Kurzarbeit und Entlassungen – die deutschen Sportbootwerften stecken nach Jahren des Booms mitten in einer handfesten Krise. „Ich kann mich nicht erinnern, dass die Branchenstimmung in den vergangenen 10 bis 15 Jahren so schwach war“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW), Karsten Stahlhut, am Donnerstag auf der Messe Interboot in Friedrichshafen.
Bei einer Konjunkturumfrage unter Mitgliedsunternehmen Ende Mai hätten rund 80 Prozent der Betriebe von einer schlechteren Branchenkonjunktur berichtet als ein Jahr zuvor. Anfang 2023 sei man noch „oben auf der Welle geschwommen“, so Stahlhut. Dann sei man in ein „tiefes Tal hineingerutscht“. Mittlerweile sehe man zwar einen Silberstreif am Horizont, die Nachfrage sei aber weiter in allen Segmenten im Keller.
Großwerften mit Kurzarbeit
Seit Anfang der Corona-Krise im Jahr 2020 war die in Deutschland rund 17.000 Mitarbeiter starke Branche von einem Erfolg zum nächsten geeilt. Weil Freizeitaktivitäten draußen boomten, zog die Nachfrage nach Sportbooten stark an. In manchen Monaten erhöhten sich die Auftragseingänge der Bootsbauer nahezu dreistellig. Und die Lieferzeiten für Segel- und Motorboote schnellten teils auf fast zwei Jahre nach oben.
Parallel explodierten allerdings auch die Preise. Angeführt werden hier teure Energie und Vorprodukte. Ob das als Erklärung ausreicht, ist aber unklar. Stahlhut konstatiert lediglich, dass viele Volumenhersteller die Bootspreise zwischen 2020 und 2024 um bis zu 50 Prozent angehoben hätten.

Die Entwicklung zeitigt bei den deutschen Bootsbauern nun unerwünschte Nebenwirkungen. Die massiven Preis-Aufschläge haben zusammen mit der unsicheren Wirtschaftslage die Kundschaft vergrätzt. Lediglich der Premiumbereich der Luxusyachten sei noch stabil. Der große Rest der Wassersport-Begeisterten kann sich den Einstieg in den Sport schlicht nicht mehr leisten.
„Uns bricht seit Monaten die Einstiegskundschaft weg“, sagt etwa Dennis Pfister, Verkaufsleiter bei dem gleichnamigen bayrischen Motorboothändler. Und Sonja Meichle vom Kressbronner Boots- und Yachthandel Ultramarin sagt, man habe zwischen Januar und Mai „kein einziges Neuboot mehr verkauft“.
Aus Branchenkreisen ist zu hören, dass die beiden deutschen Segelyacht-Marktführer – Hanseyachts aus Greifswald und Bavaria Yachtbau aus dem bayrischen Giebelstadt – in den vergangenen Monaten Leiharbeiter freigestellt haben und kurzarbeiten lassen.
Für die Misere machen Fachleute auch die Modell- und Preispolitik der Großwerften verantwortlich. Dass die Modelle der Hersteller immer stärker im hochpreisigen Premiumbereich angesiedelt seien, sei „eine schwierige Entwicklung“, weil Einsteiger so als Kunden wegfielen, so Karsten Stahlhut vom BVWW. „Wir sollten als Branche zusehen, dass wir auch im Einsteigerbereich genug günstige Schiffe anbieten.“
Luxusstrategie von Mercedes auch bei Großwerften
Die Lage erinnert an die deutschen Autobauer. Hersteller wie Mercedes-Benz oder BMW haben in den vergangenen Jahren stark auf Verkäufe im Luxus- und Oberklasse-Segment gesetzt und sich teilweise ganz aus dem Geschäft mit kleineren Modellen zurückgezogen.
Immer deutlicher wird nun, dass das langfristig nicht ausreicht, um Gewinne einzufahren und eine Kundenbasis zu erhalten. Insbesondere die von Mercedes-Chef Ola Källenius ausgerufene Luxusstrategie bricht gerade in sich zusammen. Die Umsatzrenditen bei den Stuttgartern sind im freien Fall. Und beide Konzerne überraschten ihre Aktionäre in den vergangenen Wochen mit Gewinnwarnungen.
Rabattschlacht am Bootsmarkt
In der Bootsbranche sucht man sein Heil in Rabatten. Segel- und Motorboote werden teilweise zu Kampfpreisen in den Markt gedrückt. Stahlhut spricht von hohen Beständen an Booten, die jetzt abverkauft werden müssten.
Die Rabattschlacht im Neugeschäft wird zusätzlich angeheizt, weil auch der Gebrauchtbootmarkt überquillt. Vor allem Freizeitkapitäne, die während der Corona-Phase in den Segel- oder Motorbootsport eingestiegen sind, trennen sich jetzt wieder von ihren Booten – etwa weil sie Kosten und Zeitintensität des Hobbys unterschätzt haben. BVWW-Mann Stahlhut: „Wenn ich durch die Hallen der Interboot gehe, sehe ich überall rote Preisschilder.“