare Boards, die zu 95 Prozent nachgefragt werden, weil sie platzsparend aufbewahrt und transportiert werden können. Hergestellt würden die Bretter fast ausschließlich in Fernost, allein 60 Produzenten sind in China am Markt. Das habe sich auch beim Preis ausgewirkt, so Flügel. Statt 1000 bis 1500 Euro in der Startphase gebe es Markenbretter jetzt schon für 400 Euro, wobei sie "fast unzerstörbar sind", wenn man sich pfleglich behandle. Könne man vom "Fahrrad des Wassers" sprechen, wollte Moderator Andreas Kling wissen. "Schon, auch wenn es ein bisschen euphorisch klingt", urteilte der F2-Geschäftsführer. Aber er sehe es positiv, wenn dieser Sport viele Leute aufs Wasser ziehe. Ein zweiter, spürbarer Trend ist der hin zum Motorboot.
"Der Segelbootmarkt wächst nicht proportional zum Motorbootmarkt", schätzt Karsten Baas, Chef der Hanse Vertriebs GmbH, ein. Zwar stellen Segelyachten bei Hanse immer noch den Löwenanteil im Verkauf dar, können mit einer Wachstumsrate von 14 Prozent wie bei Motorbooten aber nicht mithalten. Woran liegt das? "Segeln fordert mehr Präsenz, mehr Aktivität auf dem Boot. Auf dem Motorboot wollen viele Kunden auf dem Wasser einfach nur die Seele baumeln lassen", schätzt Peter Grimm von der Brunnert Grimm AG in der Schweiz ein, der zusätzlich beobachtet hat, dass Bootseigner mit dem Alter zu Motorboot-Einsteigern werden.
Diese Einschätzung teilt Sonja Meichle, die Geschäftsführerin der "Ultramarin" in Kressbronn ist. "Der Einstieg ins Motorboot ist leichter. Man macht den Schein und drückt den Hebel herunter." Dieser Trend zum Motorboot bildet sich auch bei der Messe "Interboot" selbst ab. Vor 16 Jahren waren in den Hallen der Neuen Messe etwa 65 bis 68 Prozent der ausgestellten Boote Segler, "heute sind es 70 Prozent Motorboote", erklärte Messe-Projektleiter Dirk Kreidenweiß.
Beim Segeln wird derzeit ein Trend heiß diskutiert, der aus dem Wettkampfsport auch zu den Laien hinüberschwappt – das sogenannte Foiling, also das Gleiten auf Tragflächen über dem Wasserspiegel. Die Schweizer Firma Quantboats hat auf der Interboot ein Boot vorgestellt, das sowohl normal gesegelt, als auch gefoilt werden kann.
Interboot
Die "Interboot" findet in Friedrichshafen zum 56. Mal statt und bleibe weiterhin "ein stabiler Faktor im Messegeschäft", wie Geschäftsführer Klaus Wellmann beim Branchengespräch sagte. Rund 500 Boote und Yachten sind auf der Messe ausgestellt, die noch bis Sonntag, 1. Oktober, täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist, der Interboot-Hafen täglich bis 19 Uhr. Die Halle B1 ist am Donnerstag zum Sunset Shopping bis 21 Uhr geöffnet. Die Tageskarte kostet 12 Euro, ermäßigt 10 Euro. (kck)