Herr Gröger, Sie sind Anfang des Jahres zum dritten Mal Vater geworden. Wie hat sich Ihr Alltag als Bürgermeister verändert, seitdem Sie Dreifachpapa sind?

Mein Alltag besteht jetzt fast nur noch aus Arbeiten und mich um die Familie kümmern. Wir sind sehr glückliche Eltern, aber natürlich den ganzen Tag gefordert. Der Alltag ist gut ausgelastet, aber es ist wunderbar und wir fühlen uns wohl.

Sie sind ein moderner, involvierter Vater und haben zur Geburt Ihrer Tochter eine Art Elternzeit genommen. Die Auswahl der Termine, die Sie in dieser Phase wahrgenommen haben, wurde doch ein wenig mit Irritationen zur Kenntnis genommen. Zum Beispiel, dass Sie die Fastnacht ausfallen lassen. Haben Sie mit dieser Reaktion gerechnet?

Mir war klar, dass wir mit der Geburt unserer Tochter wirklich Familienzeit brauchen. Ich habe mich im Vorfeld mit meiner Frau abgestimmt, dass ich mich ein paar Wochen komplett um meine Familie kümmern möchte, das habe ich auch öffentlich so kommuniziert. Ich habe mir für zwei Wochen eine Auszeit genommen und drei weitere Wochen keine Abendtermine wahrgenommen. Da war es nicht relevant, welche Art von Termin anstand, meine neugeborene Tochter und meine Familie hatten Priorität. Mir ist schon klar, dass der eine oder andere vielleicht erstaunt sein würde oder die Rolle des Oberbürgermeisters so versteht, dass dieser sich in dieser Situation keine Auszeit nimmt. Ich wollte ein deutliches Signal setzen, dass Menschen in verantwortungsbewussten Rollen und in öffentlicher Funktion auch eine Familie haben und diese Relevanz hat.

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Würden Sie noch einmal die Machtübernahme am Schmutzigen Dunschtig schwänzen?

Die Narrizella und mein Double aus der Garde haben das ganz hervorragend gemacht. Wenn ich also wieder ein Kind direkt zur Fasnacht bekommen würde, dann ja, ich würde die Machtübernahme erneut schwänzen.

OB Simon Gröger erklärt, wie er die städtischen Finanzen in den kommenden Jahren gestalten möchte.
OB Simon Gröger erklärt, wie er die städtischen Finanzen in den kommenden Jahren gestalten möchte. | Bild: Jarausch, Gerald

Sie glauben also nicht, dass Sie das Sympathiepunkte gekostet hat?

Es ist für mich nicht primär relevant, ob das jeder gut findet oder nicht. Es war in dieser Zeit angebracht, mich um meine Familie zu kümmern. Und danach war ich wieder voller Energie für die Stadt da.

Wir sitzen heute auf der Baustelle der Güttinger Gemeindescheune. Sie haben den Treffpunkt vorgeschlagen. Warum sind wir hier?

Weil es ein wunderbares Projekt ist, das aus der Mitte der Bürgerschaft kam. Ich stand vor einigen Jahren im Wahlkampf hier. Damals waren 70 oder 80 Güttinger da, die sich in diesen Räumen einen Gemeinschaftsraum für den Ort gewünscht haben. Ich hatte in aller Euphorie erläutert, wie wir das mit Fördermitteln hinbekommen, weil ich einen realistischen Weg gesehen habe. Und dann musste ich natürlich auch liefern. Es freut mich sehr, dass wir diesen Herzenswunsch möglich machen konnten. Und es freut mich, dass Sie sich nicht zu schade sind, sich auch in eine Baustelle zu setzen (lacht).

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Wir sind uns dafür nie zu schade. Aber lassen Sie uns weiter über Herzenswünsche sprechen. Diese hat jeder Ortsteil und die Wunschliste ist lang. Was ist noch erfüllbar und wo muss der Rotstift angesetzt werden?

Noch haben wir den Rotstift nicht parat. Wir hatten die letzten drei Jahre eine wirtschaftlich sehr erfolgreiche Zeit. Wir hatten einen Gewerbesteuerrekord, konnten die Schulden entsprechend senken und waren Ende letzten Jahres auf dem historischen Höhepunkt unserer bisherigen Wirtschaftlichkeit. Dieses Jahr kommen wir mit unseren Finanzmitteln noch gut hin. Wir können alle Pflicht- und freiwilligen Aufgaben leisten. Aber für die nächsten Jahre werden wir mittelfristig Prioritäten setzen müssen. Nicht, weil wir schlecht gewirtschaftet haben oder die Einnahmen mangelhaft wären, sondern weil es mehrere Effekte gibt, auf die wir nur indirekt Einfluss haben. Radolfzell wird wegen der erfolgreichen Wirtschaftsjahre weniger Geld aus dem Gemeindeausgleichsstock erhalten. Durch den Neubau des Krankenhauses in Singen wird die Kreisumlage steigen. Und der Stadtbus wird künftig 1,6 Millionen Euro pro Jahr mehr kosten. Im September werden wir mit dem Gemeinderat in eine intensive Klausurtagung gehen und priorisieren müssen.

