Die Krise in der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie schlägt immer deutlicher aufs Portemonnaie von Beschäftigten und Managern von ZF Friedrichshafen durch.

Angesichts einer angespannten Finanzlage und schwächelnder Absatzzahlen sollen Tausende Mitarbeiter und Führungskräfte bei Deutschlands zweitgrößtem Autozulieferer weniger arbeiten oder auf tarifliche Lohnbestandteile verzichten. „ZF ist in Gesprächen mit der Arbeitnehmervertretung, wie Maßnahmen zur kollektiven Arbeitszeitreduzierung umgesetzt werden können“, sagte ein ZF-Sprecher dem SÜDKURIER.

Achim Dietrich ist langjähriger Konzernbetriebsratschef bei ZF. Der Betriebsrat ist beim Thema Personalkosten offen für Kompromisse, ...
Achim Dietrich ist langjähriger Konzernbetriebsratschef bei ZF. Der Betriebsrat ist beim Thema Personalkosten offen für Kompromisse, will aber auch, dass die Zukunftsfähigkeit der ZF nicht leidet. | Bild: Benjamin Schmidt

Dietrich: „Leisten Beitrag, um ZF zu retten“

Konzernbetriebsratschef Achim Dietrich bestätigte Verhandlungen und sagte, man sei bereit, „einen Beitrag zu leisten, um ZF zu retten“. Auf dem Tisch läge der „komplette Tarifbaukasten“. Gleichzeitig kündigte er Widerstand an für den Fall, dass ZF bei den Personalkosten „mit der Heckenschere“ vorgehe.

Die Mitarbeiter seien nur sehr begrenzt bereit, für die Fehler des Managements in der Vergangenheit grade zu stehen.

Insbesondere dürfe, um die aktuell schwierige Lage zu überwinden, nicht nur bei den Personalkosten gekürzt werden. Auch die ZF-Kunden müssten zurückstecken und eine Neuverhandlung von Preisen akzeptieren, sagte er.

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ZF befindet sich wie viele Branchenbetriebe im sechsten Krisenjahr in Folge. 2024 hat das in Friedrichshafen ansässige Unternehmen einen Verlust in Höhe von rund einer Milliarde Euro eingefahren. Allein in Deutschland wurden rund 2400 Vollzeitstellen abgebaut. Von bis zu 14.000 Beschäftigten im Inland will man sich bis 2028 trennen. Allerdings gibt es an vielen Standorten mehrjährige Beschäftigungsgarantien.

Einsparungen bei tariflichen Leistungen

In den Vordergrund rücken daher Maßnahmen, die Arbeitszeit über Not-Klauseln in Tarifverträgen zu senken. Diese können immer dann gezogen werden, wenn es Unternehmen schlecht geht. Kurzarbeit, die zuletzt immer wieder für Teile der Belegschaft in Deutschland temporär angemeldet worden ist, scheint nun nicht mehr das präferierte Instrument zu sein. Für das Unternehmen ist sie vergleichsweise teuer und zudem an konjunkturelle Voraussetzungen geknüpft.

Hat derzeit genug Aufträge für Getriebe. Über Arbeitszeitkürzungen wird hier nicht verhandelt: ZF-Werk in Saarbrücken.
Hat derzeit genug Aufträge für Getriebe. Über Arbeitszeitkürzungen wird hier nicht verhandelt: ZF-Werk in Saarbrücken. | Bild: Oliver Dietze

Tarifliche Stellhebel werden daher wichtiger. Die aktuellen Regeln bei ZF erlauben es, die Arbeitszeiten in wirtschaftlich angespannten Zeiten um bis zu zehn Prozent abzusenken. Im Fokus stehen vor allem Mitarbeiter in Verwaltung, Forschung und Entwicklung.

In Schweinfurt mehrere Tausend Werker in Teilzeit versetzt

Wie hoch die Zahl der Betroffenen ist, ist im Moment unklar. Sicher ist aber, dass Tausende bereits weniger arbeiten oder ihre Arbeitszeit künftig senken sollen. Ein Indiz liefert der ZF-Geschäftsbericht.

