Herr Hejnal, in Ihrer Freizeit waren Sie begeisterter Rodeo-Reiter. Nun ist es Ihre Aufgabe, die eben erworbene Post- und Paketlogistiksparte von Siemens in den mittelständischen Mischkonzern Körber zu integrieren. Wird das ein heißer Ritt?

Ein heißer Ritt im Rodeo-Stil wird das mit Sicherheit nicht. Die Geschäftsfelder beider Unternehmen ergänzen sich sehr gut. Mit seinen Anlagen und Lösungen füllt die Ex-Siemens-Sparte eine Lücke in unseren Aktivitäten bei Körber. Der erste Kontakt zu den Verantwortlichen hier in Konstanz war sehr gut und vertrauensvoll, keinesfalls holprig oder ruppig. Also nein: kein Rodeo.

Erklären Sie doch einmal, wieso die Übernahme durch Körber für Mitarbeiter und Unternehmen sinnvoll ist?

Das bisherige Körber-Geschäftsfeld Supply Chain ist stark bei der Entwicklung von Anlagen und Software für vollautomatisierte Lagerhauslogistik. Grob kann man sagen, wir sind Maschinenbau-Profis für alles, was auf Paletten transportiert wird, und Experten für die Vernetzung und Digitalisierung von Logistiksystemen.

Mit dem Kauf des Siemens-Post- und Paketlogistikgeschäfts kommen für uns neue Produkte und Anwendungen hinzu, die näher am Endverbraucher sind und durch den Boom des Internethandels in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten aufweisen. Beide Märkte überschneiden sich fast nicht. Vielmehr ergänzen sie sich.

Haben Sie Umsatz- und Beschäftigungsziele für das neue Unternehmen in den kommenden Jahren?

Unser klares Ziel heißt Wachstum und zwar vor allem auf den internationalen Märkten. Wir denken da besonders an Europa und die USA. Der Logistikmarkt wächst global derzeit mit etwa zehn Prozent pro Jahr. Wir wollen das künftig übertreffen, also in unseren relevanten Märkten Marktanteile hinzugewinnen und jährlich klar zweistellig beim Umsatz zulegen.

Heißt das auch Mitarbeiteraufbau?

Unser großes Thema wird Fachkräfteaufbau sein – im Inland, vor allem aber in wichtigen Auslandsmärkten. Das betrifft fast alle Bereiche, also Programmierer, Ingenieure, Projektmanager und Installateure vor Ort.

Konstanz wird zum neuen Hauptsitz des Körber-Geschäftsfelds Supply Chain werden. Was bedeutet das für den Standort?

Für Konstanz bedeutet das Mitarbeiterzuwachs. Wir werden die Verwaltung des Geschäftsfelds, also etwa die Bereiche Personal, Marketing und Kommunikation und Controlling, von ihrem bisherigen Sitz in Bad Nauheim an den Bodensee verlegen. Das allein bedeutet bis zu 30 Mitarbeiter mehr in Konstanz.

Auch ich als Vorsitzender der Geschäftsfeldleitung und mein Kollege Markus Fröhlich als Finanzchef werden unsere Schreibtische hier haben. In Summe wird der Standort also aufgewertet, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir dort ein Kompetenzzentrum für Hochtechnologieprodukte haben werden. Insgesamt werden wir massiv investieren, um von der Dynamik in den Märkten zu profitieren.

Die Firma Siemens in Konstanz.
Die Firma Siemens in Konstanz. | Bild: Oliver Hanser

Mit der alten Brief- und Paketlogistik von Siemens übernehmen Sie ein Unternehmen mit rund 1200 Mitarbeitern und etwa einer halbe Milliarde Euro Umsatz. Das ist ein ziemlich großer Brocken. Wie lange wird es dauern, bis die Integration abgeschlossen sein wird?

Ganz abgeschlossen wird der nun beginnende Transformationsprozess nie sein. Dafür ändern sich Märkte und Produkte heute zu schnell. Im neuen Unternehmen, das ja über eine ganze Reihe von Standorten verfügt, wird es auch immer ein hohes Maß an Dezentralität geben.

Dennoch wollen wir natürlich zusammenwachsen und die unterschiedlichen Unternehmenskulturen zusammenführen. Die Unterschiede sind nach meinem Eindruck zwar gar nicht so groß, aber einige Zeit wird das natürlich trotzdem dauern.

Die Belegschaft in Konstanz hat Jahre mit wechselnden Eigentümern hinter sich. Bringt Körber jetzt Kontinuität und Verlässlichkeit?

Wir stehen zunächst einmal für neue Aufträge und Marktführerschaft. Dahinter steht aber die seit Jahrzehnten von Körber verfolgte Strategie des langfristigen und profitablen Wachstums. Im Körber-Konzern, hinter dem ja die Körber-Stiftung steht, denkt man sehr langfristig und strategisch. Nicht im schnellen Takt der Börsen.

Die Hamburger Körber-Gruppe kaufte Mitte 2022 die Post- und Paketlogistiksparte von Siemens.
Die Hamburger Körber-Gruppe kaufte Mitte 2022 die Post- und Paketlogistiksparte von Siemens. | Bild: pixbytemedia

Beim Kauf hat sich Körber bereit erklärt, Arbeitsbedingungen und Tarifbindungen der neu hinzukommenden Mitarbeiter für drei Jahre zu fixieren. Was kommt danach?

Die drei Jahre dienen dazu, Stabilität und Verlässlichkeit für die Mitarbeiter zu wahren. Wir wollen nicht als neuer Eigentümer erscheinen, der kommt und sofort an den Arbeitsbedingungen herumdreht. Wie es langfristig aussieht, ist im Moment schwer zu sagen.

Bei Körber schreiben wir Mitbestimmung groß und sind darauf bedacht, immer zusammen mit den Mitarbeitern die beste Lösung zu finden, natürlich mit Blick auf die Erfordernisse des Marktes. Wir haben Konkurrenz und sind nicht allein auf der Welt.

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Beim Thema Logistik und Lieferketten werden KI und autonome Systeme eine immer größere Rolle spielen. Wie sind Sie in diesem Zukunftsfeld aufgestellt?

Künstliche Intelligenz und Machine Learning werden im Logistikbereich immer wichtiger. Das Paketaufkommen steigt stark an und damit auch die Erfordernisse, immer autonomere Systeme zu entwickeln, die die Flut an Warensendungen verarbeiten können. Bei unseren Lagersystemen arbeiten wir hier beispielsweise schon mit Roboterlösungen.

All das wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Wir sehen uns da aber gut gerüstet, nicht zuletzt weil wir im Körber-Konzern jährlich rund sieben Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investieren. Das liegt deutlich über dem Branchenschnitt im Maschinen- und Anlagenbau.

Wie war eigentlich ihr erster Eindruck vom neuen Unternehmen, seinen Mitarbeitern und dem Bodensee als Standort?

Das Ankommen war toll. Ich habe mein Büro in Konstanz vergangene Woche bezogen und gleich angefangen. Ich finde, es läuft bisher sehr harmonisch und sehr konstruktiv. Ich habe den Eindruck, die Mitarbeiter sind sehr zufrieden, dass ein strategischer Investor das Unternehmen gekauft hat.

Auch von anderen Standorten, etwa aus Nürnberg, habe ich diese Botschaft mitgenommen. Was den Bodensee als Standort betrifft, bietet der so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Ich fühle mich nach nur wenigen Tagen hier schon sehr wohl.