Herr Grupp, obwohl Sie mit Vorliebe schwarze Anzüge tragen, gelten Sie in der Unternehmerschaft als bunter Hund. Während sich andere Firmen Wachstumsziele setzen, produziert ihr Unternehmen Trigema heute genauso viele T-Shirts und Polohemden wie vor 20 Jahren. Wie geht so etwas gut?

Der Bedarf an Kleidung in Deutschland ist gedeckt. Die Kleiderschränke der Deutschen gehen nicht mehr zu, so voll sind sie. Insofern produziere ich ein Produkt, das keiner mehr braucht. Welchen Sinn macht es da, immer mehr herzustellen?

Sagen Sie es mir?

Es ist sinnlos. Deswegen verfolge ich das Prinzip des Wachstums durch Ausweitung der Menge nicht mehr. Wer in meinem Geschäft Erfolg haben will, darf nicht auf Masse setzen, sondern muss qualitativ hochwertige Produkte herstellen, die den Menschen einen Mehrwert bieten. Immer mehr bringt nichts.

Warum folgen nicht mehr Firmenchefs Ihrem Weg?

Ich kann nicht für andere reden. Nach meiner Überzeugung geht Produktionswachstum in einer bedarfsgedeckten Wirtschaft nur über Rabatte beim Preis. Dieses Geschachere mache ich aber nicht mit. In meiner Zeit bei Trigema habe ich mich vielfach von wichtigen Abnehmern verabschiedet. Sobald sie versucht haben, mich beim Preis zu erpressen, habe ich die Reißleine gezogen. Wenn mich der Handel unter Druck setzt, muss ich den Handel eben teilweise selbst übernehmen. 

Wolfgang Grupp im Gespräch mit SÜDKURIER-Wirtschaftschef Walther Rosenberger im Rathaus Hilzingen. Bild: Tesche
Wolfgang Grupp im Gespräch mit SÜDKURIER-Wirtschaftschef Walther Rosenberger im Rathaus Hilzingen. Bild: Tesche

Glücklich, wer sich das leisten kann…

Von 26 Textilfirmen in Burladingen und Umgebung bin ich der einzige, der übrig geblieben ist. Da kann ich nicht alles falsch gemacht haben. Ich habe Wege gesucht, den Handel zu umgehen. Zwei Drittel unserer Ware verkaufen wir mittlerweile in eigenen Läden, unseren Test-Geschäften. Weil der Handel da nicht mehr mitverdient, wird es für die Kunden günstiger. Auch das Internet nutzen wir mittlerweile intensiv als Vertriebskanal.

Also direkter Vertrieb als Erfolgsrezept?

Das alleine reicht nicht. Wir sind auch innovativ und entwickeln unsere Textilien permanent weiter. Und wir sind schnell. Wenn Sie heute einen Auftrag bei Trigema in Burladingen platzieren, haben sie die Ware 48 Stunden später. Schaffen Sie das mal, wenn die Unterhemden mit dem Schiff aus China kommen.

Wie entwickeln sich die Online-Verkäufe?

2017 haben wir knapp 15 Millionen Euro im Online-Handel umgesetzt. Und in den ersten Monaten des Jahren stand ein Umsatzwachstum von etwa 15 bis 20 Prozent an.

Ist das für Sie jetzt ein Grund zur Freude oder eher zur Sorge. So viel Wachstum wollen sie doch eigentlich gar nicht…

Ich habe die Devise ausgegeben, den Wachstumstrend im Online-Bereich mitzugehen, aber wir fahren dafür an anderer Stelle zurück.

Wo denn?

Im stationären Verkauf. Vor einiger Zeit habe ich die Mietverträge von zweien unserer eigenen Test-Geschäfte auslaufen lassen. Jetzt haben wir statt 47 nur noch 45 eigene Läden. Aktuell ist in der Diskussion, wieder ein neues Test-Geschäft zu bauen, dafür schließen wir dann aber an anderer Stelle einen Standort. Wir fahren unsere Präsenz vor Ort zurück. Wir erweitern auch die Flächen der Test-Geschäfte nicht mehr.

Läuft es noch rund bei Trigema?

Es gibt bei uns kein schlechtes Jahr. Zumindest war das bislang immer so. Die Geschäfte laufen immer gut genug, um meine Mitarbeiter zu beschäftigen und deren Kindern einen Arbeitsplatz zu garantieren, wenn sie irgendwann einmal ins Unternehmen eintreten wollen. Und zu einem Gewinn reicht es dann auch immer noch. Beim Umsatz haben wir im vergangenen Geschäftsjahr 100,5 Millionen Euro erzielt. Das sind knapp drei Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Wie hoch ist der Trigema-Gewinn?

Ich arbeite ungern unter zehn Prozent Umsatzrendite.

Fühlen Sie sich in unserem Wirtschaftssystem, das Wachstum über alles setzt, überhaupt noch zuhause?

Unser System befremdet mich aus einem anderen Grund. Es ist so ausgestaltet, dass der Steuerzahler haftet, wenn Unternehmer oder Manager Fehlentscheidungen treffen. Das kann nicht sein. Nehmen Sie die Banken während der Finanzkrise oder die Firmen während des New-Economy-Hypes. Überall wurden übertriebene Risiken eingegangen im Wissen, dass am Ende der Steuerzahler die Zeche zahlt. Das macht mich wütend. Ich hafte als eingetragener Kaufmann mit meinem Vermögen für alle Entscheidungen, die ich treffe. Das ist heilsam, wenn es darum geht, Größenwahnsinn zu vermeiden. Wir brauchen die Haftung jedes Unternehmers zurück. Wir brauchen mehr Verantwortung in der Wirtschaft.

