Auf dem Gelände eines stillgelegten Kohlekraftwerks im Saarland hat ein Konsortium aus dem US-Halbleiterhersteller Wolfspeed und den Autozulieferer ZF Friedrichshafen den Startschuss zum Bau der weltweit modernsten Chipfabrik und eines angrenzenden Forschungszentrums gegeben.
Voraussetzung sind allerdings EU-Mittel zur Co-Finanzierung, deren Freigabe erwartet wird, die aktuell aber noch nicht bewilligt sind. Mit der größten Fertigungsstätte für sogenannte Siliziumcarbid-Halbleiter (Sic) weltweit wolle man „hier Geschichte schreiben“, sagte Gregg Lowe, Chef des Hauptinvestors Wolfspeed. ZF-Vorstandschef Holger Klein sagte, mit dem Projekt gehe man einen „strategischen Schritt und werde viele Innovationen voranbringen“.
ZF beteiligt sich mit mehreren Hundert Millionen Euro
Nach Worten von ZF-Elektromobilitätsvorstand Stephan von Schuckmann beteilige sich der Automobilzulieferer vom Bodensee mit einer „Minderheitsbeteiligung an der Fabrik und mit einer Mehrheitsbeteiligung an dem geplanten Forschungs- und Entwicklungszentrum“. Konkret beabsichtigt ZF, den Fabrik-Neubau mit einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag zu finanzieren. Im Gegenzug erhält ZF einen Teil der Fabrik sowie Stammaktien von Wolfspeed.
Arbeit für bis zu Tausend Menschen in neuer Fabrik
Nach Branchenschätzungen wird für das Halbleiterwerk und das Forschungszentrum eine Summe von 2,5 bis drei Milliarden Euro veranschlagt. In solchen Fällen üblich sind öffentliche Zuschüsse von rund 40 Prozent der Investitionssumme, wie aus Branchenkreisen verlautete. Da sich das Projekt in die EU-Strategie zur Ansiedlung von Schlüsseltechnologien in Europa (IPCEI) einfügt, gilt eine Förderzusage als sicher.

Die geplante Chipfabrik, in der an Ende des Jahrzehnts rund 1000 Menschen arbeiten sollen, ist eines von nur einer Handvoll Vorhaben, die in den vergangenen Monaten über das bloße Stadium der Ankündigung herausgekommen sind. Dazu gehören etwa zwei Werke, die Intel für 17 Milliarden Euro nahe Magdeburg errichten will, sowie ein fünf Milliarden teures Chipwerk von Infineon in Dresden. Außerdem baut Bosch seinen Reutlinger Chip-Standort aus.
Wundermaterial Siliziumkarbid
Das Saarland indes hatte zuletzt eher durch die Abwanderung von Industrien von sich Reden gemacht. Zuletzt hatte Ford angekündigt, sein Werk in Saarlouis aufzugeben. Allerdings ist ZF in der Region stark verwurzelt. Der Zulieferer betreibt hier sein weltweit größtes Getriebewerk, in dem rund 9000 Menschen arbeiten und das zu einen Leitzentrum für E-Mobilität ausgebaut werden soll.
Außerdem ist sowohl der zum Jahreswechsel ausgeschiedene ZF-Chef Wolf-Henning Scheider als auch Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Saarland geboren. Beide haben das Projekt in ihrer Amtszeit dem Vernehmen nach unterstützt.
Auf einer zentralen Veranstaltung am Mittwoch in Ensdorf lobten die Anwesenden unter Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die große Geschwindigkeit, mit das Projekt vorangetrieben worden ist. Von der ersten Interessenbekundung für den Standort bis zur förmlichen Besiegelung der Partnerschaft gestern ging es nur 13 Monate. Das sei die neue „Deutschlandgeschwindigkeit“, sagte Habeck und fügte an: „Her mit den Halbleitern.“
Positive Effekte für Friedrichshafen
Wolfspeed ist weltweit führend bei sogenannten Siliziumkarbid-Halbleitern. Diese spielen ihre Stärken bei der Umwandlung von Strom, etwa in Wechselrichtern oder Leistungselektronik-Bauteilen aus, da sie Umwandlungsverluste minimieren. Konkret bedeutet das schnelle Ladezeiten, bei E-Autos, höhere Reichweiten, kleinere Batterien und daher eine bessere Umweltbilanz. Aber auch in Windrädern oder für Solarparks kommt Sic zum Einsatz.
„Wir gestalten hier die Energie- und Mobilitätswende mit“, sagte ZF-Chef Klein. Der Bedarf an Halbleitern allgemein könnte sich Branchenschätzungen zufolge im kommenden Jahrzehnt verdreifachen.
Nach Angaben von ZF sind auch positive Effekte der Milliardeninvestition für den Standort Baden-Württemberg zu erwarten. Ein ZF-Sprecher sagte, das geplante Forschungszentrum in Ensdorf stärke das weltweite Entwicklungs-Netzwerk von ZF, das aus Friedrichshafen heraus geleitet werde. Die Sic-Technologie erweitere das ZF-Engagement um eine „wegweisende Zukunftstechnologie“