Es mag Menschen geben, die gern seitenweise Formulare ausfüllen und am Enträtseln von Bürokratendeutsch ihre Freude haben. Ich gehöre nicht dazu. Trotzdem mache ich meine Einkommenssteuererklärung selbst, habe komplexe Elterngeldanträge ausgefüllt und KfW-Fördergelder beantragt. Die Aufforderung, nun bis zum 31. Oktober 2022 eine Grundsteuererklärung für unser Grundstück abgeben zu müssen, hat mich deshalb erst einmal nicht abgeschreckt.
Gut, es tauchen schon im Anschreiben etwas rätselhafte Begriffe wie „Zähler“ und „Nenner“ eines „Flurstückes“ auf. Aber die Daten sollen ja alle im Grundbuchauszug zu finden sein. Und der liegt mir genauso vor wie ein elektronischer Zugang zum Finanzamt über „Mein Elster“. Also los.
Die Formulare
Die Anmeldung bei Elster mit Zertifikatsdatei und Passwort um 10.15 Uhr an einem Montag gelingt problemlos. Wer das Elster-Portal allerdings noch nie genutzt hat, sollte sich bald um einen Zugang kümmern. Denn das Freischalten kann bis zu zwei Wochen dauern. Spezielle Ansprechpartner zur Elster-Hilfe gibt es bei den meisten zuständigen Finanzämtern, die Telefonnummern stehen auf der jeweiligen Homepage (unter „Ihr Finanzamt“, „Kontakt“, „Ansprechpartner“).
Ein Ausfüllen in Papierform ist bei der Feststellungserklärung zur Grundsteuer nur in Ausnahmefällen möglich. „Wer keinen Zugang zu einem Computer hat und auch keine Angehörigen, die einem dabei helfen können, der meldet sich nach Erhalt des Schreibens beim Finanzamt unter der auf dem Brief angegeben Telefonnummer“, sagt Solveig Elze, Leiterin des Finanzamtes Singen.
In diesen Fällen werden die benötigten Formulare in Papierform zugeschickt. Wovon sie abrät ist, die Unterlagen selbst aus dem Internet auszudrucken und dann handschriftlich auszufüllen. Denn dann sei das Einscannen der Daten nicht immer möglich. „Dann lieber am Computer ausfüllen und dann ausdrucken“, sagt Solveig Elze.
Das Ausfüllen
Nach der Anmeldung bei „Mein Elster“ muss man das Formular für die Grundsteuerklärung erst einmal suchen. Es taucht nicht direkt auf der Startseite auf, sondern findet sich im Bereich „Formulare und Leistungen“ unter „Alle Formulare“, „Grundsteuer“ – wo dann das Bundesland ausgewählt werden kann, in welchem das Grundstück liegt.
Los geht es mit der Auswahl der Anlagen, bei denen der Hauptvordruck „GW1“ vorausgewählt ist. Ein Klick auf das kleine blaue Fragezeichen verrät, dass zu „GW1“ auf jeden Fall die Anlage „GW2“ hinzugefügt werden muss. Warum das nicht auch automatisch voreingestellt wird? Schon jetzt beschleicht mich das Gefühl, dass das Ausfüllen länger dauern wird als erhofft, weil der Aufbau unnötig kompliziert ist.
Nächste Aufgabe
Eingabe eines 16-ziffrigen Aktenzeichens. Das steht fett gedruckt auf dem Anschreiben des Finanzamtes. Einfach nur abtippen funktioniert trotzdem nicht, denn auf dem Brief ist die Zahlenfolge durch Schrägstriche unterbrochen. Übernimmt man diese in die Online-Maske, kommt später eine Fehlermeldung. Und ja, auch darauf wird im Infofeld am Rand des Formulars hingewiesen.
Ab sofort lese ich diese Hinweise alle. Sie helfen wirklich weiter, sind aber für mein Ziel, die Grundsteuerklärung möglichst rasch auszufüllen, kontraproduktiv. Und sehr nutzerunfreundlich.
Zeit reinholen lässt sich beim Eintippen der Adresse des Grundstücks. Dann folgen die Angaben zur genauen Lage: Gemarkung, Grundbuchblattnummer, Flur, Flurstück samt Zähler und Nenner. Diese Angaben finden sich zum Teil auf dem Anschreiben des Finanzamtes. Sonst im Grundbuchauszug oder im Baugesuch.
Das Flurstück
Einen Flur gibt es in meiner Gemarkung offenbar nicht. Beim Flurstück gibt es zwei Felder: Zähler und Nenner, unser Flurstück hat aber nur eine Zahl. Und nun? Ich rufe den Steuerchatbot (www.steuerchatbot.de) auf, der mir laut Finanzamts-Anschreiben bei Fragen weiterhelfen soll. Ich tippe „Flurstück: Zähler, Nenner“ ins Fragefeld und werde umgehend darauf hingewiesen, meine Frage bitte in einem vollständigen, aber einfachen Satz zu formulieren.
Zweiter Versuch: „Was sind Zähler und Nenner beim Flurstück?“ Nun ist der Chatbot nicht ganz sicher, was ich meine und erklärt mir, dass ein Flur mehrere Flurstücke umfasst und jedes Flurstück mit einer Flurstücknummer versehen ist. Soweit hatte ich das auch schon verstanden.
Also weiter zum nächsten Hilfsangebot: die auf dem Brief angegebene Telefonnummer des Finanzamtes in Überlingen. Der Anrufbeantworter teilt mir mit, dass der zuständige Mitarbeiter erst ab 13 Uhr zu sprechen sei. Als ich es später noch einmal versuche, ist es dort dauerbesetzt.
