Der Solarboom und der Trend zu klimaneutralen Heizungen füllen die Bücher des Singener Ökoenergie-Pioniers Solarcomplex. Im vergangenen Jahr habe man „sehr gute Zahlen“ eingefahren, sagte Solarcomplex-Gründungsvorstand Bene Müller am Montag in Singen.

Gleichzeitig warnte er vor einem Abwürgen der Energiewende, aufgrund eines stockenden Stromnetzausbaus, langer Genehmigungsprozesse und ausbleibender Förderung für Erneuerbare-Energien.

Netze zu schwach für neue Ökostrom-Projekte

„Es ist völlig klar, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien in den kommenden zwei bis drei Jahren ins Stocken geraten wird, wenn sich jetzt nichts ändert“, sagte Müller. Im schlimmsten Fall drohe eine „Vollbremsung“. Immer öfter werde die Netzanbindung großer Solaranlagen, aber auch von Windrädern, zum Problem. Das betreffe nicht nur die Region, sondern ganz Baden-Württemberg.

Allein bei Solarcomplex, einem der führenden Projektierer von Solarfeldern und Nahwärmenetzen in Südbaden, kämpften rund die Hälfte der Projekte mit erheblichen Verzögerungen, weil es an der nötigen Infrastruktur fehle, die Öko-Kraftwerke ans allgemeine Stromnetz anzuschließen.

Der Netzausbau liegt in der Verantwortung der Verteilnetzbetreiber. Oft sind das Energiekonzerne wie EnBW oder Badenova oder Stadtwerkeverbünde wie die Thüga. Sie haben die Pflicht, den Netzanschluss zu gewährleisten, klagen aber ihrerseits über Personalmangel, hohe Kosten und die schiere Masse an Anträgen.

Solarmodule auf einem Singener Gewerbebetrieb. Der Bau von Dachsolaranlagen boomt und treibt bei Solarcomplex maßgeblich das Geschäft.
Solarmodule auf einem Singener Gewerbebetrieb. Der Bau von Dachsolaranlagen boomt und treibt bei Solarcomplex maßgeblich das Geschäft. | Bild: Solarkomplex Bene Müller

Der Engpass führt dazu, dass die Umsetzung der Energiewende hinter ihren Zielen zurückbleibt. Ein großer Solarpark, den Solarcomplex nahe Mühlhausen-Ehingen im Hegau errichten will könne beispielsweise nach derzeitigem Stand frühestens 2029 und damit viel zu spät ans Netz angeschlossen werden, sagte Müller. Für alle Beteiligten sei das eine Zumutung.

Bundeszuschüsse kommen einfach nicht – Gift für die Wärmewende

Der Gegenwind kommt auch von anderer Seite. Durch das Aus des milliardenschweren Klimatransformationsfonds der Bundesregierung Ende 2023 fehlen Fördergelder, die die Energiewende in den Kommunen eigentlich vorantreiben sollten.

In der Region zeigen sich nun die Auswirkungen. Vor wenigen Wochen hat Solarcomplex entschieden, sein bislang größtes Projekt zur Umstellung auf regenerative Heizwärme im Städtchen Hilzingen im Hegau für ein Jahr auf Eis zu legen, weil die zugesagte Bundesförderung nicht fließt. Dass solche Projekte verzögert werden, dürfe nicht Schule machen, sagte Müller. Sonst laufe man in eine schwierige Dynamik hinein. Ohne verlässliche politische Vorgaben ließe sich ein komplexes Projekt wie die Energiewende nicht verwirklichen, sagte er.

Für das Bioenergiedorf Bonndorf im Schwarzwald hat Solarcomplex die Anlagen erstellt. Im Bild Photovoltaikpanele und ein Heizkraftwerk
Für das Bioenergiedorf Bonndorf im Schwarzwald hat Solarcomplex die Anlagen erstellt. Im Bild Photovoltaikpanele und ein Heizkraftwerk | Bild: Stefan Limberger-Andris

Sehr gutes Geschäftsjahr 2023 – volle Auftragsbücher

Trotz aller Verzögerungen hat das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen alle Hände damit zu tun, seine Aufträge abzuarbeiten. Die Belegschaft will Solarcomplex 2024 um etwa 15 Prozent auf 80 Mitarbeiter aufstocken. Der Umsatz soll von 38 auf „rund 40 Millionen Euro“ steigen bei einem „stabilen Jahresgewinn zwischen ein und zwei Millionen Euro“, so Müller.

Dem Aufsichtsrat will man für die Aktionäre eine Dividende von sechs Prozent aufs eingesetzte Kapital vorschlagen. Die Eigenkapitalausstattung ist – je nach Messzahl – mit zwischen 39 und 58 Prozent „sehr komfortabel“, wie Müller sagte. Die Bilanzsumme liegt mit knapp 100 Millionen Euro auf einem Rekordhoch.

Gratis-Aktien für Mitarbeiter

Vom Unternehmenserfolg profitieren seit Neuestem die Mitarbeiter auch direkt. Sie erhalten jedes Jahr 1000 Gratis-Aktien zugeteilt. Der aktuelle Wert dieses Pakets liegt etwa bei 3000 Euro. Müller und seine Vorstandskollegen Verena Binder und Edgar Kunz wollen so einen Extra-Anreiz bieten, bei Solarcomplex anzuheuern. Der „zentrale Flaschenhals“ für die Geschäftsentwicklung seien die Mitarbeiter, sagt Firmen-Gründer Müller.