Herr Koch, die Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen sinken merklich. Würden Sie sich heute überhaupt noch einen Selbstzünder zulegen?
Koch: Natürlich würde ich mir besten Gewissens einen Diesel der neuesten Generation zulegen. Sie übererfüllen alle gesetzlichen Abgas-Grenzwerte.
Resch: Das stimmt doch nicht. Die Einhaltung der Abgasgrenzwerte gilt nur für das Prüflabor, auf der Straße sind die modernen Dieselautos um ein Vielfaches giftiger. Nach unseren Untersuchungen hält vielleicht ein Prozent der neuen Euro-6-Diesel-Pkw im Realbetrieb den Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickoxid auf der Straße ein. Wer also 2018 nicht von Dieselfahrverboten betroffen sein will, sollte sich auf keinen Fall einen Diesel kaufen.
Koch: Zunächst ist das jetzt stark in der Diskussion stehende Stickoxid reizend und kein Giftstoff. Wir führen insgesamt eine rückwärtsgerichtete Diskussion, weil wir über alte Technologien reden. Es stimmt, dass Diesel der Euro-5- und der ersten Euro-6-Generation ein Stickoxid-Problem hatten. Aber bei den neuesten Euro-6-Diesel-Fahrzeugen liegt der Stickoxid-Ausstoß um teilweise mehr als 60 Prozent unterhalb des Grenzwertes. Entsprechende Modelle gibt es nach rund 10 Jahre währender intensiver Entwicklungszeit seit über einem Jahr von den bekannten deutschen Dieselherstellern. Das Stickoxid-Thema ist technisch gelöst. Die Ingenieure arbeiten seit Jahren mit Hochdruck daran, nun die gesamten Flotten umzustellen und die neueste Technologie in den Markt zu bringen. Das ist eine wichtige Mammutaufgabe.
Resch: Die Versprechungen in die Zukunft, neue Testmethoden, bessere Motoren, kenne ich seit Jahren. Die Realität ist eine andere: Moderne Euro-6-Diesel überschreiten die Grenzwerte bei den besonders gesundheitsgefährlichen Stickoxiden auf der Straße im Durchschnitt um das 8-fache, in der Spitze sogar um das 17-Fache. Sie sind sogar schmutziger als viele Euro-4- und- 5 Diesel. Das ist nicht hinnehmbar. Zumal es ja anders geht. Wir haben auf Bitte von Daimler deren neuesten Motor getestet und der unterschreitet die Grenzwerte auf der Straße deutlich. Alle übrigen getesteten Smart- und Mercedes-Diesel waren hingegen besonders schlecht. Und mit der aktuellen Mercedes-B-Klasse ist sogar der schmutzigste Euro-6-Diesel-Pkw von einem deutschen Hersteller.
Koch: Es ist inakzeptabel, dass Sie versuchen, die gesamte Palette der Dieselfahrzeuge in Sippenhaft zu nehmen. Sie haben recht mit Ihrer Aussage, dass es bei Stickoxid unrühmliche Ausreißer gibt, aber bei allen anderen Emissionswerten, etwa Ruß, unterbieten bereits Altfahrzeuge die Grenzwerte deutlich. Ich begrüße es übrigens sehr, dass wir mit der neuen Gesetzgebung nun auch verpflichtend realistische und anspruchsvolle Abgastests erhalten.

Welche Vorteile hat der Diesel noch?
Resch: In der Theorie ist er effizienter, in der Praxis liegen die CO2-Emissionen von Dieselfahrzeugen seit zehn Jahren sogar höher als die von Benzinern. Diesel-Pkw wurden in den letzten Jahren schwerer und die Motorstärke wuchs auch stärker als bei den Benzinern. Durch Direkteinspritzung und Hybridisierung erreichen diese auf der Straße heute deutlich bessere CO2-Werte als die übermotorisierten Diesel. Der Diesel hat keinen Klimavorteil mehr.
Koch: Diese technische Interpretation irritiert mich bei bester Kenntnis der verschiedenen Antriebssysteme. Kein Verbrennungsmotor ist effizienter als der Selbstzünder!
