Wo kann man eigentlich noch essen gehen? Diese Frage führt aktuell in vielen Familien und Freundeskreisen zur Diskussion über das Angebot der Radolfzeller Gastronomie-Szene. Denn Lokale gibt es genug, und gut schmecken tut es ebenfalls. Nur die Auswahl ist es, die für Gesprächsstoff sorgt: Zu viele Italiener, zu wenig gut-bürgerliche Küche, so lautet oft die Einschätzung. Und dann all die Nachrichten über Geschäftsaufgaben und die vergebliche öffentliche Pächtersuche der Stadt für die ehemalige Unvergleichbar.

Hat die Radolfzeller Innenstadt ein grundsätzliches Problem? Ganz klar verneinen das Regina Brüsewitz, Geschäftsführerin der Tourismus und Stadtmarketing GmbH, und Wirtschaftsförderer Emanuel Flierl. Sie stehen in engem Kontakt mit Besitzern von gastronomischen Immobilien und den Pächtern. Und sie wehren sich gegen die allgemeine Schwarzmalerei der Radolfzeller Gastro-Szene.

Warum die Radolfzeller Gastro-Szene kein Problem habe

Auf Nachrichten von Geschäftsaufgaben folgen doch immer wieder auch welche über Neueröffnungen. Changir Küce, besser bekannt als Cici, hat nicht nur vor einiger Zeit die Münsterstube übernommen, er hat nun auch neu das Pub ‚Old Daddy‘s‘, direkt neben dem Zunfthaus in der Kaufhausstraße, eröffnet. Und die „Blueberry Bar“ möchte Güce ab September ebenfalls neu eröffnen. Diese hatte David Rüttnauer lange Zeit geführt, er ist jüngst nach Allensbach ins ‚Scharfe Eck‘ gewechselt. Und sparte beim Abschied auch nicht mit Kritik: In Radolfzell sei nichts mehr los, Allensbach der attraktivere Standort, die Verwaltung dort bemühter, so der Vorwurf.

Die ehemalige Unvergleichbar in der Poststraße sucht noch nach einem neuen Pächter.
Die ehemalige Unvergleichbar in der Poststraße sucht noch nach einem neuen Pächter. | Bild: Jarausch, Gerald

Gegenüber in dem Restaurant Zwirners möchten die Betreiber des asiatischen Restaurants Omizu, welche bereits einen gut besuchten Standort am Seetorplatz führen, eine weitere Zweigstelle eröffnen. „Etablierte Gastronome sehen noch Potenzial in der Stadt“, fasst Wirtschaftsförderer Flier die Lage zusammen. Das mache Hoffnung, deren Erfahrung und Konzepte auch am Markt überzeugen können.

Kann die Stadt für Vielfalt sorgen?

Die Wirtschaftsförderung sucht und unterhält Kontakt zu den Besitzern der Immobilien und den Gastronomen. „Wir können nur unsere Einschätzung abgeben, aber wir können kein einzelnes Nutzungskonzept verbieten“, macht Emanuel Flierl klar. Denn an wen verpachtet werde, entscheide allein der Vermieter, und welche Art von Küche angeboten werde, liege in der Verantwortung des Wirtes. „Ich habe großes Vertrauen in die Gastronomen der Stadt, dass sie ihre Konzepte so weiterentwickeln, dass diese auch am Markt ankommen. Gerne auch mit uns zusammen“, Flierl.

Aber wo und wie kann die Stadt die Gastro-Szene unterstützen?

Die Innenstadt zu beleben, das ist auch Ziel der Tourismus und Stadtmarketing GmbH. Im Jahr gebe es sehr viele Veranstaltungen, die Handel und Gastronomie unterstützen sollen, so Brüsewitz. Dazu gehörten die Aktionstage, der Abendmarkt oder das Altstadtfest, so Brüsewitz. Zuletzt startete die TSR den Versuch, die Veranstaltung ‚Zell on Stage‘ in den Sommer zu holen.

