„Das nun vom US-Präsidenten verkündete Strafzollpaket könnte das Ende des liberalen Handels markieren.“ Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) ist mit so einer düsteren Prognose nicht allein. Am Tag nach dem Frontalangriff von Donald Trump gegen den Welthandel herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Vor allem aus der Automobilindustrie kommen eher karge Kommentare.
„Wir appellieren an alle Beteiligten in der Politik, jetzt schnell zusammenzukommen und Lösungen zu finden, die eine Mehrbelastung der Industrie und der Verbraucher abwenden“, teilt eine Sprecherin von Mahle in Stuttgart mit. Der Zulieferer fertigt in den USA und auch in Mexiko. Bosch und ZF sind ähnlich aufgestellt.
Bosch wird Ära Trump überstehen
„Wir evaluieren derzeit die Auswirkungen der angekündigten Zölle auf unsere globalen und regionalen Geschäftsaktivitäten und fokussieren uns weiterhin darauf, die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen“, teilt eine Sprechirin von Bosch mit.
Der größte Autozulieferer der Welt verweist darauf, dass der Konzern seit 1906 in den USA aktiv ist und derzeit dort 20.000 Mitarbeiter beschäftigt. Will wohl heißen: Bosch wird auch die Ära Trump überstehen. Insgesamt sind die angefragten Zulieferer aber zurückhaltend. Sie warten derzeit auf eine Reaktion ihrer Kunden.
ZF möchte sich aktuell nicht äußern
ZF aus Friedrichshafen will sich zu den aktuellen Ereignissen ebenso wenig äußern wie der Pharma-Mittelständler Vetter aus Ravensburg. Zu volatil, sei die Lage, heißt es auch hier. Bei Deutschlands größtem Importeur von US-Caterpillar Baumaschinen, der Firma Zeppelin aus Friedrichshafen, beziffert man die erwarteten Belastungen im Moment auf „unter zehn Millionen Euro“ pro Jahr beim Gewinn. Unschön, aber bei einem Umsatz von bald fünf Milliarden Euro auch verkraftbar.
Bisher hat nur der Volkswagen-Konzern angekündigt, dass man Lieferungen in die Vereinigten Staaten vorerst stoppen will. Die Wolfsburger fertigen beispielsweise in Mexiko für den US-Markt und verbauen viele Teile von deutschen Zulieferern, die sich in der Nähe mit eigenen Standorten niedergelassen haben.
Niemand weiß, ob die Zölle beibehalten werden
Die kargen Auskünfte der Unternehmen haben Gründe: Zum einen weiß niemand, ob Trump seinen Kurs wirklich beibehält oder die Zölle schnell wieder einkassiert. Es wäre nicht das erste Mal. Zudem loten die Hersteller auch die Folgen für den US-Markt aus.
„Die neuen Zölle werden die automobilen Lieferketten enorm belasten. Mehrkosten werden für gewöhnlich entlang der Lieferkette weitergegeben, was letztendlich zu Verteuerungen für die Verbraucher in den USA führen wird“, heißt es dazu erklärend bei Mahle. Das bedeutet im Klartext: Die Preise für Autos werden in Amerika steigen und niemand kann heute abschätzen, wer sich in den USA noch welches Auto leisten kann oder will.
Zoll-Krieg könnte Rezession auslösen
Allgemein wird damit gerechnet, dass Trump mit seinem Zoll-Krieg im eigenen Land eine Rezession auslösen dürfte. Entsprechend ist mit einem Einbruch der Nachfrage nach Autos, Konsumgütern und Maschinen zu rechnen.
Hinter vorgehaltener Hand bereitet diese Aussicht den Unternehmen im Südwesten wesentlich mehr Sorgen als die Zölle selbst. So erwartet auch der Maschinen- und Anlagenbau einen Einbruch des Geschäfts. Die Branche hat zuletzt Güter im Volumen von acht Milliarden Euro in die USA exportiert.
Trump schadet der eigenen Wirtschaft
„Das ist doppelt so viel, wie noch vor Corona“, betont Dietrich Birk, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes VDMA in Stuttgart. Beim Maschinenbauer Trumpf in Ditzingen bei Stuttgart erwartet man Mehrkosten „in einstelliger Millionenhöhe“ durch Importe aus dem mexikanischen Monterrey in die USA. Welche Auswirkungen aber die Zölle auf den Gesamtmarkt in den Vereinigten Staaten haben werden, könne man heute noch nicht einschätzen.
Die Maschinen- und Anlagenbauer sind ein typisches Beispiel dafür, wie Trump der eigenen Wirtschaft schadet. „Die USA wollen mehr Produktion ins Land holen. Doch das geht kaum ohne den deutschen Maschinenbau“, stellt Birk fest.
Pharmaunternehmen sind noch nicht betroffen
In den USA gäbe es keine vergleichbaren Anbieter und den Wettbewerbern aus China werde in den USA der Marktzugang zunehmend erschwert. Damit kämen die amerikanischen Kunden um die nun 20 Prozent teureren Maschinen aus Deutschland, Japan oder Korea nicht herum.
Gelassen blicken auch die Pharmaunternehmen des Landes in die USA. Sie gehören zu den Wenigen, die – noch – nicht mit Trumps Zöllen traktiert werden. Die stark mittelständisch geprägte Branche hat zuletzt Waren im Wert von 8,7 Milliarden Euro. Somit wird jeder dritte Euro, den die deutschen Pharmaindustrie in den USA umsetzt, von einem Unternehmen aus Baden-Württemberg erwirtschaftet.