Resch: Sie wollten mir doch nicht ins Wort fallen, Herr Koch. Der Diesel hat auch gewaltige Nachteile bei Schadstoffemissionen. Messungen unseres Emissions-Kontroll-Institutes zeigen: Euro-6-Diesel stoßen 50-mal so viel Stickoxid wie ein vergleichbarer Benzin-Pkw aus. Eine echte Alternative sind übrigens Erdgasfahrzeuge. Diese sind vergleichsweise abgasarm und weisen geringe Verbräuche und CO2-Emissionen auf. Auch Hybridantriebe sind okay. Das alles ist weit besser als der Diesel.
Koch: Herr Resch, Sie haben einmal gesagt, Sie seien kein Diesel-Feind. Daher verstehe ich nicht, warum Sie ausgerechnet jetzt eine massive Kampagne fahren und den Diesel verteufeln. Ausgerechnet jetzt, wo sich alles technologisch ins Ziel entwickelt hat. Das erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht.
Resch: Ich verteufele nichts. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) legt nur ihren Finger in die Wunde. Das haben wir beim Thema Partikelfilter gemacht, und das tun wir jetzt wieder beim Thema Schadstoffe.
Koch: Wenn man Ihre Hasskampagne im Internet anschaut, verfestigt sich der Eindruck, dass es Ihnen ausschließlich darum geht, die Dieseltechnologie komplett ins Abseits zu stellen. Dort sieht man Bildmontagen mit rabenschwarzen Lungen. Das hat gar nichts mit der Realität zu tun.
Resch: Ihr Kampagnenvorwurf ist lächerlich. Wir klären nur auf. Wenn Diesel sauber sind, teilen wir das der Bevölkerung genauso mit. Wenn sie schmutzig sind, auch. Das machen wir auch bei schmutzigen Benzinern so. Nehmen Sie den allerneuesten Smart mit dem 0,9-Liter-Motor. Den haben wir als den schmutzigsten Benziner Europas vorgeführt. Der als Stadtauto beworbene Smart trägt zum Feinstaubproblem in Stuttgart besonders bei. Wäre dieses Modell ein Diesel, würde er die Partikelgrenzwerte um das 440-Fache überschreiten. Und ich zitiere hier nicht Messungen der Deutschen Umwelthilfe, sondern die des ADAC.
Koch: Der Beitrag der Benzinmotoren zur Feinstaubbelastung in Stuttgart beträgt einige Promille. Trotzdem wird ein Partikelfilter für Ottomotoren kommen, damit endlich Ruhe ist.
Wie gefährlich sind die Autoabgase eigentlich?
Resch: Allein in Deutschland sterben nach einer aktuelle Studie der Europäischen Umweltagentur (EEA) jedes Jahr 10 600 Menschen vorzeitig an den Folgen von Stickstoffdioxid, die maßgeblich durch den Straßenverkehr entstehen. Das sind dreimal so viel wie durch Unfälle verunglücken.
Koch: Ihr gut verpackter Vorwurf des 10 600-Fachen Totschlags erfüllt mindestens den Tatbestand der Verunglimpfung. Ich betone an dieser Stelle in aller Deutlichkeit, dass sich die Wissenschaft nicht einmal ansatzweise einig ist, ob Stickstoffdioxid in Konzentrationen, von denen wir hier sprechen, einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit hat. Die Studie ist höchst umstritten.
Resch: Vielleicht sollten Sie einmal mit einem Lungenarzt über das Thema reden? Oder haben Sie bei Dr. Marlboro angefragt? Der würde sicher auch unterschreiben, dass Rauchen nicht der Gesundheit schadet.
Koch: Das ist pure Polemik. Ich habe die EEA-Studie analysiert und bin mathematisch entsetzt. Unzählige Lungenärzte und Pathologen danken mir, dass ich den Sachverhalt nüchtern bewerte und gerade die in Summe eindrücklich positive Entwicklung betone. Die Luft wird kontinuierlich besser. Die Menschen werden immer älter.
Im Moment sieht es danach aus, als ob immer mehr Städte ihre Pforten für Dieselautos dicht machen. Stuttgart macht ab 2018 den Anfang. Rollt eine Welle an Fahrverboten auf uns zu?
Resch: Die DUH klagt in 16 Städten. Wir haben bisher alle Verfahren gewonnen. Seit sieben Jahren verstößt die Politik auf Druck der Autokonzerne gegen Artikel 2 des Grundgesetzes, das den Schutz des Lebens und Recht auf körperliche Unversehrtheit regelt. Eben unter Hinweis auf dieses höchste Schutzgut geben uns die Gerichte zunehmend deutlicher recht und fordern saubere Luft für unsere Städte ab Anfang 2018. Selbst die EU-Kommission fordert Diesel-Fahrverbote in Deutschland.