Dass Radolfzell durchaus auch viel Publikum anlocken kann, beweisen die vielen Veranstaltungen, die gut besucht sind. Hier sieht man ...
Dass Radolfzell durchaus auch viel Publikum anlocken kann, beweisen die vielen Veranstaltungen, die gut besucht sind. Hier sieht man volle Gassen beim Altstadtfest 2024. (Archivfoto) | Bild: Jarausch, Gerald

Mit Erfolg. „Die Rückmeldungen von ‚Zell on Stage‘ waren durchweg positiv und wir nehmen viele Anregungen für die Zukunft mit“, sagt TSR-Geschäftsführerin Regina Brüsewitz. Trotz der großen Konkurrenz des Konstanzer Seenachtsfests am selben Abend seien Innenstadt und Seeufer gut besucht gewesen. „In Radolfzell ist nämlich doch was los!“, sagt Brüsewitz überzeugt. „Wir setzen mit einzelnen Veranstaltungen kurzfristige Impulse, erhoffen uns eine langfristige Ausstrahlung und ein positives Image der Stadt“, ergänzt Flierl.

„Wir können nur unsere Einschätzung abgeben, aber wir können kein einzelnes Nutzungskonzept verbieten.“Emanuel Flierl, ...
„Wir können nur unsere Einschätzung abgeben, aber wir können kein einzelnes Nutzungskonzept verbieten.“Emanuel Flierl, Wirtschaftsförderer Stadt Radolfzell | Bild: Jarausch, Gerald

Die Kritik, die Sperrstunde ab 22 Uhr habe den Abend vor manchen Lokalen zu früh beendet, haben Wirtschaftsförderung und TSR offen angenommen und wollen nun prüfen, ob und zu welchen Veranstaltungen eine Verlängerung zulässig sei. Doch gelte es viele verschiedene Bedürfnisse der Innenstadt miteinander abzuwägen: Gastronomie, Handel, Arbeiten, Service, Wohnen – der Raum stehe verschiedenen Nutzungen zu. „Die Innenstadt ist eine Gemeinschaft. Es allen recht zu machen, ist eine Gratwanderung“, so Wirtschaftsförderer Flierl.

Kann die Stadtverwaltung also nur zuschauen, wie sich die Innenstadt entwickelt?

Im Hintergrund haben Wirtschaftsförderung und TSR und andere Stellen der Verwaltung schon länger an einem neuen Innenstadtkonzept gearbeitet. Dies gehe erst jetzt in die aktive Umsetzung, die für alle Bürgerinnen und Bürger sichtbar sei, erklärt Brüsewitz. Projekte wie der Pocket Park neben dem Mühlbach-Center und die darauffolgende Umgestaltung des Platzes Hinter der Burg würden nach der Planung jetzt in die Bauphase gehen. Die Achse Seemaxx bis Seeufer stünde als nächstes auf der Agenda. Die Stadt solle an Aufenthaltsqualität gewinnen, so das erklärte Ziel.

„Die Rückmeldungen von Zell on Stage waren durchweg positiv und wir nehmen viele Anregungen für die Zukunft mit.“Regina Brüsewitz, ...
„Die Rückmeldungen von Zell on Stage waren durchweg positiv und wir nehmen viele Anregungen für die Zukunft mit.“Regina Brüsewitz, Geschäftsführerin Tourismus und Stadtmarketing GmbH | Bild: Marinovic, Laura

Zusammen mit einem externen Berater sind verschiedene Maßnahmen erarbeitet worden. Auch die Umwandlung des ehemaligen Pflegeheims in der Poststraße 15 und Seestraße 46 als Wohngebäude mit öffentlich zugänglichem Café-Bereich im Erdgeschoss zahle auf dieses Konto ein, die Innenstadt weiterzuentwickeln, erklärt Flierl.

Welche Bereiche sind Sorgenkinder der Innenstadt?

Wie es mit der Höllturmpassage weitergehen soll, ist weiterhin offen. Wirtschaftsförderer Flierl kann zum jetzigen Zeitpunkt keinen neuen Sachstand nennen. Denn noch sei unklar, mit wem eine Neukonzeption besprochen werden könne. Der Besitzer der Passage, die Thallos AG mit Sitz in Tübingen, hatte vor einem Jahr Insolvenz angemeldet. Der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Tobias Rentschler von der Stuttgarter Anwaltskanzlei Grub Brugger, hatte Ende 2024 damit gerechnet, die Passage im Sommer dieses Jahres verkaufen zu können. Auf Rückfragen dieser Zeitung bei Rentschler gab es bisher keine Antwort.