Im firmeninternen Intranet von ZF ging die brisante Nachricht fast unter. Auf der zentralen Kommunikationsplattform für Unternehmens-Neuigkeiten, Name: Zoom, hatte der Automobilzulieferer am Dienstag dieser Woche eine Bombe platziert.

Unter der schlichten Überschrift „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit“ fand sich dort – weitab der Top-Nachrichten des Tages – nichts weniger als die Ankündigung des größten Spar- und Effizienzprogramms des Stiftungskonzerns seit Jahren.

Gerade einmal 4000 Mitarbeiter, so sagt es eine Quelle aus dem Unternehmen dem SÜDKURIER, hätten die Nachricht bis Mittwochnachmittag gelesen. 4000 von rund 165 000 Beschäftigten weltweit!

„Ich glaube, dass 2024 ein sehr hartes Jahr wird.“ ZF-Chef Holger Klein stimmt die Belegschaft auf schwierige Monate ein.
„Ich glaube, dass 2024 ein sehr hartes Jahr wird.“ ZF-Chef Holger Klein stimmt die Belegschaft auf schwierige Monate ein. | Bild: Felix Kästle/dpa

Dabei hat die Botschaft Sprengkraft. Innerhalb von zwei Jahren will das Unternehmen „über alle Bereiche und Regionen hinweg“ bis zu sechs Milliarden Euro einsparen.

Damit solle die Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren gestärkt werden, heißt es in dem Dokument, das dieser Zeitung vorliegt. ZF hat die Angaben mittlerweile bestätigt.

ZF-Konzernchef Klein: Nur zwei Jahre Zeit

„Wir haben zwei Jahre Zeit, um unsere Strukturen und Prozesse zu optimieren, und damit unsere Organisation wettbewerbsfähig und bereit für die Transformation zur E-Mobilität zu machen“, sagte Konzernchef Holger Klein laut der Intranet-Veröffentlichung.

Als Maßnahmen werden in dem Schreiben unter anderem eine „Kostenreduktion im Zusammenhang mit schwachen Produktanläufen, Abschlüsse neuer Verträge und Vertragsbedingungen mit unseren Zulieferern, Optimierung der Produktion zur Produktivitätssteigerung, Senkung des durchschnittlichen Stundensatzes in Forschung und Entwicklung sowie die Erzielung von Inflationsausgleichen“ genannt.

Nach Angaben eines ZF-Sprechers soll zudem Material günstiger eingekauft und Investitionen genau geprüft werden.

Stunden zuvor, am Dienstagabend, sagte ZF-Chef Klein vor Journalisten in Stuttgart, der Konzern habe ein „Performance-Programm verabschiedet“. Angaben zum Umfang und Volumen machte er nicht.

Das Paket bestehe aber aus zwei Teilen, einem für den ZF-Automobilbereich und einem für das Geschäftsfeld Nutzfahrzeuge. „Das sichert uns die Ergebnisse für 2024 und 2025 ab“, sagte Klein.

ZF steht vor ähnlichen Problemen wie die gesamte Zulieferbranche. Die Transformation weg vom Verbrennungsmotor und hin zu neuen Antrieben und vernetztem Fahren verschlingt viel Geld.

Gleichzeitig entwickeln sich die verkauften Stückzahlen – insbesondere für E-Mobilitätskomponenten – nicht wie erhofft. Privatleute und Firmenkunden zögern, sich Elektroautos anzuschaffen, etwa weil die Förderung in Deutschland zu Jahresbeginn weggefallen ist oder es an Ladesäulen fehlt.

Dazu kommt, dass die Automobilhersteller dazu übergehen, Fahrzeugkomponenten wieder selbst zu produzieren und Aufträge nicht mehr an Zulieferer zu vergeben, um die Beschäftigung der eigenen Belegschaften zu sichern.

Auch ZF-Konkurrenten kündigen Sparprogramme an

Das alles setzt die Zulieferfirmen unter Druck. Nicht nur ZF, sondern auch Konkurrenten wie Bosch, Conti oder Schaeffler haben in den vergangenen Monaten Stellenstreichungen oder Sparprogramme angekündigt.

Bei ZF kommt hinzu, dass man unter einer hohen Schuldenlast von knapp elf Milliarden Euro ächzt. Zins und Tilgung belasten den Gewinn massiv.

ZF-Chef Klein sagte in Stuttgart, zwar habe man 2023 die prognostizierte Umsatzrendite zwischen 4,7 und 5,2 Prozent und auch die Umsatzziele erreicht. Langfristig braucht das Unternehmen aber sieben Prozent Umsatzrendite (bereinigtes Ebit), um in Zukunftsfelder investieren zu können.

Dazu kommt: Klein rechnet 2024 weltweit mit einem Rückgang der Stückzahlen in der Automobilindustrie. „Ich glaube, dass 2024 ein sehr hartes Jahr wird“, sagte der ZF-Chef. ZF befinde sich „in stürmischer See“.

Daher drückt ZF die Kostenbremse nun voll durch. Bei den jetzt anstehenden Maßnahmen würden alle Stellhebel vom Einkauf über die Produktion bis hin zu Vertrieb und Verwaltung genutzt, sagte der ZF-Chef.

Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von ZF, Achim Dietrich, spricht auf einer Demo gegen Jobabbau.
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von ZF, Achim Dietrich, spricht auf einer Demo gegen Jobabbau. | Bild: ZFBR

Was dies kurzfristig für die Beschäftigten bedeutet, ist noch unklar. Der Betriebsrat wollte sich am Mittwoch nicht zum Sparprogramm äußern. Man benötige Zeit, die Maßnahmen zu bewerten, sagte ein Betriebsrats-Sprecher.

Offenbar haben die nach SÜDKURIER-Informationen von ZF-Top-Führungskräften Ende Januar getroffenen Entscheidungen auch die Beschäftigtenvertreter überrascht.

Zukunft für ZF-Beschäftigte: Werden Jobs gestrichen?

Allerdings ist man beim ZF-Betriebsrat schon seit Wochen in Alarmstimmung. Nach früheren Angaben des Gremiums will der Konzern bis zum Ende des Jahrzehnts die Zahl der Stellen in Deutschland um 12.000 reduzieren – das entspräche knapp einem Viertel der Jobs im Inland.

ZF bestätigt die Zahl nicht. Konzern-Chef Klein hat in den vergangenen Wochen allerdings mehrfach deutlich gemacht, dass die Anzahl der ZF-Beschäftigten in Deutschland bis Ende des Jahrzehnts sinken werde. „Wir suchen nach sozialverträglichen Möglichkeiten“, dies zu erreichen, sagte er hierzu am Dienstagabend.

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Bereits vor Monaten hatte ZF angekündigt, nicht wettbewerbsfähige Standorte, wie in Eitorf und Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen, zu schließen. Hier war es Konzern und Mitarbeitervertretern trotz monatelanger Verhandlungen nicht gelungen, sogenannte Zielbilder zu definieren.

Sie sollen die Zukunftsfähigkeit der Standorte für die kommenden Jahre sichern. Das Problem: Bei den Gesprächen liegt ZF Monate hinter dem Zeitplan zurück. Die „Wirtschaftswoche“ berichtete Ende Januar, dass für nicht einmal die Hälfte der rund 50 deutschen Standorte bislang zukunftssichernde Zielbilder vereinbart worden seien.