Koch: Ein Irrsinn, vor dem Zieleinlauf! Im Jahr 2006 gab es in Stuttgart am Neckartor 853 Überschreitungsstunden mit mehr als 200 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter. 2016 hatten wir noch 36 Überschreitungsstunden. Der Jahresmittelwert am Hot Spot in Deutschland ist von 121 auf 82 Mikrogramm Stickstoffdioxid zurückgegangen. Wenn Sie 50 Meter weiter in den Park gehen, werden die Grenzwerte eingehalten. Wenn Sie daheim an einem Gasherd kochen, haben Sie in der Küche eine Stickstoffdioxid-Belastung von 1000 bis 4000 Mikrogramm. Also lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Ich bin ein großer Freund davon, dass wir die Luft weiter verbessern, so wie es die nächsten Jahre geschehen wird. Aber hier von einer allgemeinen Gefahr zu reden, das ist total verfehlt.
Resch: Herr Koch, relevant sind für die Überschreitungen die Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerte. Und diese werden an mehr als jeder zweiten verkehrsnahen Messstelle in Deutschland überschritten, in Stuttgart um über 100 Prozent. Eine kurzfristige Einhaltung geht nur über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. In Stuttgart, München, Düsseldorf, Köln und Wiesbaden sind die Diesel-Fahrverbote durch Gerichtsentscheide beziehungsweise Ankündigungen von Stadt und Land klar.
Allein in Europa waren von den Tricksereien von VW rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen. Sollten VW-Kunden hierzulande, ähnlich wie in den USA, entschädigt werden?
Resch: VW und die anderen Hersteller, die illegaler Abschalteinrichtungen überführt wurden, müssen die Fahrzeuge so nachbessern, dass sie auf der Straße die Grenzwerte einhalten. Oder eben die Schmutz-Diesel zurücknehmen und eine Entschädigung zahlen. Zehn Jahre lang haben die Autobauer durch illegale Softwaremanipulationen und Billigst-Abgastechnik Milliarden verdient. Wir fordern von unseren Behörden den gleichen Schutz für die Autohalter, es kann doch nicht angehen, dass in Deutschland die geschädigten Kunden schlechter behandelt werden. Immer mehr deutsche Gerichte entscheiden in diesem Sinne. Besonders widerspenstig beim Verbraucherschutz zeigt sich bisher Daimler-Chef Dieter Zetsche. Wir hoffen, dass die unlängst eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrug und Verbrauchertäuschung auch den Stuttgarter Konzern zum Nachdenken bringen.
Koch: Die Positionen irritieren mich. Sie halten keiner Argumentation stand. Der Abgasuntersuchungsausschuss des Bundestages kommt zu einem anderen Ergebnis.
Der Dieselbetrug kostet VW in den USA rund 20 Milliarden Euro. Ähnliche Fälle gegen US-Hersteller gingen in der Vergangenheit glimpflicher aus. Ist da Industriepolitik mit im Spiel?
Koch: Betrug und Verschleierung von VW in den USA ist inakzeptabel. Diese Position vertrete ich vehement von Beginn an. Gleichzeitig muss man sich schon fragen, in welchem Verhältnis die zivilrechtlichen Strafen in den USA stehen. Wie nun auch in Europa versuchen Anwälte, sich an der Situation zu bereichern. In den 90er-Jahren gab es in den USA im Lkw-Bereich ähnliche Betrügereien, wie sie VW begangen hat. Die gesamte Stickoxid-Mehremission war über 200f-fach höher, mir sind jedoch keine zivilrechtlichen Klagen gegen die Hersteller bekannt. Mit gleichem Maß wird nicht gemessen.
Wird der Diesel in zehn Jahren noch eine Rolle spielen?
Resch: Wir werden in zehn Jahren im Pkw-Bereich praktisch keine Diesel mehr haben. Wir werden einen deutlich höheren Anteil reiner E-Fahrzeuge und sehr viele Hybridautos haben, weil die eben die effizienteste und sauberste Antriebstechnik sind.
