Herr Heuermann, auf Ihrer Internetseite schreiben Sie, Steuern seien asozial. Warum lehnen Sie Steuern ab?

Ich bezeichne mich als libertären Anarchisten und lehne deshalb Staaten rein philosophisch ab. Steuern empfinde ich als Zwang. Außerdem kommt hinzu, dass gerade in Deutschland mit den Staatsgeldern nicht so effizient gewirtschaftet wird, wie es vielleicht der Fall sein könnte. Ein Großteil des Geldes versickert: in der Verwaltung, bei den Behörden, in der Bürokratie. Es kommt wenig dort an, wo es gebraucht wird.

Sie selbst vermeiden Steuern deshalb so gut es geht.

Wenn ich in Deutschland bin, zahle ich indirekte Steuern, wie Mehrwert- oder Mineralölsteuer – sogar relativ viel. Auch für den Verkauf meiner Bücher zahle ich Umsatzsteuer. Aber Einkommenssteuer habe ich noch nie gezahlt.

Wie funktioniert das?

Mit 24 Jahren habe ich mich aus Deutschland abgemeldet. Einen festen Wohnsitz habe ich seither nicht mehr. Damit ich nicht wieder steuerpflichtig werde, darf ich mich weniger als sechs Monate im Jahr in Deutschland aufhalten und keine dauerhaft verfügbare Wohnung in Deutschland haben.

Und wo und wie leben Sie?

Ich bin eigentlich immer im Urlaub und habe mittlerweile mehr oder minder alle Länder der Welt besucht. Allein 2022 habe ich um die 50 Länder bereist, bin 125 Mal geflogen. Ich genieße die Freiheiten, die dieses Leben mit sich bringt. Heute habe ich zum Beispiel fünf Stunden gearbeitet, manchmal sind es auch zehn Stunden und an anderen Tagen habe ich nur Freizeit. Das Reisen ermöglich mir so viele verschiedene Erfahrungen, Erlebnisse und Aktivitäten. Ich war die letzten drei Nächte in Schweden in einer kleinen Hütte im Wald bei Minusgraden. Und dann freue ich mich auch, wenn es in ein Fünf-Sterne-Hotel geht.

Wie können Sie sich diesen Lebensstil leisten?

Ich habe mehrere Einkommensströme. Am bekanntesten bin ich aber für die Beratungen in Steuer- und Rechtsfragen zu allen internationalen Themen: Auswanderung, Firmengründung im Ausland, Bankkonten, Versicherungen und so weiter. Das mache ich seit acht Jahren.

Wer sind Ihre Kunden?

Zu Beginn habe ich mich hauptsächlich an Selbstständige und kleinere Online-Unternehmer gerichtet, mit einem Jahreseinkommen zwischen 50.000 bis 500.000 Euro. Mittlerweile ist mein Kundenstamm breiter gefächert: Ich berate mittelständische Unternehmen oder Menschen mit höheren Privatvermögen. Das sind zum Beispiel Leute, die ein Haus verkaufen, in Deutschland dafür eine Million Euro kriegen und nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Und ich berate immer mehr Familien.

Und das ist alles legal?

Das ist legal. Ich bin kein Steuerberater und froh, keiner zu sein. Es gibt extrem wenige Steuerberater, die das machen, was ich mache – und mit denen arbeite ich dann meistens zusammen. Die überprüfen meine Konzepte. Oft ziehen meine Kunden auch noch Rechtsanwälte hinzu.

Wie viel verdienen Sie im Monat?

Das schwankt. Es sind sechsstellige Summen, also über 100.000 Euro im Monat.

Davon investieren Sie auch beträchtliche Summen.

Ich spare deutlich mehr, als ich ausgebe. Das heißt: Ich muss mein Geld irgendwie investieren. Da haben sich verschiedene Projekte ergeben. Wir betreiben zum Beispiel die größte Walnussplantage in Georgien. Ich habe mein eigenes Weingut in Argentinien, da gibt es schönen Rotwein… Mir geht es nicht immer um den Cashflow, sondern darum, eigene Träume zu erfüllen und ein bisschen Geld damit zu verdienen.

Aber haben Sie denn kein schlechtes Gewissen, dass Sie keine Steuern zahlen?

Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? Ich fühle mich gut dabei, dass mein Geld nicht für weitere Drangsalierung aufgewendet wird. Das ist ja genau die Sache als Unternehmer: Man zahlt Steuern und wird am Ende nur noch mehr besteuert und reguliert.