Wie wollen Sie die Balance halten zwischen Pflichtaufgaben und lieb gewordenen Extras?

Es gehört zu meinem politischen Stil, eine Harmonie zwischen Ortsteilen und Kernstadt herzustellen, beide sollen sich ausgewogen entwickeln. Wir haben über die vergangenen Jahre viele Freiwilligkeitsleistungen hochgefahren. Es wurden 219 Kita-Plätze geschaffen, die Kinderzeit ausgebaut, wir bieten Nachmittagsbetreuung und Schulsozialarbeit an – bisher konnten wir uns das alles leisten. Da fällt es Verwaltung und Gemeinderat natürlich schwer, die Standards zu reduzieren. Da muss eine klare Priorisierung her, sei es nun Straßen- oder Schulbau.

Ich selbst stehe für eine ausgewogene Entwicklung, dass es nicht nur zwei Projekte gibt und der Rest findet nicht statt. Ein Thema werden die Personalkosten sein, diese betragen aktuell 39 Millionen Euro, sollen nächstes Jahr auf 43 Millionen Euro steigen. Bei einem Haushalt von 128 Millionen Euro ist das natürlich ein hoher Betrag. Ob wir das Personal reduzieren, werden wir im Gemeinderat diskutieren müssen.

Doch auch die Bürgerschaft gewöhnt sich an Leistungen, wir haben die höchste Mülleimerdichte pro Kopf im Landkreis. Bei den technischen Betrieben kümmern sich mittlerweile 65 Leute um die Sanierung, Reparatur, um Gartenpflege, um Schlaglöcher, um alles. Und wenn wir hier einen Schritt runtergehen, wird man das direkt spüren. Bevor wir auf der Ausgabenseite den Rotstift ansetzen, ist es wichtig, die Einnahmenseite zu betrachten. Dazu gehört klar die Gewerbesteuer, aber auch die Nutzung von Fördermitteln für Projekte.

Oberbürgermeister Simon Gröger (mitte) beim Sommer-Interview auf der Baustelle zur Güttinger Gemeindescheune mit ...
Oberbürgermeister Simon Gröger (mitte) beim Sommer-Interview auf der Baustelle zur Güttinger Gemeindescheune mit SÜDKURIER-Redaktionsleiterin Anna-Maria Schneider (rechts) und Redakteurin Laura Marinovic (links). | Bild: Jarausch, Gerald

In den kommenden Jahren kommen noch mehr Pflichtaufgaben hinzu: Die Sanierung von Brücken, Schulen und Hallen steht an. Infrastruktur, die Jahrzehnte vernachlässigt wurde.

Es stehen in der Tat viele Hausaufgaben an. Gerade das Thema Brücken ist sehr investitionsreich. Und auch bei den Straßensanierungen hinken wir hinterher. Die Hallen arbeiten wir nach und nach ab. Durch die vielen Neubaugebiete mussten wir auch die nötige Infrastruktur mit aufbauen, es brauchte zunächst dringend Kita-Plätze, jetzt müssen die Grundschulen wachsen. Wir haben einerseits die finanziellen Möglichkeiten, andererseits die personellen Ressourcen. Und in diesem Bereich müssen wir eine möglichst gute Optimierung hinbekommen.

Und wie soll diese gute Optimierung aussehen?

Indem wir Projekte, wenn sie beschlossen sind, auch tatsächlich umsetzen. Wir drehen keine Sonderrunden mehr. Auch formulieren wir die klare Haltung, wofür die Stadt Geld hat und wofür nicht. In den vergangenen Haushaltsberatungen habe ich erlebt, dass statt einer Priorisierung eher noch mehr Projekte genannt werden. Ich werde bei der anstehenden Klausurtagung mit dem Gemeinderat, in der wir über das Investitionsprogramm beraten, klar sagen, dass nichts leistbar ist, was nicht bereits auf dem Zettel steht. Wir müssen uns jetzt um unsere Kernaufgaben kümmern, sonst werden wir in wenigen Jahren finanziell in eine Schieflage geraten.

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Ist der Bau eines städtischen Wohnhauses auch eine Kernaufgabe, die bereits auf dem Zettel steht?

Daran halte ich fest. Wir haben 5 Millionen Euro im Haushalt drin. Es wird gerade eine Wirtschaftlichkeitsanalyse erarbeitet und ich werde mit einer weiteren Vorlage noch dieses Jahr in den Gemeinderat gehen, in der es auch um die Grundentscheidung gehen wird, eine Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. Das werden wir einstimmig nicht schaffen, aber es wäre ein starkes Signal, wenn wir eine große Mehrheit hinbekommen.