„Was weg ist, kommt nicht wieder.“ Roman Zitzelsberger, Chef der IG Metall in Baden-Württemberg, bringt auf den Punkt, was viele Beschäftigte in der Autoindustrie im Südwesten umtreibt. Vor allem bei den Zulieferbetrieben bahnen sich in den kommenden Jahren massive Veränderungen an. Laut einer Umfrage der Gewerkschaft unter 115 Betrieben im Land, die autospezifische Teile und Komponenten fertigen, sind knapp 40 Prozent von ihnen immer noch sehr stark vom Verbrennungsmotor abhängig.

Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, gibt die Zulieferbranche im Land nicht auf, sagt aber: „Wir ...
Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, gibt die Zulieferbranche im Land nicht auf, sagt aber: „Wir dürfen uns von den vollen Auftragsbüchern nicht täuschen lassen.“ | Bild: Christoph Schmidt/dpa

„Wir dürfen uns von den vollen Auftragsbüchern nicht täuschen lassen“, warnt Zitzelsberger in Esslingen bei einer Veranstaltung mit Betriebsräten aus dem Südwesten. Auch die Beschäftigten der Branche müssten sich dem Wandel stellen. Der Umfrage zufolge gibt es bei 39 Prozent der Autozulieferer im Südwesten noch keinen Plan, wie der Wandel vollzogen werden soll.

Kampf um neue Produkte und Lösungen

Achim Dietrich, Betriebsratschef bei ZF in Friedrichshafen, stellt klar, dass die Transformation mit einem harten Kampf um neue Produkte und Lösungen verbunden ist: „Den Beschluss einer Standortschließung darf man nicht einfach hinnehmen. Man muss dem Management beweisen, dass es auch anders geht.“

Bei ZF habe es schon viele Standorte gegeben, die auf der Kippe standen. Zum Teil würden diese sogar für Tesla produzieren. Dietrich nennt das Beispiel des ZF-Standorts im Ahrtal, der von der Flut stark betroffen war. Nach entsprechendem Widerstand habe sich der Konzern entschieden, das Werk neu aufzubauen.

Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratschef ZF Friedrichshafen, kämpft gegen die Schwächung des deutschen Standorts. Insbesondere ...
Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratschef ZF Friedrichshafen, kämpft gegen die Schwächung des deutschen Standorts. Insbesondere Zukunftsprodukte sollen im Inland entwickelt und produziert werden. | Bild: Benjamin Schmidt

Bei ZF sind 26 Prozent der Wertschöpfung vom Wechsel hin zur Elektromobilität betroffen. „Eine E-Achse hat deutlich weniger Teile als ein Getriebe mit bis zu 700“, erklärt Dietrich. Im Unternehmen müssten sich 30.000 Beschäftigte auf eine neue Tätigkeit einstellen und sich weiterbilden.

Hier sei allerdings noch viel Überzeugungsarbeit nötig, räumt der Betriebsratschef ein. „Selbst ein Tarifvertrag zur Transformation ist keine Bestandsgarantie für alle. Hier haben einige von uns Zeit vergeudet und darüber bin ich sauer“, stellt Dietrich mit Blick auf die einigen Reihen fest.

Gehen die Jobs nach Osteuropa?

ZF treibt aus Sicht der Arbeitnehmervertreter die Verlagerung nach Osteuropa weiter voran. So will der Konzern ein neues Logistikzentrum in Tschechien aufbauen. „Natürlich heißt es, die deutschen Standorte sind nicht betroffen. Heute noch“, kommentiert Dietrich. In einem Szenario des Konzerns am Bodensee könnten bis Ende der Dekade mehr als 9000 Stellen in Deutschland wegfallen und dafür mehr als 5000 in Osteuropa neu entstehen.

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Bei diesen Gedankenspielen sind auch fast 1000 Stellen in Forschung und Entwicklung betroffen. Gut 500 würden im Gegenzug im Osten aufgebaut. Ein ZF-Sprecher sagte, Zahlen zu internen Szenarien werde man nicht kommentieren. Wo es nicht gelinge, internationale Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, müsse man „auch über Kapazitätsanpassungen, Verlagerungen und Schließungen nachdenken“.

Das Bosch-Logo vor der Bosch-Konzernzentrale auf der Schillerhöhe in Gerlingen. Auch bei Bosch warnt der Betriebsrat vor Verlagerungen ...
Das Bosch-Logo vor der Bosch-Konzernzentrale auf der Schillerhöhe in Gerlingen. Auch bei Bosch warnt der Betriebsrat vor Verlagerungen ins Ausland. | Bild: Marijan Murat/dpa

Vom Trend zur Verlagerung sind laut der Umfrage der IG Metall 58 Prozent der Betriebe betroffen. Aber auch die Forschung und Entwicklung soll bei 41 Prozent der Zulieferer teilweise aus Deutschland abgezogen werden. „Dieser hohe Wert hat uns überrascht“, gesteht Raphael Menez, der in der Stuttgarter IG Metall-Zentrale das Thema Transformation betreut.

Aus der Umfrage geht hervor, dass nicht nur bestehende Produkte für den Verbrenner verlagert werden. Auch Teile für E-Mobile werden nicht in Deutschland produziert. „Inzwischen sagen uns die Manager nur noch, was das Teil kosten darf und geben gar keinen Standort vor“, berichtet Dietrich, der kritisch auf die hohen Gewinne der Hersteller schaut, die im vergangenen Jahr glänzend verdient haben. „Eine Netto-Rendite von ein bis zwei Prozent reicht nicht aus, um die Zukunft zu finanzieren.“

Gefahr durch Euro-7-Abgasnorm

Die Betriebsräte sehen ihre Unternehmen unter anderem beim Fachkräftemangel und den besser subventionierten Wettbewerbern im Ausland im Nachteil. „So können wir mit unseren Stoßdämpfern gegenüber dem in China subventionierten Stahl nicht mithalten“, verdeutlicht Dietrich die Folgen.

Zitzelsberger fordert von den Politikern, nicht nur auf einzelne Interessen und Details zu achten. So würden bei der neuen Norm „Euro 7“ nur Umweltaspekte eine Rolle spielen. Er droht an der Stelle mit Widerstand: „Wir werden uns zur Wehr setzen, wenn man die Autoindustrie in Baden-Württemberg erwürgen will.“

Aktiven Einfluss auf die Zukunft wollen die Betriebsräte aber auch in den Betrieben erreichen. „Wir wollen mit dem Management auf Augenhöhe über die Zukunft sprechen und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, betont Frank Sell, Betriebsratschef der Mobilitätssparte von Bosch. Einen Dialog wolle die Geschäftsführung nicht. Deshalb setzt der Betriebsrat des größten Autozulieferers der Welt ein Zeichen und plant für Ende Februar erstmals eine deutschlandweite Betriebsversammlung.