Stefan Stahl und Michael Kerler

In der Wirtschaft herrscht helle Aufregung. Aufgrund der Corona-Epidemie ist der deutsche Leitindex Dax dramatisch eingebrochen, auch wenn er in den letzten Wochen einen kleinen Teil seiner Verluste wieder wettgemacht hat. Dies erzeugt bei vielen Anlegern Unsicherheit, die Geld in Aktienfonds angelegt haben – oder die um die Stabilität des Finanzsystems fürchten. Wo ist das Ersparte gut untergebracht? Was bedeutet der Crash für die Altersvorsorge? Darüber haben wir uns mit Experten unterhalten, unter anderem mit Hermann-Josef Tenhagen, einem der bekanntesten deutschen Finanzexperten. Der 57-jährige Chefredakteur und Herausgeber von Finanztip hat schon einige Krisen erlebt und Erfahrungen gesammelt.

Muss man nun Angst um sein Sparguthaben haben?

Üppige Zinsen für Erspartes wird es auf absehbare Zeit kaum geben.
Üppige Zinsen für Erspartes wird es auf absehbare Zeit kaum geben. | Bild: Monika Skolimowska/dpa

Tenhagen sieht Geldanlagen auf Tages- und Festgeldkonten als stabilisierenden Faktor für Anleger. Gelder bis 100 000 Euro seien gesetzlich abgesichert. Um diese Anlagen müsse man sich keine Sorgen machen. Sie sind ein Stück Sicherheit. Tagesgeld, Festgeld oder Sparkonten dürften seiner Einschätzung nach allerdings in der nächsten Zeit eher noch weniger Zinsen bringen als bisher. Für ohnehin leidgeprüfte Sparer hieße das: Aus 0,2 Prozent Jahreszinsen aufs Tagesgeld könnten 0,1 Prozent werden. Oder 0,01 Prozent.

Was aber passiert, wenn auch Banken pleitegehen? Ist dann mein Erspartes nicht in Gefahr?

Der Bankensektor – im Bild die Skyline von Frankfurt – gilt unter Experten als stabil.
Der Bankensektor – im Bild die Skyline von Frankfurt – gilt unter Experten als stabil. | Bild: Arne Dedert/dpa

Tenhagen glaubt an die Stabilität des Finanzsystems in Corona-Zeiten. Bundes- wie Landesregierungen stellten ja wie die Europäische Zentralbank Unsummen an finanziellen Mitteln zur Verfügung.

Was macht man jetzt mit seinen Aktienbeständen oder Fonds, zum Beispiel ETFs?

Der Aktienindex Dax ist in der Corona-Krise zeitweise auf unter 9000 Punkte gefallen.
Der Aktienindex Dax ist in der Corona-Krise zeitweise auf unter 9000 Punkte gefallen. | Bild: Arne Dedert/dpa

Tenhagens Devise lautet: „Augen zu und durch.“ Nachdem die Börsen wiederholt eingebrochen sind und der Deutsche Aktienindex Dax zwischenzeitlich auf dem Niveau von Mitte 2016 notierte, rät der Geldspezialist: „Wer angesichts dieser Entwicklung jetzt verkauft, macht wahrscheinlich einen der gravierendsten Anlegerfehler.“ Denn solch ein Aktionär würde sich bei stark sinkenden Kursen von seinen Beständen trennen und dann oft später wieder am Aktienmarkt engagieren, wenn sich die Kurse bereits kräftig erholt haben.

Tenhagen versucht den Anlegern ins Gewissen zu reden: „Wenn Sie vor einigen Wochen oder Jahren überzeugt waren, dass eine breit gestreute Aktienanlage langfristig im Wert steigt, dann sollten Sie diesen Glauben jetzt nicht aufgeben.“ Demnach sollen Anleger sich selbst treu bleiben, also an der eingeschlagenen Anlagestrategie festhalten.

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In den emotional aufwühlenden Krisentagen schadet nach der Philosophie des erfahrenen Kenners also nicht eine Portion wohlüberlegte Sturheit. Doch Tenhagen warnt auch: „Die alte Börsenregel, dass man Krisen aussitzen soll, ist nicht für diejenigen hilfreich, die bestimmte Ausgaben mit ihrem Geld eingeplant haben.“ Der Finanztip-Herausgeber will nicht ausschließen, „dass der Aktienmarkt noch mehrere Monate oder sogar das komplette Jahr im Krisenmodus bleibt“.

Wie sollen Anleger nun mit Anleihen umgehen? Sind sie in der Krise wie in der Vergangenheit ein sicherer Hafen?

Besonders sicher geltende Staatsanleihen sind zu Beginn der Corona-Krise zum Teil stark im Wert gestiegen, beispielsweise Schuldscheine aus Deutschland, den USA oder Frankreich, hat Tenhagen beobachtet. In der Finanzlogik heiße das, dass ihre Rendite weiter gesunken ist. Der Finanzprofi rät deshalb: „Besser Finger weg von Anleihen. Es sind keine Kursgewinne zu erwarten.“

Welche Auswirkungen sind jetzt auf Immobilienpreise zu erwarten?

