Herr Dietrich, ZF ist in schwerem Fahrwasser. Das Unternehmen drücken hohe Schulden, gleichzeitig verschlingt die Transformation weg vom Verbrenner und hin zu E-Mobilität viel Geld. Das Management reagiert mit einer Doppelstrategie aus Sparen und dem Abbau von bis zu 12.000 Stellen sowie dem Verkauf von Geschäftsteilen. Inwieweit gehen Sie da mit?
Das Management steht aus angesprochenen Gründen unter Handlungsdruck, und wo gehandelt wird, läuft es nicht immer ohne Reibungen ab. An so einem Punkt stehen wir bei der ZF jetzt. Und es geht darum, die Probleme anzugehen und gemeinsam zu lösen.
Was heißt das konkret?
Wir tragen die grundsätzliche Strategie zum Umbau der ZF mit, also etwa Verkäufe von definierten Teilbereichen des Konzerns, beispielsweise das Geschäftsfeld für passive Fahrzeugsicherheit. Wir haben auch mehrere Verkäufe, etwa des Bereichs Pkw-Achssysteme, an Foxconn mitgetragen und uns nicht dagegengestellt, als beschlossen wurde, das Geschäft mit autonomen Shuttles auslaufen zu lassen.
Das war bitter, und wir hatten mit jeder Entscheidung verbundene Schmerzen, weil wir uns der Verantwortung für die betroffenen Arbeitnehmer sehr bewusst sind. Wir sehen, dass angesichts unseres Verschuldungsgrads einerseits gespart werden muss. Und auch dass auf der anderen Seite weiterhin Geld in die Kasse muss, was ja zum Glück auch in vielen Segmenten und Standorten funktioniert. Der Konzern signalisiert uns jetzt aber: Das reicht alles nicht und prescht mit Plänen zu einem noch nie gesehen Stellenabbau in Deutschland vor. Da sagen wir stopp!

Aber die finanziellen Herausforderungen von ZF sind doch unbestritten…
Aber die löst man nicht dadurch, dass man Tausende Stellen in Deutschland streicht und so die unbestreitbare Technologiekompetenz von ZF, die das Unternehmen in ganz vielen Feldern hat, schwächt. Wir müssen mit anderen Mitteln die ZF entschulden und zurück in die Erfolgsspur bringen.
Wie denn?
Wir müssen einen Gang hochschalten und die Produktion in den Werken und auch die Produktivität oben halten. Wir müssen voll auf Liefertreue und Qualität setzen und schauen, dass dort, wo es brummt, wirklich alle notwendigen Investitionen gemacht werden. Vor allem müssen wir zusehen, dass die Motivation der Mitarbeiter hoch bleibt, weil das die Grundvoraussetzung für jeden Erfolg ist. Das schafft man aber nicht, wenn man eine permanente Diskussion über den Standort Deutschland und die heimischen Jobs führt. Das bringt Sand ins Getriebe, und das schadet am Ende dem Unternehmen. Der Motor muss laufen, und wir dürfen jetzt keine Fehler machen. Dann hat ZF eine gute Zukunft.
Und die hohen Schulden der ZF?
Unter den alten Vorstandschefs Stefan Sommer und Wolf-Henning Scheider hat ZF Milliarden in die Hand genommen und Unternehmen wie TRW und Wabco gekauft. Ziel war es, vom Verbrenner unabhängiger zu werden und den Kunden nicht nur Teile und Komponenten für Autos und Nutzfahrzeuge anbieten zu können, sondern ganze Systeme zu liefern.
Zum damaligen Zeitpunkt waren das richtige Erwägungen, die wir als Arbeitnehmer auch mitgetragen haben. Aber sie waren sehr teuer und da sie größtenteils kreditfinanziert waren, drücken ZF hohe Verbindlichkeiten – auch weil die Zinsen sich anders entwickelt haben als gedacht. Das ist ein Problem und nimmt ZF jetzt Handlungsspielräume.

Was ist das größte Risiko für die ZF?
Der erhoffte Aufschwung bei der E-Mobilität dauert viel länger als erwartet und damit dauert es auch länger, bis sich die hohen Investitionen in diesen Bereich auszahlen und Gewinne eingefahren werden. Hohe Stückzahlen mit entsprechenden Deckungsbeiträgen in der Elektromobilität unter Vertrag zu bekommen, gestaltet sich schwierig, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einzelnen Werken in eine Unterauslastung hineinkommen.
Das ist übrigens mittlerweile eine Thematik, die auch fast alle unsere Mitbewerber betrifft und die sicher auch mit einer unsteten Förderpolitik hier im Heimatmarkt Deutschland und dem Wegfall der Umweltprämie zum Kauf von E-Autos sowie mit der mangelnden Ladeinfrastuktur zu tun hat.
Wie schnell muss der Umschwung bei ZF gelingen?
Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und dürfen uns keine Fehler mehr leisten. Das ist Pflicht. Andererseits sollten wir uns zu nichts drängen lassen. Wenn ZF-Vorstandschef Holger Klein sagt, dass wir bei ZF keinen Ausverkauf machen, dann sehe ich das genauso. Wir sollten da mit großer Ruhe handeln. Wir haben eine strategische Planung und die muss jetzt durchgezogen werden. Die Beschäftigten brauchen Orientierung und klare Ziele. Weitere Stellenstreichungen, wie sie jetzt vom Unternehmen ins Spiel gebracht werden, gehören da aber sicher nicht dazu.
Sie beklagen seit Langem, dass Jobs zusehends in Best-Cost-Countries verlagert werden. Wird der Druck zunehmen?
Wir diskutieren hier in Deutschland über den Abbau von Tausenden Stellen, gleichzeitig werden Werke in Ost- und Südosteuropa ausgebaut und Leute eingestellt. Das ist nicht die viel zitierte ZF-Kultur, und das trifft auf unseren entschiedenen Widerstand. Der Standort im serbischen Pančevo wird beispielsweise stark ausgebaut. Bis in fünf Jahren sollen dort bis zu 5000 Menschen arbeiten. Auch Teile der Forschung werden dort hinwandern.
Warum ist das Nicht-EU-Ausland so attraktiv?
Das nicht EU-Ausland hat für Investoren den Charme, dass die Staaten ihre Förderpolitiken frei festlegen können und nicht durch Beschlüsse der EU eingeengt werden. Da wird ansiedlungswilligen Firmen der sprichwörtliche rote Teppich ausgerollt. Billige Grundstücke, weniger Auflagen, Ansiedlungssubventionen und Steuernachlässe. In solchen Ländern kämpfen wir nicht mehr nur mit dem Lohnkostenvergleich mit Deutschland, sondern da werden ganze Pakete von diesen Länderregierungen geschnürt, mit denen wir hierzulande dann konkurrieren sollen. So geht das aber nicht.
Marktbeobachter wie der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer schlagen einen Börsengang der gesamten ZF nach dem Vorbild des Volkswagen-Konzerns vor. So würde schnell viel Geld in die Kassen kommen. So sänke auch der Druck beim Thema Stellenabbau. Ist das für Sie denkbar?
Für solche Überlegungen besteht kein Anlass und ehrlich gesagt habe ich auch keinen Bedarf für derartige Scheindiskussionen, die uns nur von den aktuellen Herausforderungen und Aufgaben ablenken. Die heißen nämlich: Volle Leistung bringen, pünktlich liefern, liefern, liefern, damit Geld in die Kassen kommt, Schulden abbauen und sich aufs Kerngeschäft fokussieren. Das würde im Übrigen auch nach einem Börsengang unsere Aufgabe bleiben. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.