Tag 1 nach dem Vorstands-Beben bei ZF. Der Friedrichshafener Zulieferer steckt seit langem in einer schweren Krise, trotzdem kam die Entscheidung überraschend: Konzernchef Holger Klein wird das Unternehmen Ende September verlassen, mit ihm geht Nutzfahrzeugvorstand Peter Laier, von manchen als Nachfolger von Klein gehandelt. Die Unternehmensführung soll der bisherige Spartenchef für E-Mobilität, Mathias Miedreich, übernehmen. Ein Zeichen für die zukünftige Ausrichtung des Stiftungskonzerns?

Vorstandschef Holger Klein verlässt Ende September ZF.
Vorstandschef Holger Klein verlässt Ende September ZF. | Bild: Felix Kästle

Kleins Entscheidungsschwäche Grund für Wechsel

Automobilexperte Stefan Reindl sieht das so. Der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen ist sich sicher: „Diese Entscheidung ist ein deutliches Signal der Stärke in Richtung der Elektromobilität.“ Voraussichtlich ist ein Fortbestand der Antriebssparte, deren Vorstand Miedreich bisher war, aber nur mit einem Partner und damit einer Ausgliederung möglich. Gegen diesen möglichen Schritt demonstrierten Ende Juli tausende ZF-Mitarbeiter vor der Konzernzentrale in Friedrichshafen und an weiteren ZF-Standorten.

Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen.
Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. | Bild: Deutsche Automobil Treuhand (DAT)

Ob die Ausgliederung kommt oder nicht – es brauche jetzt Entscheidungen, selbst wenn diese sich dann im Nachhinein als falsch herausstellen, sagt Reindl. „Irgendwann wollte der Aufsichtsrat wohl nicht mehr zuschauen. Bei der strategischen Neuausrichtung verlief alles sehr träge, das dürfte zu internem Streit geführt haben“, so der Autoexperte. ZF müsse jetzt aus dem Schwebezustand hinauskommen und die Blockaden lösen.

Die Einschätzungen Reindls decken sich mit Informationen des SÜDKURIER, wonach die Eigentümervertreter, allen voran Friedrichhafens OB Simon Blümcke als Vertreter der Zeppelin-Stiftung der Stadt, im Aufsichtsrat mit der Arbeit Kleins unzufrieden gewesen sein sollen.

Grundlegende Probleme wurden nicht angepackt

Die Restrukturierung der Antriebssparte, eine Einigung mit Betriebsrat und Arbeitnehmern über den zukünftigen Kurs der ZF – diese grundlegenden Probleme nicht richtig angepackt zu haben, sei Vorstandschef Holger Klein letztendlich zum Verhängnis geworden, erklärt Stefan Reindl.

Mit Stefan Bratzel sieht ein weiterer Automobilexperte die Gründe für den Vorstandswechsel ähnlich verortet. Eine nicht gelungene Transformation bei hoher Schuldenlast und zu behäbiges Agieren, um die dringend notwendige Sanierung des Unternehmens voranzutreiben, hätten zur Zuspitzung der Situation und letztendlich auch zum Wechsel der Führungsspitze geführt, so der Gründer und Direktor des Forschungsinstituts Center of Automotive Management.

Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.
Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. | Bild: Frank Rumpenhorst

„Es braucht jetzt klare strategische Schritte, um ZF wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bekommen. Diese Schritte können auch wehtun – aber es ist notwendig, jetzt zu handeln“, sagt Bratzel.

Stimmung in der Branche „überraschend positiv“

Dass mit Mathias Miedreich ein vergleichsweise unbekanntes Gesicht in Zukunft die Geschicke des Konzerns leitet, sieht Bratzel als Chance an – auch um das schwierige Verhältnis zwischen Konzernführung und Belegschaft zu bessern. Dass Vorstandschef Holger Klein den Rückhalt der Mitarbeiter verloren hatte, war auf den jüngsten Demonstrationen gegen die Sparmaßnahmen des Unternehmens deutlich zu sehen gewesen.

Matthias Miedreich, zuvor Spartenchef für E-Mobilität, wird neuer Vorstandschef.
Matthias Miedreich, zuvor Spartenchef für E-Mobilität, wird neuer Vorstandschef. | Bild: Felix Kästle

Miedreich sei aber nicht der einzige, der nun liefern müsse, erklärt Bratzel: „Der Aufsichtsrat muss in nächster Zeit sehr professionell agieren und die neue Markt- und Wettbewerbssituation im Griff haben. Da ist die vergangenen Jahre nämlich auch nicht alles super gelaufen.“

Ein Hoffnungsschimmer: Die Stimmung in der krisengebeutelten Zuliefererbranche nimmt Stefan Reindl auf der zurzeit stattfindenden Automesse IAA in München als „überraschend positiv wahr“. „Man hat sich scheinbar gefunden zwischen Herstellern und Zulieferern. Der Tenor ist, unsere Technologien sind wieder wettbewerbsfähig“, sagt Reindl. Damit sich auch in Friedrichshafen bei ZF die Stimmung wieder etwas aufhellt, brauche es jetzt klare und schnelle Entscheidungen, wohin der Weg des Zulieferers in Zukunft gehen sollen.