Die Corona-Krise sollte Mieter und Hausbesitzer nicht zum Aktionismus verleiten.
Die Corona-Krise sollte Mieter und Hausbesitzer nicht zum Aktionismus verleiten. | Bild: Tim Brakemeier/dpa

Bisher sind die Immobilienpreise unberührt von der Corona-Krise, sagt Ingo Schweitzer von der unabhängigen Vermögensberatung Anceka. Könnten Interessenten die niedrigen Zinsen nutzen, um jetzt den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen oder eine Immobilie zur Anlage zu kaufen? Schweitzer rät zu wohlüberlegtem Vorgehen: Die allgemeinen Zinsen sind derzeit niedrig. Das hilft, um Firmen in der Corona-Krise mit Kapital versorgen zu können. Betrachtet man allein Immobilienkredite, „fallen die Zinsen dagegen nicht“, sagt Schweitzer.

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Damit habe sich die Rechnung für einen Immobilienkauf im Vergleich zur Zeit vor der Epidemie nicht verändert: „Wegen Corona muss man nicht kaufen, man muss wegen Corona aber auch nicht seine Immobilie verkaufen.“ Eine Immobilie – zum Beispiel zur Vermietung – bleibe eine langfristige Investition. Die Wertentwicklung wird neben den Zinsen auch von der weiteren wirtschaftlichen Lage abhängen. Und hier rechnet Schweitzer nicht mit einem Einbruch vergleichbar mit der großen Depression im Jahre 1929.

Gold gilt als Krisenwährung schlechthin. Zeit also, Gold zu kaufen?

Bild 5: Gold, Aktien oder Anleihen: Wie lege ich mein Geld in Corona-Zeiten an?
Bild: Bundesbank/dpa

Finanzfachmann Tenhagen hält hier im Gegensatz zu anderen Experten an seiner Meinung fest: „Gold ist ein eher spekulatives Investment.“ Tenhagen belegt das mit Studien seines Hauses. Demnach schwankt der Goldkurs stärker als ein Aktieninvestment in den MSCI World. Dieser Börsen-Index spiegelt die Entwicklung von mehr als 1600 Aktien aus 23 Industrieländern wider. Letztlich gibt der Anlage-Spezialist die klassische Empfehlung, bis zu zehn Prozent physisches Gold gemessen am Wert des gesamten Depotwertes zu halten.

Wie entwickeln sich Öl- und Benzinpreise?

Der Ölpreis ist zuletzt stark eingebrochen. Im Bild ein Ölfeld in Saudi-Arabien.
Der Ölpreis ist zuletzt stark eingebrochen. Im Bild ein Ölfeld in Saudi-Arabien. | Bild: Ali Haider/dpa

Der massive Preisrückgang beim Erdöl hat indirekt auch mit dem Coronavirus zu tun, erklärt Tenhagen. Denn in den besonders in Mitleidenschaft gezogenen Ländern wird weniger Öl verbraucht. Mit einer beispiellosen Drosselung der Ölproduktion stemmen sich wichtige Förderländer gegen einen weiteren Preisverfall beim Rohöl. Im Mai und Juni werden die Mitglieder des Ölkartells Opec und ihre Partner täglich zusammen 9,7 Millionen Barrel (je 159 Liter) weniger fördern, teilte die Opec am Ostermontag mit. Auch danach werden bis zum 30. April 2022 die Förderlimits an die wegen der Corona-Krise eingebrochene Nachfrage angepasst.

Was heißt das nun für Verbraucher?

Auch der Heizölpreis ist gesunken, sodass sich die Tanks derzeit günstig füllen lassen.
Auch der Heizölpreis ist gesunken, sodass sich die Tanks derzeit günstig füllen lassen. | Bild: Philipp von Ditfurth/dpa

Tenhagen glaubt nicht, dass sich der Rückgang des Ölpreises eins zu eins auf Verbraucher auswirken werde. Auch wenn Benzin- wie Heizölpreise dem Erdölpreis folgen, reagieren sie häufig mit Verzögerung. Und dann gibt der Verbraucherjournalist noch einen Tipp: „Falls der Heizöltank angesichts des milden Winters nicht ohnehin noch gut gefüllt ist, könnte es sich lohnen, ihn bald nachzufüllen.“ Generell gilt ja in Krisenzeiten: Was man hat, hat man.

Ist meine Altersvorsorge in Gefahr?

Die Rentenerhöhung könnte in den kommenden beiden Jahren schrumpfen.
Die Rentenerhöhung könnte in den kommenden beiden Jahren schrumpfen. | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Tenhagen hebt hier hervor, dass eine Lebensversicherung, eine betriebliche Altersvorsorge oder ein klassischer Riester-Vertrag normalerweise eine Zins- oder zumindest eine Beitragsgarantie bieten. Man sollte also mindestens so viel herausbekommen, wie man einbezahlt hat. „Und auch die staatliche Förderung macht Corona nicht kaputt“, sagt er. Ebenso wenig treffe eine vorübergehende Krise die gesetzliche Rente. Doch in den beiden kommenden Jahren könnten die Rentenerhöhungen ausfallen oder schrumpfen.