• Lohnerhöhung: Der Tarifvertrag bringt zum 1. April eine Lohnerhöhung für alle Beschäftigten von 4,3 Prozent. Der hohe Anfangswert verdeckt, dass es die einzige prozentuale Aufstockung bis März 2020 ist. Dazu kommt eine Einmalzahlung von 100 Euro für Januar bis März 2018 und ab 2019 ein jährlicher Festbetrag von 400 Euro. Nächstes Jahr wird zudem ein tarifliches Zusatzgeld in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatslohns eingeführt. Das summiert sich nach Berechnung von Südwestmetall auf eine Lohnerhöhung im Volumen von durchschnittlich sieben Prozent über 27 Monate. IG Metall-Chef Jörg Hofmann behauptet, man habe sich in beiden Kalenderjahren „an vier Prozent Lohnsteigerung herangerobbt“.
  • Teilzeitarbeit: Die IG Metall konnte durchsetzen, dass jeder Beschäftigten einen Anspruch auf eine befristete Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden bekommt. Zwischen sechs und maximal 24 Monate sind möglich, plus Verlängerung. Allerdings haben die Arbeitgeber den Anspruch an zwei Stellen durchlöchert: Gibt es für Beschäftigte mit Schlüsselqualifikationen keinen Ersatz, darf der Arbeitgeber Anträge ablehnen.
    Außerdem ist die Arbeitszeitverkürzung bei zehn Prozent einer Belegschaft gedeckelt.
  • Zuschuss: Nicht durchsetzen konnte die IG Metall den geforderten Zuschuss von monatlich 200 Euro für Beschäftigte, die Kinder bis acht Jahren erziehen, enge Angehörige pflegen oder in Schicht arbeiten und dafür ihre Arbeitszeit auf 28 Stunden reduzieren. Diesen Teil der Forderung hatten die Arbeitsgeber als rechtswidrig abgelehnt. Der Kompromiss: Das tarifliche Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatslohns kann in acht freie Tage umgewidmet werden. „Die zusätzliche Freizeit ist mehr Wert als das Zusatzgeld“, erklärt IG Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Der Punkt ist ihm besonders wichtig: „Damit schaffen wir Freiräume für wichtige gesellschaftliche Aufgaben und erleichtern die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.“
  • Arbeitszeitausgleich: Stolz ist Südwestmetall-Chef Stefan Wolf auf die Möglichkeiten zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Im Regelfall dürfen bisher höchstens 18 Prozent einer Belegschaft mehr als 35 Stunden arbeiten. Künftig können mehr Beschäftigte bis zu 40 Stunden arbeiten – als Ausgleich für entfallende Arbeitszeit durch die neue Teilzeit. Unter bestimmten Bedingungen darf die Hälfte einer Belegschaft 40 Stunden arbeiten. „Mit diesem Modell haben wir genau die Flexibilisierung nach unten und nach oben vereinbaren können, die wir angestrebt haben“, freut sich Gesamtmetall-Chef Rainer Dulger.
    Der Heidelberger Unternehmer ist mehr als zufrieden: „Wir haben den Grundstein für ein flexibles Arbeitszeitsystem für das 21. Jahrhundert gelegt.“ "Der Tarifvertrag ist nicht nur vernünftig, sondern enthält mit den Regelungen zu flexibleren Arbeitszeiten auch wichtige gesellschaftspolitische Impulse", sagte Marcus Wassenberg Finanzvorstand der Friedrichshafener RRPS. Herausgekommen sei "ein sehr tragfähiger Tarifvertrag". Auch der ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich begrüßte die Einigung, sagte aber auch: Ohne die 24-Stunden-Streiks "wären wir sicher nicht so weit gekommen."
  • Soziale Komponente: An zwei Stellen schneiden die unteren Lohngruppen überdurchschnittlich gut ab. Die Einmalzahlung von 100 Euro für das erste Quartal wirkt sich prozentual bei ihnen höher aus als in den oberen Entgeltstufen. Auch der künftig jährlich anfallende Einmalbetrag von 400 Euro begünstigt die Geringverdiener. Im Durchschnitt verdient man in der Metallindustrie 64 000 Euro im Jahr.
  • Differenzierung: Bei schlechter Wirtschaftslage kann ein Betrieb die 400 Euro Einmalzahlung reduzieren oder verschieben. Dulger ist diese Möglichkeit der Differenzierung wichtig. „Das ist ein Beitrag zur Akzeptanz des Flächentarifvertrags“, betont er.
  • Akzeptanz: „Als Hypothek sehen wir die wahnsinnige Komplexität“, räumt der Südwestmetall-Präsident ein.
    Gerade für mittelständische Unternehmen ohne eine spezialisierte Personalabteilung werde die Umsetzung der Arbeitszeitmodelle „extrem schwierig.“