Würde dann das Vertrauen in die Manager zurückkehren?

Ich denke schon. Wenn man früher an einer Unternehmervilla vorbeigegangen ist, sagten die Leute voller Stolz: 'Schau mal, da wohnt mein Chef.' Je größer die Villa, desto größer war in den Augen der Leute die Leistung des Chefs. Heute sagen die Menschen nicht selten: 'Je größer die Villa, desto höher war die Abfindung, als er versagt hat.' So ein Verhältnis der Bürger zu ihren Wirtschaftslenkern kann nicht gesund sein.

Müssen Manager bescheidener werden?

Zumindest sollte man es mit den Wachstums- und Renditezielen nicht übertreiben. Das provoziert oft Risiken und damit Fehlentscheidungen. Gier war noch nie ein guter Ratgeber. Leider verhalten sich immer noch zu viele Unternehmer wie Hasardeure. Man muss auch mal mit etwas zufrieden sein. Das schönste im Leben ist nicht Geld zu zählen, sondern das Gefühl zu haben, von seinen Mitmenschen gebraucht zu werden.

Was halten Sie von Modefirmen wie Primark, die so billige Kleider produzieren, dass man sie nach Aussagen der Konzern-Chefin einmal tragen und dann wegwerfen kann?

Ich habe das nicht grundsätzlich zu kritisieren. Wenn das Unternehmen seine Mitarbeiter fair behandelt und Kunden findet, die sich jeden Tag ein neues T-Shirt oder eine Unterhose kaufen wollen – was sollte ich da dagegen haben? Unser Weg ist das aber nicht. Ich komme aus einer sparsamen Familie. Bei uns wird bis heute keine Scheibe Brot weggeworfen. Wenn etwas am Abend nicht gegessen wird, wird es am nächsten Tag erneut serviert.

Trigema ist Teil einer Initiative, die Flüchtlinge leichter in den Arbeitsmarkt integrieren will. Wie wichtig sind Flüchtlinge als Fachkräfte?

Sie sind ein Mosaikstein. Von unseren rund 1200 Mitarbeitern sind 31 Flüchtlinge. Wenn wir könnten, würden wir auch viel mehr einstellen. Die Fachkräftelücke geht auf das Konto der Politik, die den Jugendlichen jahrelang erzählt hat, jeder, der etwas auf sich hält, müsse unbedingt Abitur machen und studieren. Diese irrige Einstellung muss weg. Deutschland braucht vor allem gute Leute mit handwerklichem Geschick.

Stellen Sie Flüchtlinge ein, um Ihren Teil zur Integration beizutragen?

Bitte unterstellen Sie nicht, ich sei sonderlich sozial. Ich habe die Leute eingestellt, weil sie super Arbeit abliefern. Unsere Flüchtlinge sind vornehmlich Syrer und Pakistani und waren in ihrer Heimat Näher oder Färber. Sie kennen das Geschäft von der Pike auf und bringen zudem als Männer einen frischen Wind in unseren Laden, in dem es fast ausschließlich Näherinnen gibt.

Sie stellen Flüchtlinge also hauptsächlich aus rationalen Erwägungen ein?

Ja, man kann ein Unternehmen nicht nur mit Mitleid führen, sondern man muss auch Gewinne machen, sonst wird man von der Konkurrenz überholt, die kein Mitleid hat.

Kommendes Jahr sind sie 50 Jahre im Betrieb. Wann steigen Sie aus?

Das entscheiden meine Mitarbeiter und meine Familie. Bis heute geben sie mir das Gefühl, mich zu brauchen. Und wenn es dann einmal anders sein sollte, stehen meine beiden Kinder bereit, Trigema zu übernehmen.

Fragen: Walther Rosenberger

Zur Person

Wolfgang Grupp ist einer der eigenwilligsten deutschen Unternehmer. Der ehemalige Jesuiten-Schüler, Jahrgang 1942, stieg mit Mitte Zwanzig in die väterliche Trikotwarenfabrik in Burladingen auf der Alb ein und machte den Betrieb in wenigen Jahren zum größten deutschen T-Shirt und Tennisbekleidungshersteller. Seit 1975 lenkt er die Geschicke von Trigema, seit 1984 ist er Allein-Gesellschafter. 2017 machte Grupp ein Schreiben einer Kanzlei öffentlich, die Trigema – wohl versehentlich – vorgeschlagen hatte, Insolvenz anzumelden, und sich auf Kosten von Steuerzahlern und Lieferanten zu sanieren. Grupp schaltete die Politik ein. Wenn es die Regeln erlaubten, sich durch eine willkürlich herbeigeführte Insolvenz zu bereichern, stimme das System nicht, sagte Grupp. (wro)

Trigema

Trigema ist der letzte Überlebende der einst florierenden Textilindustrie im legendären "Trikot-Valley" auf der schwäbischen Alb. Der Polo-Shirt-Produzent kommt seit Jahrzehnten ohne Bankkredite aus und produziert, trotz harter Konkurrenz aus Asien und Osteuropa nur in Deutschland. 1200 Mitarbeiter arbeiten heute für Firmenchef Wolfgang Grupp und erwirtschaften jährlich rund 100 Millionen Euro Umsatz.Grupp betont, noch nie einen Mitarbeiter aus Arbeitsmangel entlassen oder in Kurzarbeit geschickt zu haben. (wro)

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