So ist die Zahl der Teilzeitbeschäftigten bei ZF bereits 2024 stark angestiegen – und zwar weil Arbeitszeiten verkürzt worden sind. Lag die Zahl der Teilzeit-Werker im Konzern im langjährigen Mittel zwischen gut 5000 und knapp 6000, arbeiteten im vergangenen Jahr rund doppelt so viele – gut 11.300 – in Teilzeit.

E-Absatz stottert

Maßgeblich dafür war die kollektive Absenkung der Arbeitszeit an ZFs Großstandort für Elektromobilität in Schweinfurt. Hier ist die Auftrags-Lage mau, weil das Antriebsgeschäft von ZF besonders heftig unter der Absatzkrise bei E-Fahrzeugen leidet.

Im Dezember 2024 einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hier auf eine Reduktion der Arbeitszeit auf 32,5 Stunden pro Woche für tausende Tarifbeschäftigte. Während der siebenmonatigen Laufzeit der Regelung spart sich das Unternehmen rechnerisch so Kosten von rund 650 Stellen. Zuvor waren bereits befristete Arbeitsverträge nicht mehr verlängert worden. Außerdem erhielten Mitarbeiter die Möglichkeit, in Altersteilzeit zu wechseln.

Die Hauptverwaltung der ZF in Friedrichshafen: Die indirekten Bereiche wie Verwaltung und Entwicklung stehen im Zentrum der aktuellen ...
Die Hauptverwaltung der ZF in Friedrichshafen: Die indirekten Bereiche wie Verwaltung und Entwicklung stehen im Zentrum der aktuellen Sparbemühungen beim Personal. | Bild: Felix Kästle, dpa

Betrieb Z in Friedrichshafen vor Arbeitszeitabsenkung?

Schweinfurt könnte nun als Blaupause für weitere ZF-Werke dienen – auch für den Friedrichshafener Stammsitz des Stiftungsunternehmens. Dort wird für 4200 Beschäftigte in Verwaltung, Forschung und Entwicklung – der sogenannte Betrieb Z – aktuell über die Personalkosten verhandelt. Die Gespräche liefen „konstruktiv“, sagte ein ZF-Sprecher dieser Zeitung.

Die wirtschaftliche Lage verlange konsequentes Sparen in allen Bereich – auch bei den Personalkosten. Neben der Kürzung von Arbeitszeiten steht am Standort Friedrichshafen nach Angaben des Betriebsrats zudem ein Abfindungsprogramm im Raum. Zudem werde über eine Stellenreduktion in Form einer Personaldrehscheibe verhandelt.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg hatten sich erst im Februar auf einen entsprechenden Tarifvertrag geeinigt. Er erlaubt es Firmen, Arbeitskräfte an besser ausgelastete Unternehmen zu verleihen.

40-Stunden-Verträge werden gestutzt

Ein weiteres Instrument, das ZF nutzt, um die Personalkosten zu senken, ist die Herabstufung von Arbeitsverträgen mit 40 auf 35 Wochenstunden. Die Zustimmung des Betriebsrats ist dafür nicht erforderlich. Allein in Friedrichshafen seien rund 900 Verträge umgewandelt worden, sagt Konzernbetriebsratschef Dietrich. Rechnerisch bedeute dies Einsparungen von 240 Stellen.

ZFler demonstrieren bei einer zentralen Solidaritätsveranstaltung in Schweinfurt im Jahr 2022. Die Arbeitszeiten wurden hier Ende ...
ZFler demonstrieren bei einer zentralen Solidaritätsveranstaltung in Schweinfurt im Jahr 2022. Die Arbeitszeiten wurden hier Ende Dezember 2024 kollektiv auf 32,5 Stunden abgesenkt. | Bild: ZF GBR

Von solchen Maßnahmen ausgenommen sind nach Informationen des SÜDKURIER bislang die 5800 Friedrichshafener ZFler im sogenannten Betrieb N. Das sind all jene, die sich um die Nutzfahrzeug-, die Industrietechnik und den Kundendienst bei ZF kümmern. Hier würde nicht verhandelt. Das Geschäft laufe, es fielen Überstunden an und es würden sogar Ferienjobber eingestellt.