Das sagen die Experten zum Abschluss

Hagen Lesch, Jahrgang 1964, ist Volkswirt und Tarifexperte beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW):

Was bedeutet der Tarif-Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland?

"Die neuen Arbeitszeitregeln stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sagt Lesch. Die Arbeitszeitverluste, die durch die teilweise Einführung der 28-Stunden-Woche entstünden, könnten die Firmen kompensieren. Der Grund: Jeder neue Teilzeitbeschäftigte eröffnet laut Tarifvertrag automatisch die Möglichkeit für zusätzliche 40-Stunden-Verträge.

Was bedeutet der Metall-Abschluss für die Mitarbeiter in der mit 3,9 Millionen Menschen beschäftigungsstärksten Branche der Republik?

"Viele Mitarbeiter werden von der verkürzten Vollzeit profitieren, weil Sie Beruf und Privatleben besser in Einklang bringen können", sagt Lesch. Gut findet er, dass im Gegenzug Mitarbeiter länger arbeiten können, wenn sie dies möchten.

Was bedeutet der Metall-Abschluss für andere Branchen, die noch nicht über entsprechend komfortable Regelungen für ihre Mitarbeiter verfügen?

"Der Wunsch vieler Arbeitnehmer nach mehr Selbstbestimmung wird weiter wachsen", ist sich Tarifexperte Lesch sicher. Insofern gerieten Unternehmen ohne entsprechend flexible Arbeitszeitregeln "in Zugzwang". "Gute Tarifverträge" könnten sie unterstützen, Fachkräfte zu finden. Wichtig seien allerdings "branchenspezifische Lösungen", sagt Lesch. Denn nicht jede Branche ist gleich leistungsfähig. "Eine Blaupause wird der Metallabschluss allemal."

Thorsten Schulten, Jahrgang 1966, lehrt am gewerkschaftsnahen WS-Institut der Böckler-Stiftung und an der Uni Tübingen:

Was bedeutet der Tarif-Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland?

"Der Tarifabschluss hat wenig Einfluß auf die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe", sagt Schulten. Die Kostenbelastung entspreche der sehr guten Konjunktur. Für schwächere Firmen gälten weiter die Regeln des Pforzheimer Abkommens, wonach Abweichungen vom Tarifvertrag nach unten in Absprache mit Arbeitnehmern und der IG Metall möglich sind.

Was bedeutet der Metall-Abschluss für die Mitarbeiter in der mit 3,9 Millionen Menschen beschäftigungsstärksten Branche der Republik?

Der Vorteil für die Mitarbeiter liege im Recht auf Arbeitszeitverkürzung mit gleichzeitigem Rückkehrrecht in Vollzeit, sagt Schulten. Die Arbeitswelt sei heute "so verdichtet", dass immer mehr Beschäftigte Wert auf "Ausgleich von der Arbeit" legten.

Was bedeutet der Metall-Abschluss für andere Branchen, die noch nicht über entsprechend komfortable Regelungen für ihre Mitarbeiter verfügen?

Moderne Tarifverträge lassen es zu, Gehalt in Freizeit umzuwandeln, sagt Schulten. Die Bahn-Tarifrunde habe es 2016 vorgemacht. Auch die Metaller können nun Einkommen in Freizeit umwandeln. Zwei volle Tage schenken ihnen die Arbeitgeber. Schulten sagt: "Branchen, die nicht mitziehen, werden Probleme bekommen, Arbeitskräfte-Nachwuchs zu finden."

Aufgezeichnet von Walther Rosenberger