Deutschlands zweitgrößter Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen will weiter Milliardenbeträge in Deutschland investieren, macht dies aber unter anderem von Zugeständnissen der Arbeitnehmer abhängig. Auch wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht günstig sind, werde man bis zu 30 Prozent seiner konzernweiten Investitionen in den kommenden Jahren in Deutschland tätigen, sagte ZF-Konzernchef Holger Klein am Donnerstag in Friedrichshafen.

Allerdings gelte dies nur, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Werke es erlaube. Möglichkeiten, diese zu verbessern bestünden etwa in „mehr Flexibilität bei Schichtmodellen“ oder einer „Anpassung von Vergütungsstrukturen“, sagt er.

Vorzeige-Projekt Friedrichshafen

Als exemplarisch nannte Klein Regelungen, die mit rund 5000 Beschäftigten im Nutzfahrzeugbereich von ZF am Stammsitz in Friedrichshafen gefunden wurden. Im Gegenzug zu Zugeständnissen der Mitarbeiter hatte ZF dort umfangreiche Investitionen zum Ausbau der Truck-Getriebefertigung zugesichert.

Holger Klein ist seit gut einem Jahr Vorstandschef von ZF. Er setzt auf rigides Kostenmanagement.
Holger Klein ist seit gut einem Jahr Vorstandschef von ZF. Er setzt auf rigides Kostenmanagement. | Bild: Felix Kästle

18 Milliarden Investitionen – aber wo?

Bis Ende 2026 will ZF 18 Milliarden Euro in den Ausbau seiner Geschäfte stecken. Knapp zwei Drittel davon sollen in Forschung und Entwicklung fließen, der Rest in Sachanlagen, also etwa den Ausbau von Werken.

In einem seit mehreren Jahren laufenden Prozess durchleuchtet ZF sämtliche deutsche Standorte auf deren Wettbewerbsfähigkeit hin. Ist diese nicht gegeben und kann auch beispielsweise nicht durch die Ansiedlung neuer Produkte hergestellt werden, droht die Schließung. Zwei der rund 50 deutschen ZF-Werke – die Standorte in Gelsenkirchen und in Eitorf – hat dieses Schicksal schon ereilt. Sie werden geschlossen.

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„Uns ist bewusst, dass es eine große Sorge an den Standorten gibt“, sagte Klein. Man komme aber nicht darum herum, die Wettbewerbsfähigkeit an den globalen Markt anzupassen. Die deutschen Werke müssten sich im Wettbewerb behaupten. Deutschland bleibe allerdings eine „wichtige Säule“ von ZF.

Zahnräder stellen bei ZF die alte Welt dar. Rund 27 Prozent der Umsätze hängen noch am Verbrenner. Software wird immer wichtiger.
Zahnräder stellen bei ZF die alte Welt dar. Rund 27 Prozent der Umsätze hängen noch am Verbrenner. Software wird immer wichtiger. | Bild: Felix Kästle, dpa

Indes: Bis zum Ende des Jahrzehnts werde man weniger Menschen in Deutschland beschäftigten, sagte der ZF-Chef. Aktuell arbeiten für den Friedrichshafener Stiftungskonzern gut 54.000 Mitarbeiter in Deutschland. Das ist ein Allzeit-Rekord. Nach Aussagen des ZF-Konzernbetriebsrats sollen allerdings bis zum Jahr 2030 bis zu 12.000 Stellen im Inland wegfallen.

Klein bestätigte diese Zahl auch am Donnerstag nicht. Sie stelle lediglich einen „demografischen Vorhalt dar, den man nutzen könne“, sagte Klein. Am Ende gehe es bei dem Thema „um Kosten, nicht um Köpfe“, sagte er. ZF werde aber sozialverträglich vorgehen und die natürliche Fluktuation nutzen, um die Beschäftigung anzupassen.

Auch bei Bosch werden Jobs gestrichen

Ganz ähnlich hatte sich Mitte der Woche auch ZF-Konkurrent Bosch geäußert. Bei dem Stuttgarter Konzern sollen ebenfalls mehrere Tausend Arbeitsplätze gestrichen werden. Zu betriebsbedingten Kündigungen soll es aber auch bei Bosch nicht kommen.

