Ottobrunn/Immenstaad – Die Weihnachtsansprache ihres Chefs dürften sich die Beschäftigten von Airbus dieses Jahr wohl anders vorgestellt haben. Per Brief (“Liebe Kolleginnen und Kollegen“) informierte Dirk Hoke, Vorstandschef der Airbus-Luft- und Raumfahrtsparte, seine Mitarbeiter Anfang der Woche über eine „außergewöhnlichen Lage“, in der sich das Unternehmen befinde. Die Auftragseingänge, der Gewinn und die Liquidität seien seit drei Jahren im Sinkflug. Die langfristigen Aussichten seien gefährdet, die „kurzfristige Perspektive so kritisch wie nie zuvor“, schreibt Hoke in dem Schreiben, das dem SÜDKURIER vorliegt. Nötig seien nun „robuste Maßnahmen“, mit dem Ziel, einen „entscheidenden Turnaround“ (deutsch: Umbruch) einzuleiten.

Konzern schließt Jobabbau nicht aus

Damit steht die EU-weit aufgestelle Verteidigungs- und Raumfahrtsparte des Konzerns, Umsatz zuletzt knapp 11,1 Milliarden Euro, mit ihren bundesweit rund 14 000 Mitarbeitern vor den wohl größten Einschnitten seit Jahren. Auch ein Stellenabbau sei nicht ausgeschlossen, sagte ein Unternehmenssprecher. Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern seien aufgenommen worden. Deren Ziel ist es, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

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Christian Birkhofer, Betriebsratsvorsitzender des Airbus-Standorts in Immenstaad sagte unserer Zeitung, man werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der geplante Sparkurs nicht zulasten der Belegschaft gehe. Auswirkungen auf die einzelne Standorte seien „aktuell nicht bekannt“.

Sentinel-6A-Satelliten zur Erdbeobachtung werden am Bodensee gebaut. Bild: Airbus
Sentinel-6A-Satelliten zur Erdbeobachtung werden am Bodensee gebaut. Bild: Airbus | Bild: Lorenz Engelhardt

Allerdings scheint es klar, dass auch das auf Satelliten- und Verteidigungstechnik spezialisierte Werk am Bodensee von den Sparbemühungen betroffen ist. In Immenstaad arbeiten derzeit nach Konzernangaben 2250 Beschäftigte, 1350 davon in der Raumfahrt-Sparte, etwa 900 im Verteidigungsbereich. Immenstaad ist unter den deutschen Standorten führend beim Bau von großen Erdbeobachtungssatelliten, für deren Montage erst in diesem Jahr eine 45 Millionen Euro teure Fertigungshalle gebaut wurde. Außerdem werden am Bodensee militärische Radar- oder Bildgebungssysteme für Drohnen, Kampfjets oder Satelliten entwickelt, die zur Feindaufklärung oder Gefechtsfeldüberwachung dienen.

F-18-Jets oder doch Eurofighter?

Weil das Bundesverteidigungsministerium als größter Auftraggeber wichtige Investitionen auf die lange Bank geschoben hat, darbt das Geschäft. Für Airbus in Immenstaad ist beispielsweise entscheidend, ob die Bundesregierung grünes Licht zur milliardenschweren Anschaffung hochfliegender Pegasus-Drohnen gibt, was bislang nicht geschehen ist. Gegenüber dem SÜDKURIER bezeichnete Airbus-Standortleiter Dietmar Pilz das Drohnen-System Anfang Dezember als „militärisches Großprojekt für den Standort“. Wenn Aufträge hier nicht gesichert werden könnten, seien auch am Bodensee Stellen in Gefahr. In ferner Zukunft macht sich der Standort zudem Hoffnung, beim milliardenschweren Euro-Fighter-Nachfolgewaffensystem FCAS zum Zuge zu kommen, das auf nationaler Ebene zusammen mit Frankreich vorangetrieben wird.

Satellit von Airbus in Immenstaad
Satellit von Airbus in Immenstaad | Bild: Airbus

Auch das für Immenstaad wichtige Satellitengeschäft läuft aktuell nicht rund. Insbesondere hier gelte es, neue Aufträge zu generieren, sagte Pilz Anfang Dezember. Airbus steht im Satellitenbereich vor dem Problem, dass die EU Ende November für ihre Raumfahrtprogramme zwar Mittel in Milliardenhöhe freigegeben hat, es aber noch Jahre dauern kann, bis sich das in Aufträgen auszahlt. Außerdem sind dem Platzhirsch mit OHB aus Bremen oder der französischen Thales Konkurrenten erwachsen, die Airbus immer wieder wichtige Aufträge abspenstig machen.

Kauft der Bund US-Kampfjets ein?

Weitreichende Folgen, insbesondere für die Airbus-Standorte in Manching und Augsburg dürfte zudem haben, ob das Verteidigungsministerium künftig Waffensysteme verstärkt in den USA einkauft, oder wie bislang auf europäischen Lösungen setzt. So steht im Raum, die in die Jahre gekommene Flotte von ECR-Tornados nicht durch die von Airbus gefertigten Eurofighter-Kampfflugzeuge, sondern durch us-amerikanische F18-Jets zu ersetzen. Die ECR-Tornados, die mit komplexer Radarstör-Technologie ausgestattet sind, galten bislang als eines der technologischen Aushängeschilder der Luftwaffe. Airbus-Gesamtbetriebsratschef Thomas Pretzl, erhob die Tornado-Nachfolge gar zur Schicksalsfrage. „Die Zukunft der gesamten militärischen Luftfahrtindustrie in Deutschland entscheidet sich an der Frage, ob die Bundeswehr den Eurofighter oder die amerikanische F18 als Nachfolger für den Tornado kauft“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.