Nach drei Jahren mit hohen Wachstumsraten ruckelt sich der Markt für Motor- und Segelboote wieder auf Normalmaß ein. Im Prinzip sei man in der aktuellen Saison beim Neugeschäft wieder auf dem Vor-Corona-Niveau angelangt, sagte Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW) am Dienstag auf der Messe Interboot in Friedrichshafen.
Die Auftragsbücher der Werften seien noch bis ins Jahr 2024 gut gefüllt, die Nachfrage nach Booten entwickle sich aber quer durch alle Segmente deutlich verhaltener als noch vor einem Jahr, so Stahlhut weiter.
In Corona-Zeiten profitierten Bootsbauer und Händler
Ähnlich wie die Caravan-Industrie oder das Geschäft mit Elektrofahrrädern verzeichnete auch der Bootsbau in der Corona-Phase bisher ungekannte Auftragseingänge. Die Werften liefen bundesweit unter Volldampf, die Lieferzeiten für Motor-, aber auch für Segelboote, erreichten Spitzenwerte von bis zu eineinhalb Jahren. Dies war allerdings nicht nur der hohen Nachfrage, sondern auch Teileengpässen, etwa bei Motoren, geschuldet.

Heute herrscht Kaufzurückhaltung
Mittlerweile sei Kaufzurückhaltung eingekehrt, sagte Stahlhut. Diese betrifft vor allem das Segment kleinerer Boote bis 7,50 Meter Länge. Haupt-Käufer sind hier jüngere Menschen und Familien, die in der Corona-Phase den Wassersport für sich entdeckten, mittlerweile aber aufgrund stark gestiegener Energiepreise und Zinsen ihr Geld eher zusammenhalten und Hobbys auf dem Wasser zurückstellen. Die Investition von 50.000 bis 60.000 Euro für ein Boot sei in dieser Käufergruppe oft nicht mehr drin, so Stahlhut.

Auch große Charterboote werden schwer verkauft
Aber auch bei großen Segelbooten über zehn Meter Länge lässt der Rückenwind nach. Ein blühendes Chartergeschäft mit Segel-Trips an Nord- und Ostsee oder am Mittelmeer hatte die Bootsverkäufe in der Corona-Phase angekurbelt. Mittlerweile sind die Preise für Charterboote aber so stark gestiegen, dass die Tour-Anbieter schlicht kein neues Material mehr ordern.
„Wir reden über Preissteigerungen von gut einem Drittel oder mehr in drei Jahren“, sagte BVWW-Geschäftsführer Stahlhut. Verbands-Vizepräsidentin Sonja Meichle, Chefin des größten Yachthafens am Bodensee in Kressbronn-Gohren, sprach von „teils unverschämten Preiserhöhungen“, die zu einer Käuferzurückhaltung geführt hätten.
Nachhaltiger Schiffbau soll Schub bringen
Folge davon ist, dass sich bei vielen Händlern Schiffe und Boote auf den Höfen stauen, weil der Abverkauf stockt. Die Situation ähnelt jener bei Elektrofahrrädern, wenngleich die Halden nicht ganz so groß sind.
In der Branche heißt es, manche Händler gingen jetzt dazu über, Boote mit Abschlägen in den Markt zu drücken. Beim BVWW will man das nicht bestätigen. „Ich sehe keine Rabattschlacht“, sagte Stahlhut. Dass die Schiffswerften die Preise nochmals erhöhten, hält er indes für unwahrscheinlich.
Immerhin kann, wer will, mittlerweile sehr umweltfreundlich auf dem Wasser unterwegs sein. Das Start-Up Khulula hat auf der Messe ein nachhaltiges Klein-Segelboot – einen Optimisten – vorgestellt. Kinder und Jugendliche lernen auf diesem Boot überall in Deutschland seit Jahrzehnten das Segeln.
Das kleine Bio-Boot ist aus Flachsfasern gefertigt, die mit Bioharz verstrichen werden. Der CO2-Fußabdruck sei rund 70 Prozent geringer als bei herkömmlichen GfK-Optimisten, sagte Khulula-Co-Chef Simon Licht. Die Nachfrage, gerade von Vereinen, sei hoch, rund 100 Vorbestellungen für das demnächst in Serie gehenden Schiff lägen vor.