Koch: Durch die aktuelle Hexenjagd, vor allem der DUH, wird der Dieselanteil etwas zurückgehen. Insbesondere im Kleinwagensegment verliert dieser Antrieb wegen Kosten für die Abgasnachbehandlung an Wettbewerbsfähigkeit. In der Kompaktklasse bei Focus, Astra und Golf und darüber wird der Diesel auch langfristig eine unverzichtbare Alternative bleiben!
Fragen: Walther Rosenberger
Thomas Koch
Den gebürtigen Hessen Thomas Koch als Diesel-Fan zu bezeichnen, trifft die Sache wohl sehr gut. Als Leiter des am Karlsruher KIT angesiedelten Instituts für Kolbenmaschinen weiß er allerdings auch wovon er spricht. Der langjährige Daimler-Entwickler, Jahrgang 1973, promovierte an der ETH in Zürich und erhielt 2012 den Ruf ans Karlsruher KIT. Im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags wurde er als Gutachter gehört. Die Kritik am Dieselmotor hält er für überzogen, insbesondere, weil er der Meinung ist, die Schadstoffthematik sei mittlerweile technisch gelöst. (wro)
Jürgen Resch
Jürgen Resch, Jahrgang 1960, bezeichnet sich selbst nicht als „Diesel-Hasser“, allerdings ist der Selbstzünder derzeit wohl sein Feindbild Nummer 1. Als Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kämpft der an der Uni Konstanz ausgebildete und in Überlingen lebende Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaftler dafür, dass die Luft in Städten besser wird – und sei es, indem Diesel draußen bleiben müssen.
Lasche Auto-Tests und zu viel Abgas
- Labor-Tests: Wie werden Abgase eigentlich gemessen? Seit Anfang der 1990er werden die Verbrauchs- und Abgaswerte im Prüflabor ermittelt. Dabei kommt der neue europäische Fahrzyklus (NEFZ) zum Einsatz. Der Test ist infolge des VW-Dieselskandals massiv in die Kritik geraten, weil er den Herstellern viel Spielraum lässt, etwa indem sie Gewicht, Rollwiderstand und Aerodynamik des Autos optimieren. Deshalb soll der NEFZ durch realistischere Messverfahren – den sogenannten WLTP-Test – abgelöst werden. Dieser soll die tatsächliche Fahrweise besser nachbilden.
- Straßen-Tests: Zudem sollen ab Herbst Autos auch auf der Straße getestet werden (RDE-Test). Die Autoindustrie hat hier allerdings durchgesetzt, dass die Abgaswerte bei Dieselautos um die Hälfte höher ausfallen dürfen als auf dem Prüfstand.
- Euro-5-Norm: Wie alle vorangegangenen Abgasnormen auch legt Euro-5 Grenzwerte für Abgase – etwa Ruß, Kohlenwasserstoffe oder Stickoxide – fest. Geltung erlangte die Norm für alle neu zugelassenen Fahrzeuge im Herbst 2009.
- Euro-6-Norm: Sie ist die aktuelle Abgasnorm mit nochmals strengeren Vorschriften als Euro-5 und trat 2015 für Neufahrzeuge in Kraft. Innerhalb der Euro-6-Norm wird allerdings noch einmal differenziert und dies mit den Zusätzen a, b oder c kenntlich gemacht. Neueste Fahrzeuge müssen beispielsweise der Euro-6c-Norm entsprechen und so noch einmal geringere Abgaswerte aufweisen.
- Kohlendioxid (CO2): Das geruchslose Gas ist kein Luftschadstoff, sondern normaler Bestandteil der Atemluft. Allerdings steht es als Treibhausgas in der Kritik. Für die Zulassung eines Autos ist der CO2-Ausstoß nicht relevant. Grenzwerte wie etwa bei Stickoxid oder Ruß bestehen nicht. Allerdings sind die Autohersteller durch die EU verpflichtet worden, den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotten kontinuierlich zu senken. Das macht auch Sinn, denn der CO2-Ausstoß korreliert mit dem Sprit-Verbrauch von Fahrzeugen. Weniger CO2 bedeutet also gleichzeitig weniger Verbrauch.
- Stickoxide (NOx): Für Stickoxide – insbesondere für Stickstoffdioxid – gelten Grenzwerte, die für die Typzulassung von Autos relevant sind. Der Grund: In zu hohen Konzentrationen können die Gase die Atemwege schädigen. Für Fahrzeuge – auch für Lkw – schreibt die EU daher immer geringere Stickoxid-Ausstöße vor.