T-Zug und Trafobaustein löst Begehrlichkeiten aus

Besonders im Fokus der ZF-Sparbemühungen des Vorstands stehen tarifliche Sonderzahlungen, etwa der sogenannte T-Zug. Er räumt den Mitarbeitern eine Wahlmöglichkeit zwischen mehr Geld oder mehr freien Tagen ein. Bei ZF wurde diese Regelung vor Kurzem auch für außertariflich Beschäftigte geöffnet. Auf breiter Front würden Mitarbeiter aufgefordert, freie Tage zu nehmen, also Geld in Freizeit umzuwandeln, heißt es aus dem Konzern.

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Zudem stellt das Unternehmen das Transformationsgeld infrage. Diese Sonderzahlung existiert seit 2021 und beträgt 18,4 Prozent eines Monatsgehalts. Bei schlechter Gewinnsituation kann ZF sie einseitig kündigen, will nun aber offenbar mit dem Betriebsrat über den sogenannten „Trafobaustein“ verhandeln.

Ein Mitarbeiter montiert im ZF-Werk in Friedrichshafen ein TraXon-Getriebe für LKW. Da die Nutzfahrzeugproduktion gut läuft, steht im ...
Ein Mitarbeiter montiert im ZF-Werk in Friedrichshafen ein TraXon-Getriebe für LKW. Da die Nutzfahrzeugproduktion gut läuft, steht im Betrieb N der ZF das Thema Arbeitszeit grade nicht zur Disposition. | Bild: Felix Kästle, dpa

Für die Arbeitnehmervertreter – Betriebsrat und IG Metall – sind die Themen Arbeitszeiten und Personalkosten heikel. Einerseits sehen sie die finanziell angespannte Lage des Konzerns, den Nettoschulden von rund zehn Milliarden Euro sowie jährliche Zinszahlungen von rund einer halben Milliarde Euro drücken.

Personal bringt schon 180 Millionen Euro Einsparungen

Helene Sommer ist 1. Bevollmächtige IG Metall am Bodensee und ZF-Aufsichtsratmitglied.
Helene Sommer ist 1. Bevollmächtige IG Metall am Bodensee und ZF-Aufsichtsratmitglied. | Bild: Jarausch, Gerald

Andererseits spüren die Beschäftigten die Krise im Geldbeutel. Sie beklagen sich etwa, dass Schichten zusammengestrichen werden und Überstunden wegfallen. Zudem rutschen Teile der ZF immer wieder in Kurzarbeit. Die Marschrichtung bei Betriebsrat und IG Metall lautet indes: Lieber Stunden verlieren als Beschäftigung.

Einbußen müssten aber immer auch zu Beschäftigungssicherung führen, sagt Helene Sommer, erste Bevollmächtigte der IG Metall am Bodensee. Und ZF-Betriebsratschef Dietrich meint, sparen dürfe nicht zum Dauerzustand werden. „Um die Produkte von morgen zu bauen, müssen wir die Dinge auch nach vorne entwickeln“, sagt er.

Auch Außertarifler müssen Einschnitte hinnehmen

Der Sparbeitrag der Beschäftigten sei schon enorm. Dietrich taxiert ihn auf rund 180 Millionen Euro für 2025. Darin enthalten ist neben der Arbeitszeitverkürzung auch der Verzicht auf die Erfolgsbeteiligung von rund 50.000 ZF-Beschäftigten in Deutschland und von Bonuszahlungen für Außertarifler und Manager. Wichtig sei nun, die Motivation hochzuhalten und neue Perspektiven zu schaffen, so der Betriebsratschef.