Ein Dummie in einem ZF-Prüfstand. ZF will das Airbag-Geschäft an die Börse bringen oder an einen Partner verkaufen. Die Ausgleiderung ...
Ein Dummie in einem ZF-Prüfstand. ZF will das Airbag-Geschäft an die Börse bringen oder an einen Partner verkaufen. Die Ausgleiderung ist in vollem Gange. | Bild: ZF

Mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr ist man bei ZF zufrieden. Klein sprach von einem „zufriedenstellenden Ergebnis“, das allerdings keinen Anlass böte, sich auszuruhen. Das Unternehmen habe seine für das Jahr 2023 gesetzten Finanzziele erreicht. Der Umsatz kletterte um gut sechs Prozent auf den Rekordwert von 46,6 Milliarden Euro. Und auch im operativen Geschäft legten die Friedrichshafener zu.

Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebit) stieg gegenüber dem Vorjahr um knapp 400 Millionen Euro auf 2,4 Milliarden Euro. Damit verdient ZF an jedem umgesetzten Euro operativ gut fünf Cent. Das ist ein Wert, der sich in der Zulieferbranche im Moment sehen lassen kann. Allerdings reicht er noch nicht aus, um alle Zukunftspläne umzusetzen. Nötig wären dafür mindestens sieben Cent.

Unter dem Strich verdiente ZF 2023 nicht mehr viel

Einen wahren Einbruch gab es indes beim Gewinn nach Steuern. Er brach um gut zwei Drittel von 376 Millionen Euro auf 126 Millionen Euro ein. Zum Vergleich: Im Ausnahmejahr 2017 standen bei ZF unter dem Strich knapp 1,2 Milliarden Euro Nachsteuergewinn, also der knapp zehnfache Wert. Allerdings ist das Nachsteuerergebnis oft von Einmaleffekten geprägt – so auch 2023.

Mit rund 400 Millionen Euro schlug laut ZF eine „einmalige steuerliche Abschreibung“ negativ zu Buche. Hinzukommen millionenschwere Finanzierungskosten für die sehr hohen Schulden. Allein die Zinslast betrug zuletzt jährlich 575 Millionen Euro.

Die hohen Verbindlichkeiten resultieren aus den Zukäufen der Konkurrenten TRW und Wabco in den Jahren 2014 und 2020. Insbesondere am schuldenfinanzierten Zukauf der us-belgischen Wabco unter Ex-Konzernchef Wolf-Henning Scheider trägt ZF schwer.

Kommt von Mahle und verantwortet heute die Finanzen im Vorstand von ZF: Michael Frick
Kommt von Mahle und verantwortet heute die Finanzen im Vorstand von ZF: Michael Frick | Bild: Felix Kästle, dpa

„Seit 2020 haben wir uns nicht so entschulden können, wie wir uns das vorgenommen hatten“, sagte Klein. Aber man habe einen Plan, das zu managen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr habe man die Nettoverschuldung um 400 Millionen Euro reduziert und auf unter zehn Milliarden Euro gedrückt, sagte ZF-Finanzvorstand Michael Frick.

Man gehe den Schuldenabbau „systematisch und prioritär an“. Über zwei Milliarden Euro an Krediten seien abgelöst und refinanziert worden, ergänzte Klein. „Das ist stabil, aber wir brauchen perspektivisch viel zu lange“, sagte er. Deshalb müsse man sparen. Das Ziel sei weiter, bis Ende 2025 die Kosten weltweit um sechs Milliarden Euro zu senken.

Dazu laufen seit 2023 zwei Sparprogramme bei ZF – eines für den PkW- und eines für den Nutzfahrzeugbereich. Details zum Umfang der Programme macht ZF nicht. Klein sagte aber, man habe im Moment ein „starkes Kostenregime“. So spare man beim Materialeinkauf, stelle die Forschungsausgaben auf den Prüfstand und schaue sich die Investitionen genau an.

Verhaltener Ausblick auf 2024

Der Ausblick aufs neue Jahr ist bei ZF verhalten. Klein sprach von einem „wirtschaftlich sehr schwierigen Jahr“. Inflation und geopolitische Spannungen trübten die Perspektiven ein, die Auftragseingänge im Pkw-Geschäft sänken. Das Unternehmen rechnet daher mit einem Umsatz von mehr als 45 Milliarden Euro und einer operativen Umsatzrendite etwa auf Niveau des Vorjahres.