Friedrichshafen – Die Zinsen befinden sich seit Jahren im Keller. Das trifft nicht nur Sparer, sondern auch Unternehmen – vom Mittelständler bis zum Dax-Konzern. Denn um ihren Mitarbeitern Betriebsrenten zu garantieren, müssen die Unternehmen Rückstellungen bilden. In Zeiten, in denen Kapital mit drei, vier oder fünf Prozent wächst, ist das kein Problem. Denn über einen langen Zeitraum sorgt allein der Zinseszinseffekt für hohe Wachstumsraten der Einzahlungen. Doch ohne Zinseszinseffekt müssen die Unternehmen den Betriebsrenten immer mehr Geld zuschießen – und das sorgt für hohe Pensionsrückstellungen, die die Unternehmenbilanz belasten und Gewinne auffressen.
Betriebsrenten vorerst ausgesetzt
Vor diesem Problem steht auch der Autozulieferer ZF. Schon seit Jahren verhandeln Betriebsrat und Management über eine Reform der innerbetrieblichen Altersvorsorge. Aktuell zahlt ZF für jeden seiner gut 50 000 Mitarbeiter in Deutschland 1,1 Prozent des Bruttoeinkommens in die betriebliche Rentenkasse. Die Mitarbeiter legen ein Prozent des Einkommens obendrauf und können die Selbstbeteiligung auf bis zu fünf Prozent aufstocken. Viele ZF-Mitarbeiter tun dies gerne, denn die Beiträge versprechen eine Garantieverzinsung von 6 Prozent – was angesichts der Flaute auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten eine geradezu paradiesische Verzinsung ist.
Doch die hohe Verzinsung ließ die Pensionsverpflichtungen in der Bilanz auf 3,8 Milliarden Euro steigen – Geld das für wichtige Zukunftsinvestitionen in die Elektromobilität und das autonome Fahren nicht zur Verfügung steht. Und so zog das Management die Notbremse und setzt die Betriebsrenten voerst aus. Bestandsrentner und die aktuelle Belegschaft müssen nicht um ihre Renten fürchten. Doch wer zum 1. Januar bei ZF anheuert, muss – Stand heute – ohne Betriebsrente auskommen.
"Damit wir auch in Zukunft unsere Pensionszusagen einhalten und den Mitarbeitern eine attraktive ZF-Rente anbieten können, müssen wir unser bisheriges Betriebsrentensystem an die Entwicklungen an den Finanzmärkten anpassen, die von niedrigen Zinsen geprägt sind", teilt ein ZF-Sprecher mit. Man sei gerade dabei, mit den Arbeitnehmern ein neues Betriebsrentensystem auszuhandeln. Ein konkretes Angebot seitens der Arbeitgeber liege bereits auf dem Tisch.
Betriebsratschef Achim Dietrich zeigte sich im Gespräch mit dieser Zeitung verhandlungsbereit. "Ich habe ein gewisses Verständnis für die Finanzabteilung des Unternehmens", sagte er. Der Kapitalmarkt gebe derzeit einfach nicht genug Zinsen her. Er zweifle auch nicht daran, dass es zeitnah zu einer Verhandlungslösung kommen werde. "Es wird wieder eine Betriebsrente bei ZF geben", sagte er klipp und klar. Neue Mitarbeiter könnten rückwirkend von der neu verhandelten Betriebsrente profitieren, so dass kein Mitarbeiter ohne betriebliche Rentenversorgung bleibe. Dies sei wichtig, um ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben, so Dietrich.
Das Renten-Problem bei anderen Firmen
- Wie handhaben andere Unternehmen das Problem? Fast alle Dax-Konzerne haben ihre Pensionslogik in den letzten Jahren umgestellt. In der Regel wird keine feste Auszahlungen mehr garantiert, sondern nur noch garantierte Beiträge, so dass die Unternehmen nicht mehr alleine das Zinsrisiko tragen. Prominentestes Beispiel für eine solche Regelung ist der Luftfahrtkonzern Lufthansa, wo sich die Piloten nach einem langen Tarifkonflikt und vielen Streiks auf eine Neuordnung der Betriebsrente geeinigt haben. Durch die Neuregelung wird der Konzern von hohen Millionenbeträgen entlastet.
- Wie sieht die Regelung für TRW-Mitarbeiter aus? Das amerikanische Unternehmen wurde 2015 als Division Aktive & Passive Sicherheitstechnik in den ZF-Konzern integriert. Viele der TRW-Mitarbeiter brachten noch Pensionsanprüche aus ihrem alten Unternehmen mit. Doch wer neu bei TRW eingestellt wurde, konnte bisher nicht auf eine betriebliche Altersvorsorge zählen. Sollte es bei ZF zu einem Renten-Kompromiss kommen, würden dieser auch "für die ehemaligen TRW-Kollegen gelten, die bisher keine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung haben", teilt ein ZF-Sprecher mit. Dies sei laut ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich auch nötig. Etwa 3500 TRW-Mitarbeiter in Deutschland seien unversorgt. Es dürfe aber nicht zwei Sozialsystem in einem Unternehmen geben.