Frau Sick, Frau Peters, Sie haben sich bei ihrer Finanzberatung auf Frauen spezialisiert. Warum?
Peters: Es lassen sich immer noch zu viele Frauen einreden: „Frauen und Finanzen – das passt nicht zusammen.“ Sie überlassen dieses Thema deshalb gern ihren Männern.
Sick: Frauen führen 20 Jahre den Haushalt, halten den Männern den Rücken frei und wagen es nicht, mit ihnen über ihre eigene finanzielle Absicherung zu sprechen. Das ist fahrlässig! Hinzu kommt, dass Männer meist schon mit 20 Jahren anfangen, fürs Alter zu sparen. Viele Frauen dagegen kommen leider erst mit Mitte, Ende 30 auf diese Idee oder sogar noch später. Damit versäumen sie viele Jahre, in denen ihr Erspartes wachsen könnte. Und müssen dann obendrein viel höhere Beträge investieren, was sie aber oft auch nicht machen.
Oder gar nicht machen können, weil nach wie vor ein Großteil der Mütter in diesem Alter in Teilzeit arbeitet und kein besonders hohes Einkommen hat.
Sick: Teilzeit ist sinnvoll, solange die Kinder klein sind. Viele Mütter sind aber auch dann noch in Teilzeit, wenn die Kinder 16 Jahre alt sind oder gar bis Rentenbeginn. Und damit laufen sie in die Armutsfalle, denn wo soll so eine auskömmliche Rente herkommen? Diese Frauen bleiben lebenslang abhängig von ihrem Partner. Ein Mann ist aber keine Altersvorsorge!
Peters: Bleibt man nur drei Jahre wegen der Kinder zu Hause und arbeitet dann zehn Jahre in Teilzeit, verliert man später grob 300 Euro an Rente. Im Jahr 2015 betrug die Rente bei 70 Prozent aller Rentnerinnen in Deutschland weniger als Hartz IV. Damit solche Lücken gar nicht erst entstehen, sollte man sich die Ausfälle durch Kinderbetreuung und Teilzeit direkt durch den Partner ausgleichen lassen. Sprich ein Teil des Familieneinkommens wird in die private Altersvorsorge der Frau eingezahlt – oder natürlich auch des Mannes, wenn die Frau Hauptverdienerin ist.
Um welche Beträge geht es da?
Peters: Das hängt natürlich stark vom jeweiligen Einkommen ab. Ganz pauschal sagt man, 10 bis 15 Prozent vom Nettoeinkommen sollten in die private Vorsorge fließen. Hinzu kommen die Beträge, die man bei der gesetzlichen Rente verliert. Diesen Betrag kann man sich leicht selbst ausrechnen oder auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung ausrechnen lassen. Das kann sehr heilsam sein, diese Zahlen mal zu sehen.
Solche Beträge haben viele junge Familien aber sicher nicht jeden Monat übrig...
Peters: Dann sollte man zumindest dafür sorgen, dass abwechselnd in die private Altersvorsorge eingezahlt wird. Also ein paar Jahre für die Frau, ein paar Jahre für den Mann. Der jeweils andere Vertrag ruht solange. Wichtig ist einfach, das am Ende nicht der eine mit einer prima Rente da steht und der andere fast nichts hat.

Sick: Es gehört zur Würde eines Menschen, nicht abhängig zu sein von einer Ehe oder von einer Lebensgemeinschaft. Wer eigenes Geld hat, kann eigene Lebensentscheidungen treffen. Er kann also beispielsweise bei seinem Partner bleiben, muss es aber nicht. Das schafft enormes Selbstbewusstsein.
Wann und wie regelt man solche finanziellen Vereinbarungen mit dem Partner am besten?
Peters: Der beste Zeitpunkt ist vor der Familiengründung. Den verpassen aber leider die meisten. Spätestens wenn ein Kind da ist und man überlegt, wie Arbeits- und Familienzeiten aufgeteilt werden, sollte man aber auch die Finanzen regeln.

Sick: Und zwar schriftlich, in einem Ehevertrag bei Verheirateten und in einem Partnerschaftsvertrag bei nicht Verheirateten. Darin steht, wer wie lange zu Hause bleibt wenn ein Kind kommt, wie die Renteneinbußen ausgeglichen werden und wie lange bei einer Trennung Unterhalt gezahlt wird, wenn die Frau länger als drei Jahre ihre Berufstätigkeit unterbricht. Bei nicht verheirateten Partnern kommt hinzu, dass sie ein Testament brauchen oder ein Erbvertrag nötig ist, sonst geht die Frau im Zweifel leer aus, wenn der Lebenspartner vor ihr stirbt.