Telefone laufen heiß
Dass die Telefone in Sachen Grundsteuerreform in den Finanzämtern seit dem Versand der Briefe Anfang Juli heiß laufen, bestätigen die Finanzämter in Konstanz, Friedrichshafen und Singen. „Hauptsächlich fragen die Leute, wie sie die Erklärung ohne Computer abgeben können und wie sie an die Bodenrichtwerte kommen“, sagt Solveig Elze vom Finanzamt Singen. Konkrete Fragen zum Ausfüllen der einzelnen Formulare gebe es bislang dagegen noch wenige.
Elze vermutet, dass die meisten noch gar nicht angefangen hätten, die Formulare auszufüllen – weil es ja noch Zeit habe bis Ende Oktober. „Und bei denen, die bereits ausgefüllt sind, haben wir noch keinen Einblick, wie viele Fehler es dort gibt. Wir werten die Formulare erst ab Oktober aus“, so Solveig Elze.
Hilfe im Rathaus
Bei meinem Zähler-Nenner-Problem hilft mir schließlich der Mitarbeiter im Grundbuchamt meines Rathauses weiter: Es gibt bei uns im Ort Flurstücke, die nur einen Zähler haben, das Feld für „Nenner“ wird dann frei gelassen.
Es folgt ein weiteres Feld mit „Zähler“ und „Nenner“, hier geht es um den zur wirtschaftlichen Einheit gehörenden Anteil des Grundstückes. Der Eintrag der Quadratmeter führt zu einer Fehlermeldung, der Rathaus-Mitarbeiter gibt mir den Tipp, es mit „1/1“ zu versuchen. Passt!
Als sich die Seite mit den Bodenrichtwerten öffnet, ist es 11.10 Uhr. Ob es hier überhaupt weiter geht? Laut Anschreiben des Finanzamtes sind noch nicht alle Bodenrichtwerte – also die durchschnittlichen Grundstückswerte innerhalb vordefinierter Zonen einer Gemeinde – online verfügbar.
Ich öffne die im Brief angegebene Seite www.grundsteuer-bw.de. Auch hier sucht man auf der Startseite vergebens nach einem Link zu den Bodenrichtwerten. Ein Klick auf „Grundsteuer B“, dann die Weiterleitung zu „Bodenrichtwertinformationssystem in Baden-Württemberg“ aufrufen. Schneller geht es, wenn man direkt die richtige Seite eintippt: www.gutachterausschuesse-bw.de. Und tatsächlich taucht hier nach Eingabe von Adresse und Flurstücknummer der entsprechende Bodenrichtwert auf.
Zurück zum Elster-Formular
Hier folgt ein wichtiges Häkchen – das Grundstück ist bebaut und bewohnt – das ermäßigt die spätere Steuerzahl um 30 Prozent. Es folgen Angaben zu den Eigentumsverhältnissen des Grundstückes. Wer es sich mit dem Ehegatten oder Lebenspartner teilt, fügt beide Kontaktdaten und Steuernummern in zwei extra hinzuzufügenden Formularen bei – auch das ist sehr nutzerunfreundlich umgesetzt, weshalb ich es zunächst übersehe.
Beim Feld „Anteil am Grundstück“ tauchen erneut die Begriffe „Zähler“ und „Nenner“ auf – für gleichberechtigte Anteile ist hier „1“ „2“ einzutragen. Bei Erben- und sonstigen Gemeinschaften wird es vermutlich noch komplizierter.
Fertig
Um 11.20 Uhr ist das letzte Feld ausgefüllt. Prüfen. Null Fehler! Schnell absenden. Puh!
Fazit
Wer einfach nur ein bebautes Grundstück besitzt, braucht für die Grundsteuererklärung in Baden-Württemberg nur wenige Daten abzugeben. Das ist mit einem Grundbuchauszug und einem verfügbaren Bodenrichtwert eigentlich kein Hexenwerk.
Doch die Umsetzung über das Online-Portal Elster ist so umständlich, dass es den Nutzern wirklich schwer gemacht wird. In elf Bundesländern geht die Erklärung auch auf Papier, in Baden-Württemberg nur in Ausnahmefällen.
Ob die Formulare mal einen Testdurchlauf unter normalen Verbrauchern bestehen mussten? Vermutlich nicht. In Baden-Württemberg haben drei Finanzämter die Aufgabe, in den ersten Juli-Wochen auszuwerten, ob die Erklärungen richtig ausgefüllt werden und alles so funktioniert, wie es soll. Dann kann gegebenenfalls nachgebessert werden. Weshalb Finanzamt-Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand raten, mit dem Ausfüllen einfach noch ein bisschen zu warten. Vielleicht wird es ja tatsächlich noch einfacher.
Andernfalls freuen sich in einigen Wochen die Steuerberater über noch mehr Arbeit. „Schon jetzt reichen viele die Formulare bei ihren Steuerberatern ein, das entsprechende Aufkommen steigt täglich“, sagt Hartmut Dicke, Steuerberater und Vize-Präsident des Landesverbandes der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe.
Sich vor dem Ausfüllen zu drücken, ist keine Option. Die Finanzämter wollen nach Ablauf der Frist am 31. Oktober 2022 nur eine einzige Mahnung versenden. Danach drohen Verspätungszuschläge und Geldstrafen bis zu 25.000 Euro.