Eigentlich könnte Antonius Ott prima gelaunt sein. „Es läuft gerade“, sagt der 61-jährige Werft-Chef. „Wir können uns vor Aufträgen nicht retten. Wer in der Wirtschaft kann das gerade von sich behaupten?,“ fügt er hinzu und zuckt mit den Schultern.
Spezialist für Segelboote aus Kunststoff
So richtig Zuversicht macht sich bei dem Meersburger dennoch nicht breit. Die Hallen seines Boots-Betriebs in der Oberstadt stehen voll mit schnittigen Segelschiffen, die dringend überarbeitet werden müssten. Bei einer Yacht ist der Gelcoat, die glänzende Deckschicht auf der Außenhaut, abgeplatzt. Eine anderes braucht ein neues Deck.
Ganz hinten duckt sich eine Acht-Meter-Yacht in die Werfthalle. Eine Windhose, die im Sommer Teile des Untersees verwüstete, hat sie voll erwischt und arg malträtiert. „Da sind jetzt ein paar Riesenlöcher drin. Die müssen wir zügig flicken“, sagt Ott.

Zu wenig Personal trotz 35-Stunden-Woche und Dienstwagen
Aber wie? Werft-Chef Ott fehlen Mitarbeiter. Zwei würde er für seinen Fünf-Mann-Betrieb sofort einstellen. Nur zuverlässig müssten sie sein und hinlangen können, sagt er. Eine einschlägige Ausbildung als Bootsbauer sei nicht zwingend. Dafür winke eine 35-Stunden-Woche, ein Jahresgehalt irgendwo oberhalb der 40.000-Euro-Marke und, wenn sich der Kandidat bewährt habe, nach einem Jahr ein Dienstwagen.
„Mehr kann ich nicht bieten“, sagt der passionierte Segler. Aber offenbar ist auch das zu wenig. „Für den Bootsbau scheint sich gerade keiner mehr zu interessieren.“
Seltsam, denn eigentlich navigiert die Branche am Bodensee seit Jahren ziemlich krisensicher durch alle konjunkturellen Wellentäler. Die Corona-Krise der Jahre 2020 bis 2022 bescherte den Schiffsbauern sogar einen regelrechten Boom.
Boom im Bootsbau schwächt sich ab
Durch die pandemiebedingten Grenzschließungen und Lockdowns besannen sich die Menschen damals auf Urlaub in der Heimat. Und die Angst vor Ansteckungen zog sie hin zu Individualsportarten und Aktivitäten draußen. Wassersport auf den deutschen Binnenseen erlebte einen ungeahnten Aufschwung. Bis weit ins vergangene Jahr hinein liefen die deutschen Sportbootwerften unter Volllast. Manchem Händler ging die Ware aus, weil sich alles abverkaufte, was schwamm.

Mittlerweile hat sich die Nachfrage zwar wieder beruhigt, beim Kressbronner Verband der Bodenseewerften in Baden-Württemberg spricht man aber immer noch von einer sehr guten Gesamtkonjunktur. Und auch beim Schweizer Branchenverband heißt es, die Lage sei weiterhin recht gut. Von einem Boom wie in Corona-Zeiten könne aber keine Rede mehr sein.
Keine echte Großwerft mehr am Bodensee
Im Geschäft der Großwerften spielen die Betriebe am Bodensee indes nicht mit. Nach dem Aus der Kressbronner Bodan-Werft vor rund einem Jahrzehnt gibt es am Bodensee keinen Betrieb mehr, der auf den Bau größerer Wasserfahrzeuge, etwa Fähren und Kursschiffe, spezialisiert ist. Werden Aufträge ausgeschrieben, kommen seither Küstenwerften, etwa in Norddeutschland oder Osteuropa, zum Zug.
Zwar leistet sich jedes Bodensee-Anrainerland noch einen größeren Reparatur-Stützpunkt – etwa in Friedrichshafen, im Vorarlberger Fußach oder im schweizerischen Romanshorn. Vom Charakter her sind die dort beheimateten Werften allerdings Servicebetriebe, die allenfalls noch die Endmontage neuer Pötte übernehmen.

Und auch bei Segelbootherstellern sucht man die Marktführer am Bodensee – immerhin Deutschlands größtes Binnengewässer – vergebens. Großwerften wie die deutschen Branchenriesen Hanse-Yachts oder Bavaria, die französischen Jeanneau- und Beneteau-Werften oder die skandinavischen Edelschmieden X-Yachts oder Hallberg-Rassy haben ihren Sitz weitab von Süddeutschland.
Klassiker aus GFK und Teakholz
„Die klassische Bodenseewerft dagegen hat zwischen fünf und zehn Mitarbeiter und baut oder restauriert exklusive Holzboote meist direkt im Kundenauftrag“, sagt Clemens Meichle, Geschäftsführer des Verbands der Bodenseewerften in Baden-Württemberg. Solche Einzelbauten könnten sich leicht über ein oder zwei Jahre hinziehen. Nebenher werden Gebrauchtboote verkauft, Boote repariert, im Winter eingelagert und fit für die kommende Saison gemacht.

Nur ganz wenige Bootsbauer am Bodensee haben einen anderen Weg eingeschlagen und sich statt auf Teakholz-Planken auf Kunststoff-Schiffe spezialisiert, die auch für Otto Normalbürger bezahlbar sind. Die Ott-Werft in Meersburg ist eine davon. „In Sachen Kunststoffverarbeitung macht uns so schnell keiner etwas vor“, sagt Werft-Chef Antonius Ott.
Ott und die Segel-Legende Aphrodite 101
Gut 300 Segelboote sind in den vergangenen knapp 30 Jahren bei Ott vom Stapel gelaufen – alles Regatta-taugliche Klassiker wie die gut zehn Meter lange Aphrodite 101 – eine Bootsklasse, die aufgrund ihrer Schnelligkeit und Formschönheit am Bodensee im gehobenen Mittelklasse-Segment fast schon legendär ist.
Anfang der 1990er-Jahre kaufte Ott die 101-Lizenzen einer insolventen dänischen Werft ab. Seither stammt jede weltweit verkaufte 101 aus seinem Haus. 180.000 Euro muss man für eine Yacht hinlegen, gebraucht sind die Segelschaffe ab etwa 30.000 Euro zu haben. Auch das H-Boot, sozusagen der VW-Golf der Segelboote auf Binnenseen, wird bei Ott gebaut. Als eine von nur noch drei Werften weltweit besitzt Ott entsprechende Formen zum Bau der Rümpfe der rund 90.000 Euro teuren Schiffe.

Seine neueste Kreation steht in einer der Hallen der Meersburger Ott-Werft. Diamant 2000 heißt die schnittige, 7,30 Meter lange Yacht. Das Boot, eine Neuentwicklung auf Grundlage eines alten Baumusters, die besonders Familien ansprechen soll, wird Ott auf der am Samstag beginnenden Messe Interboot erstmals vorstellen.
Ab 54.000 Euro ist sie zu haben. Die Farbe ist noch nicht mal ganz trocken. „Fast hätten wir es nicht mehr geschafft, sie bis zur Interboot fertig zu kriegen“, sagt der Werft-Chef und fügt lapidar an: „Personalmangel.“