Klaus Schwab verzieht keine Miene. Kein Gefühl lässt sich auf den Zügen des Achtzigjährigen ablesen. Schwab doziert über seine große Erfolgsstory, das Weltwirtschaftsforum. Der in Ravensburg geborene Ökonomie-Professor lässt im nüchternen Tonfall wissen, dass auch das 49. Jahrestreffen, das heute beginnt, mal wieder als Kongress der Superlative glänzen wird: Mehr als 3000 Topentscheider aus Wirtschaft und Politik folgen dem Ruf des Forums-Gründers Schwab in das eiskalte Davos, darunter 60 Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Bild 1: Das Gipfeltreffen in den Alpen beginnt
Bild: FABRICE COFFRINI

Nirgendwo sonst kommen so viele Führungspersönlichkeiten und Bosse auf so engem Raum zusammen wie in der Abgeschiedenheit der Schweizer Alpen. Davos, das ist die Gala der globalen Elite. Und die illustre Schar soll in der schwer bewachten Luxusdestination, so gibt es Schwab vor, darüber beraten, wie die beste Welt aller Zeiten zu schaffen ist. „In Davos wollen wir chancen-orientiert sein und nicht so viel über aktuelle Krisen reden“, sagt er. Dabei gibt es derzeit genügend Krisen. Denn auch über den Reichen und Mächtigen ziehen sich dunkle Wolken zusammen.

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„Globale Risiken verschärfen sich, aber es mangelt am kollektiven Willen sie zu lösen“, warnt das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem jüngsten Report. Auch UN-Generalsekretär António Guterres ist voller Sorge: „Die Welt ist in Unordnung.“ Neben den vielen bewaffneten Konflikten und dem Klimawandel listet Guterres, der auch nach Davos reist, die mannigfaltigen wirtschaftlichen und sozialen Gefahren auf: Handelskonflikte, Schuldenkrisen, Kluft zwischen Arm und Reich.

„Die Menschen stellen eine Welt infrage, in der eine Handvoll Leute genauso viel besitzt wie die Hälfte aller Erdenbewohner“, schreibt Guterres den Davosianern ins Stammbuch. Zwar wird der Kongress der Globalisierungsgewinner alle diese Probleme auf rund 350 Einzelevents pflichtschuldig diskutieren. Und die Teilnehmer werden auch Ja sagen zu Schwabs „Davos 2019 Manifest“. In dem Papier fordert der Davos-Impresario einen „neuen Rahmen für globale Kooperation“. Doch die meisten der Angereisten haben ihren eigenen Vorteil im Sinn.

Nestlé, VW und Allianz mischen mit

So wird sich der rüpelhafte Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, erstmals auf der großen internationalen Bühne präsentieren – und den veritablen Staatsmann mimen. Auch andere Politgrößen, von Premierminister Shinzo Abe aus Japan über Israels Regierungschefs Benjamin Netanjahu bis zum Präsidenten Südafrikas Cyril Ramaphosa, nutzen Davos zur Profilierung.

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Dass in diesem Jahr US-Präsident Donald Trump und seine Delegation wegen des Budgetstreits nicht in Davos erscheinen, passt den meisten anwesenden Staatenlenkern gut ins Kalkül. Nun ist nicht zu befürchten, dass Trump allen anderen die Schau stiehlt. So wie es der Selbstdarsteller 2018 tat. Allerdings dürfte der Rückzieher des traditionell hochkaratig besetzten US-Teams den statusfixierten WEF-Chef Schwab schwer treffen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron bleibt wegen seiner Probleme mit den rebellischen Gelbwesten lieber zu Hause, genauso wie Großbritanniens Premierministerin Theresa May, die derzeit mit dem Brexit genug Probleme hat.

Unberührt vom Trubel und den hehren Worten werden die gut 1700 Wirtschaftskapitäne Kontakte knüpfen – und Geschäfte einfädeln. Nichts anderes erwarten ihre Arbeitgeber. Die Liste der Konzerne, die als Partner das WEF-Jahrestreffen unterstützen, liest sich wie ein Alphabet des „big business“: von der Allianz über BP, Goldman Sachs, Facebook und Microsoft bis Nestlé, Unilever und Volkswagen. Garniert wird Davos mit Künstlern wie dem Rocksänger Bono oder dem Wunderkind Clara Shen, dessen Geigenspiel die Musikwelt verzückt. Die Nobelherbergen, das Seehof oder das Belvedere, bieten das Ambiente für das Spektakel – und in die Kassen der Hoteliers fließen in wenigen Tagen Millionen Euros.

Das WEF ist in der Schweiz umstritten

  1. Wie steht die Schweizer Öffentlichkeit zum WEF? Viele Schweizer stören sich an der eitlen Gesellschaft, die sich jedes Jahr im Januar in Davos breit macht. So werden Helvetiens Jungsozialisten am Donnerstag in dem überfüllten Städtchen zum Protest aufmarschieren. Die Demonstration richtet sich gegen das Champagner-Trinken „der Weltelite auf Kosten der Schweizer Steuerzahlenden“. Am Wochende demonstrierten Tausende Kapitalismuskritiker in Bern gegen das Weltwirtschaftsforum. Tatsächlich hält sich das WEF mit seinen milliardenschweren Partnern vornehm zurück, wenn es um die Begleichung der immensen Ausgaben für die Sicherheit geht. Tausende Polizisten und Soldaten schützen die Gäste in der Bergfestung. Laut Schweizer Medien kommt das WEF nur für ein Viertel der Sicherheitskosten von mehreren Millionen Euro auf. Der Rest bleibt beim Staat hängen.
    Demonstranten protestieren in Bern mit Rauchfackeln gegen das WEF.
    Demonstranten protestieren in Bern mit Rauchfackeln gegen das WEF. | Bild: Peter Klaunzer
  2. Welche Deutschen reisen außer Angela Merkel noch nach Davos? Neben der Kanzlerin werden unter anderem die Bundesminister Jens Spahn, Andreas Scheuer, Peter Altmaier und Ursula von der Leyen erwartet. Auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer steht auf der Gästeliste.
  3. Wie kommen die WEF-Teilnehmer nach Davos? Die meisten Gäste fliegen zum Flughafen Zürich und fahren dann mit dem Auto in den auf gut 1500 Metern gelegenen Alpenort. Einige Teilnehmer reisen auch über den Airport Friedrichshafen an. Wie der Flughafen mitteilt, erwartet er während des WEF 120 zusätzliche Flüge. 
    Davos ist ein beliebter Ort für Wintersportler. Auf dem Bild sind zwei Schneeschuhwanderer neben der Straße unterwegs.
    Davos ist ein beliebter Ort für Wintersportler. Auf dem Bild sind zwei Schneeschuhwanderer neben der Straße unterwegs. | Bild: Gian Ehrenzeller, dpa