Sind Dinge wie Unterhalt bei einer Scheidung nicht gesetzlich geregelt?
Sick: Das 2008 reformierte Unterhaltsrecht fordert hier mehr Eigenverantwortung. Unterhalt muss gezahlt werden, wenn Kinder unter drei Jahren zu versorgen sind oder bei sehr langen Ehen. Den garantierten lebenslangen Unterhalt gibt es also nicht mehr. Besonders hart trifft es unverheiratete Frauen in Partnerschaft, die ihre Erwerbstätigkeit wegen der Familie aufgegeben haben oder lange Jahre nur in Teilzeit arbeiten. Sie haben, anders als Ehefrauen, nach einer Trennung wirklich keinerlei Ansprüche.
Trotzdem werden nach wie vor sehr wenige Eheverträge oder Partnerschaftsverträge abgeschlossen. Woran liegt das?
Peters: So ein Vertrag klingt einfach sehr unromantisch!
Sick: Aber Anwältinnen sagen aus langjähriger Erfahrung, dass sie viel zur Stabilität einer Beziehung beitragen können. Eben weil die wichtigsten Dinge diskutiert und geregelt sind.
Was tut eine Frau, die keinen Ehevertrag geschlossen hat und schon 15 Jahre in Teilzeit arbeitet? Ist da alles zu spät?
Peters: Man kann immer noch etwas tun, nur sollte man das Thema nicht länger aufschieben. In vielen Vorsorgeverträgen kann man beispielsweise durch Einmalzahlungen fehlende Beiträge rückwirkend ausgleichen. So etwas kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn man Geld erbt. Und man sollte die Steuerklassenwahl überdenken: Viele Frauen wechseln immer noch ohne darüber nachzudenken in die Steuerklasse 5 und reduzieren damit ihr Nettogehalt enorm. Hier sollte man sich ebenfalls beraten lassen beziehungsweise gut informieren. Und dann sollte man natürlich versuchen, seine Arbeitszeit aufzustocken, sobald es möglich ist.
Besser vorsorgen, falls die Ehe kriselt – Fallbeispiele zur Frauenrente
- Anna ist Arzthelferin, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Bruttogehalt würde bei einer Vollzeitstelle 1850 Euro betragen. Nach 10 Jahren Vollzeitbeschäftigung und 30 Jahren Teilzeit kann sie eine Nettorente (nach Abzug ihres Anteils an Kranken- und Pflegeversicherung) von etwa 400 Euro erwarten.
- Sandra ist Betriebswirtin. Sie ist nicht verheiratet, lebt aber mit ihrem Partner und dem gemeinsamen Kind zusammen. In einer Vollzeitstelle würde sie etwa 5500 Euro brutto verdienen. Nach 10 Jahren Vollzeit und 30 Jahren Teilzeit hätte sie nach Abzug ihres Anteils an Kranken- und Pflegeversicherung etwa 1200 Euro Rente. Davon könnte sie ihren Lebensstandard nicht halten. Bei einer Trennung gibt es für sie keinen Versorgungsausgleich, weil sie und ihr Partner nicht verheiratet sind. Auch einen Zugewinnausgleich gibt es aus diesem Grund nicht.
- Silke (42) hat studiert, aber nur wenige Jahre gearbeitet. Dann lernte sie den viel älteren Peter kennen, mit dem sie nun seit 12 Jahren verheiratet ist. Sie meint, dass sie keine Altersversorgung braucht, weil sie über ihren gut verdienenden Mann abgesichert ist. Sollte es zur Scheidung kommen, könnte sie ja auf den Versorgungsausgleich bauen. Silke denkt nicht daran, dass Peter in erster Ehe 27 Jahre lang verheiratet war, dass also ein größerer Teil seiner Rente der ersten Frau zugesprochen wurde, ebenso wie die Hälfte des Vermögens, das während der Ehe entstanden ist.
- Hanna (55) hat zwei Kinder groß gezogen, erwerbstätig war sie nur auf Minijob-Basis und später in „kleiner“ Teilzeit. Als die Eltern ihres Mannes pflegebedürftig wurden, hat sie diese versorgt und dafür die Teilzeitarbeit aufgegeben. Ihre eigene Rente ist nicht der Rede wert, eher ein besseres Taschengeld. Sie ist also auf ihren Mann und auf den Fortbestand der Ehe angewiesen, obwohl es heftig in der Beziehung kriselt. (mar)