Auch viele meiner Kunden möchten nicht, dass mit ihren Steuern Kriege finanziert werden oder sie nicht mehr die Verantwortung über das Geld haben. Es geht an den Staat und der entscheidet, was damit gemacht wird. Und einem selbst bleibt nicht mehr viel, außer alle vier Jahre wählen zu gehen.

Diese Aussage von jemandem, der Politik- und Verwaltungswissenschaft studiert hat – das ist schon beachtlich…

Ich habe das Studium an der Uni Konstanz begonnen, weil mich das Thema gereizt hat. Eine Karriere in der UN oder EU, als Botschafter, das erschien mir damals interessant, ja.

Wie kam es dann zum Sinneswandel?

Alles fing im ersten Unisemester an, im Seminar „Klassiker der politischen Theorie“: In der ersten Stunde wurden die Themen für die Referate vergeben – und ich habe verschlafen, wahrscheinlich wegen einer Party. Ich bekam dann eins zugeteilt: Friedrich August von Hayek, ein österreichischer Wirtschafts-Nobelpreisträger, der dem libertären Spektrum zuzuordnen ist. Ich fand die Gedankengänge spannend. Ich habe viel gelesen, auch meine erste Hausarbeit über ihn verfasst. Im Konstanzer Umkreis habe ich dann auch recht schnell Kontakte finden können. Der Vorteil: Die Schweiz ist nah. Dort ist dieses Gedankengut deutlich ausgeprägter.

Wie viele Menschen leben so wie Sie?

So wie ich mein Leben führe, gibt es ganz sicher niemanden. Aber so ähnlich leben sehr viele. In unserer Facebook-Gruppe sind fast 30.000 Mitglieder. Und digitale Nomaden insgesamt gibt es bestimmt mehrere Millionen auf der Welt.

Um dabei Steuern zu vermeiden, reicht es an sich schon aus, eine Wohnung auf Mallorca zu kaufen, dort sechs Monate zu leben und das andere halbe Jahr in Deutschland zu verbringen. Oder man pendelt im Dreiländereck, in der Region von Konstanz. Man muss nicht diesen krassen Reise-Lebensstil wie ich haben.

Bringt der nicht auch Nachteile mit sich?

Ich sehe per se keinen großen Nachteil, denn dieses Leben zu führen, heißt flexibel zu sein, sich seinen Bedürfnissen anpassen zu können. Es gibt gewisse bürokratische Nachteile: In Deutschland kriegt man dann zum Beispiel keine Sozialleistungen wie Kindergeld mehr – aber das benötigen Menschen wie ich in der Regel nicht oder haben den Betrag allein durch den Wegfall der Steuern wieder raus. Grundsätzlich müssen etwaige Ehepartner oder Kinder auch mitkommen, sonst wird das nicht funktionieren.

Warum ist es so leicht, im Ausland Steuern zu vermeiden?

Viele Länder buhlen um Ausländer, die Geld ins Land bringen – auch in der EU. Wer zum Beispiel nach Portugal einwandert, ist unter bestimmten Voraussetzungen für zehn Jahre von fast allen Steuern befreit. Ausländer, die ihren Wohnsitz nach Italien verlegen, können eine Pauschalsteuer von 100.000 Euro pro Jahr zahlen. Ja klar, das ist einiges, doch danach ist man komplett steuerfrei.

Und ist es genauso leicht, Deutschland dauerhaft zu verlassen, um Steuern zu vermeiden?

Deutschland hat sehr krasse Gesetze, um einen Wegzug zu erschweren. Wer zum Beispiel in die Schweiz zieht, bleibt für fünf Jahre in Deutschland steuerpflichtig. Es gibt weitere Hürden. Und trotzdem bleiben für die meisten Menschen noch genug Möglichkeiten.

Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann dauerhaft nach Deutschland zurückzukehren? Vielleicht sogar an den Bodensee?

Der Bodensee ist schon eine Herzensregion für mich. Ich kann mir durchaus vorstellen, mir im Sommer mal für ein paar Monate etwas zu mieten, in der Schweiz oder vielleicht in Deutschland.

Das klingt nicht danach, als wollten Sie das Dauerreisen aufgeben.

Nein, aber ein bisschen entschleunigter könnte es schon sein. Ich habe jetzt eine Partnerin, sie hat einen Sohn, das schränkt das Reisen minimal ein. Und wenn wir mal eigene Kinder bekommen, ist schon geplant, das Leben ähnlich weiterzuführen – aber eben langsamer.