Die Drähte glühen weltweit
Wie tiefgreifend Trump mit seinen Zöllen in die weltweiten Verflechtungen eingreift, macht das Beispiel eines schwäbischen Autozulieferers deutlich. „Wir liefen Produkte aus Mexiko in die USA. Dazu kommen die Leiterplatten aus China. Dafür wären dann ab Mai Zölle von 47 Prozent fällig“, beschreibt es ein Sprecher, der dazu sein Unternehmen nicht in der Zeitung lesen will.
Nun glühen also die Drähte zwischen den Firmenzentralen und den Werken in aller Welt. Wobei derzeit niemand mit Sicherheit sagen kann, ob und wie sich die Zölle auf die Produkte tatsächlich auswirken werden.
Wichtigster Absatzmarkt für die deutschen Winzer
Aber nicht nur die wirtschaftlichen Schwergewichte der Republik sind von Trumps Zoll-Hammer getroffen. Auch Spezialitätenhersteller sind in Sorge. Für die deutschen und europäischen Winzer sind die USA der bei weitem wichtigste Absatzmarkt.
Die 20-Prozent-Zölle würden die Branche „hart treffen“, heißt es vom Verband Deutscher Weinexporteure. Betroffen seien auch Betriebe, die eigentlich gar nicht in die USA liefern, sagt etwa Lukas Engelmann, Vertriebs-Experte beim Weingut Aufricht in Stetten bei Meersburg.

„Handelskonflikt nutzt keiner Seite“
Der Zoll werde dazu führen, dass Wein, der eigentlich für die USA bestimmt sei, dort nicht abgesetzt werden könne und in den EU-Markt dränge. Die Folge: Das allgemeine Preisniveau gerate weiter unter Druck. Dennoch seien die allermeisten Winzer in der Bodenseeregion in der privilegierten Situation, auf Exporte nicht angewiesen zu sein. Der Löwen-Anteil des Bodensee-Weins werde vor Ort gekauft oder getrunken, sagt er. „Panik wegen der Zölle“, herrsche hier nicht.
Dennoch: „Ein Handelskonflikt nutzt keiner Seite. Daher sollten die EU und die USA den Dialog fortsetzen und gemeinsame Lösungen finden, die sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern dienen“, betont Björn Twiehaus, Vorstandsvorsitzender des Autozulieferers Marquardt in Rietheim-Weilheim bei Tuttlingen.
„Die Folgen dieses handelspolitischen Amoklaufs werden überall auf der Welt und erst recht im Schwarzwald zu spüren sein“, stellt auch Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands der industriellen Unternehmen in Baden (WVIB) fest.
Trump wird sich selbst schaden
Am stärksten werde „Dealmaker“ Trump aber der eigenen Wirtschaft schaden. „Die EU muss jetzt selbstbewusst reagieren und zugleich eine harte Eskalation verhindern. Brüssel muss verhandeln – sollte aber nicht ohne Drohpotenzial nach Washington fahren“, fordert Münzer.
Diesen Kurs will Brüssel offenbar auch einschlagen: „Wir finalisieren bereits das erste Maßnahmenpaket als Reaktion auf die Stahlzölle und bereiten nun weitere Maßnahmen vor, um unsere Interessen und Unternehmen zu schützen, falls die Verhandlungen scheitern“, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) in einer ersten Reaktion. Es sei noch nicht zu spät für Verhandlungen.
Autokonzerne haben Zölle schon eingepreist
Die zurückhaltende Reaktion in vielen Unternehmen haben offenbar diese möglichen Verhandlungen im Blick. In den Autokonzernen glaubt man das Ergebnis schon zu kennen. Sie haben die Belastungen durch Zölle bereits eingepreist.
So sprach Mercedes-Finanzchef Harald Wilhelm bereits vor einigen Wochen von Abgaben um zehn Prozent. Aus den anderen Konzernen waren ähnliche Marken zu hören. Man geht offenbar davon aus, dass sich die Politik langfristig auf diesen Zolltarif einigt. Der entspricht der Abgabe für importierte Autos aus den USA. Das sind unter anderem Geländewagen von BMW und Mercedes – die Hauptexporteure amerikanischer Autos.
USA sind bei Export ein Schwergewicht
Das Wirtschaftsministerium in Stuttgart beziffert das Handelsvolumen des Südwestens mit den USA auf 36,4 Milliarden Euro. Mit einem Anteil von 14,5 Prozent an den Exporten des Landes sind die USA ein Schwergewicht.
Im baden-württembergischen Mittelstand erwartet laut Verband WVIB gut jedes dritte Unternehmen Umsatzeinbußen als Folge der Zölle. Zugleich rechnen 23 Prozent damit, höhere Preise durchsetzen zu können und 15 Prozent geben an, nur indirekt von den Zöllen betroffen zu sein, da ihre Produkte erst über eine längere Zuliefererkette in die USA gelangen.
Kaum einer will seinen Produktionsstandort verlagern
Nur drei Prozent der Befragten geben an, dass sie durch ihre Produktionsstandorte in den USA überhaupt nicht betroffen sind. Doch Trumps Zölle sind für die wenigsten ein Grund, eine Produktion zu verlagern. Nur 19 Prozent der Befragten geben an, langfristig dort die Fertigung weiter ausbauen oder neu aufbauen zu wollen. Weitere elf Prozent erwägen den Kauf eines Unternehmens in den USA.
Das hat ganz praktische Gründe. In der Autoindustrie dauert der Aufbau einer Fertigung zwischen zwei und fünf Jahren. In der Pharmabranche rechnet man nach Auskunft eines Sprechers sogar mit bis zu sieben Jahren, weil die Zulassungsmodalitäten so komplex sind. Bis dahin könnte Donald Trump bereits nur noch ein dunkler Fleck im Geschichtsbuch sein.