Es ist nicht besonders höflich, einer Königin der Lüfte den Namen eines Elefanten zu geben. Aber es war nicht irgendein Elefant, der für das neue Flugzeug des US-Herstellers Boeing Pate stand, sondern der legendäre "Jumbo", der zunächst die Briten und später die New Yorker durch seine Größe so beeindruckte, dass ihn sein Besitzer, der US-Zirkusbesitzer Phileas Taylor Barnum, präparieren ließ, nachdem Jumbo 1885 bei einem Zusammenstoß mit einer Lokomotive ums Leben gekommen war.
84 Jahre später empfanden die Zeitgenossen den neue Boeing-Vogel mit der Typ-Bezeichnung 747 als so gigantisch, dass sich der Spitzname „Jumbo“ schnell durchsetzte. Er war wie eine Liebeserklärung. Für Riesen am Himmel hatten die Amerikaner immer eine Vorliebe. Das erlebte die Besatzung des zwölfmotorigen Luxus-Flugboots Dornier Do X, das – am Bodensee gebaut – im August 1931 unter großem Jubel in New York empfangen wurde; und das erlebten die Männer, die mit den Zeppelinen LZ 127 und LZ 129 über den Atlantik fuhren und in New York von Schiffssirenen und Begeisterung empfangen wurden.

Eine Stunde über Seattle
Am 9. Februar 1969 schlug nun Amerika ein neues Kapitel der Luftfahrt auf. Der Düsenjet mit seinen vier Turbinen hob vom Boeing-Werksgelände an der US-Westküste erstmals ab. Eine Stunde kreiste er über Seattle. Es folgten mehr als drei Jahrzehnte, in denen das Flugzeug mit dem charakteristischen Rumpfbuckel die Fliegerei zwischen den Kontinenten beherrschte. Auch der Aufstieg der Lufthansa, die gerade 100 Jahre Passagierverkehr in Deutschland feiert, ist mit dem Jumbo eng verbunden.

Die Lufthansa war die erste nicht-amerikanische Fluglinie, die den Jumbo einsetzte. Am 26. April 1970 war es soweit: Eine 747 mit dem Kranich am Heck startete in Frankfurt zum ersten Linienflug nach New York. Zwei Wochen später wurde auch Chicago angeflogen.

Bei den Piloten ist der Riese beliebt. „Es ist das schönste Flugzeug der Welt, das sagen wir eigentlich alle“, sagt die Lufthansa-Kapitänin Barbara Kuhlenkamp, die mehr als 5000 Flugstunden in der Boeing verbracht hat. Wenn man den Jumbo mit seinem noch größeren Konkurrenten, dem Airbus A380, vergleicht, muss man Kuhlenkamp Recht geben. Der Airbus wirkt gegenüber der zwar großen aber optisch schlanken Boeing wie eine fette Mastgans. Der Jumbo dagegen ist zeitlos schön. „Die 747 ist vor 50 Jahren konstruiert worden, und die wesentlichen Merkmale sind immer noch vorhanden. Das ist alles drei- und vierfach sicher ausgelegt, so dass man fliegen kann wie in Mutters Schoß.“
In nur vier Jahren zur Premiere
Dem 747-Gründungsmythos zufolge dauerte die Entwicklung des gigantischen Flugzeugs vom ersten Entwurf bis zum Erstflug nur knapp vier Jahre, die Hälfte der eigentlich notwendigen Zeit. Der damalige Panam-Chef Juan Trippe hatte den US-Konzern gedrängt, ein Langstreckenflugzeug zu bauen, das mehr als doppelt so groß sein sollte wie die bis dahin eingesetzte vierstrahlige Boeing 707. Beteiligt waren rund 50 000 Mitarbeiter, die später als „Die Unglaublichen“ bejubelt wurden. Zum Bau des revolutionären Flugzeugs wurde parallel die damals größte Fabrikhalle der Welt errichtet.
Der leitende Luftfahrtingenieur Joe Sutter hatte den Erstflug vom Boden aus verfolgt und sich in seinen Memoiren so an die Landung erinnert: „Dieser Moment war der größte Nervenkitzel an diesem Tag. Alle meine Sorgen lösten sich auf, und ich wusste, wir hatten ein gutes Flugzeug.“ Als besonders heikel hatte sich die Konstruktion der gigantischen Flügel mit einer Spannweite von fast 60 Metern erwiesen, und auch die Triebwerke schienen anfangs reichlich schwach, um ein Startgewicht von mehr als 330 Tonnen in die Luft zu heben. Sutter meisterte die Herausforderungen und starb 2016 als viel gefeierter Nationalheld im Alter von 95 Jahren.
Die Ticketpreise purzeln
Je nach Bestuhlung konnte bereits die erste 747-100 zwischen 366 und 550 Passagiere befördern, später gab es sogar Versionen mit bis zu 660 Plätzen. Zum Vergleich: Die Boeing 707, die noch für das aristokratische Fliegen stand, bot zuvor nur für rund 150 Gäste Platz. Obwohl anfangs nur wenige Flughäfen überhaupt in der Lage waren, derart große Passagiergruppen gleichzeitig abzufertigen, setzte sich der Großraumjet schnell durch. Kaum eine Fluggesellschaft mochte auf den Jumbo verzichten, der weit niedrigere Ticketpreise ermöglichte als zuvor. Auch Lufthansa baute in Frankfurt eine gigantische Wartungshalle, orderte neue Fluggastbrücken und Versorgungsfahrzeuge für den Giganten.

Neben viel Glamour ist der Jumbo auch mit einigen der schwersten Flugzeugunfälle und Terrorakte gegen den Luftverkehr verbunden. Die ersten 59 Todesopfer waren im November 1974 in Nairobi zu beklagen, als die Lufthansa D-ABYB mit dem Namen „Hessen“ kurz nach dem Start wegen nicht ausgefahrener Auftriebhilfen abstürzte. 1977 stießen auf dem Flughafen von Teneriffa zwei Jumbosder KLM und der Panam zusammen, was 583 Menschen das Leben kostete. Ebenfalls ein Jumbo der Panam wurde am 21. Dezember 1988 von einem Terroranschlag getroffen, der vermutlich von der damaligen libyschen Regierung unter Muammar al-Gaddaffi befohlen wurde. Der von einer über Frankfurt an Bord gebrachten Bombe verursachten Explosion fielen 270 Menschen zu Opfer, elf davon am Boden im schottischen Lockerbie.
Ein Ende als Frachtflieger?
Die Lufthansa gehörte zu den ersten und wohl auch letzten Jumbo-Käufern. Sie hat derzeit noch 32 Maschinen in der Flotte, mit denen sie zu 23 Zielen fliegt. 81 Königinnen hat die Kranich-Airline von Boeing insgesamt abgenommen, darunter seit 2012 auch 19 verlängerte 747-8, die wohl letzte Ausführung des legendären Fluggeräts. Boeing verkauft das vierstrahlige und damit spritschluckende Flugzeug praktisch nur noch in der Frachtversion. 2018 gab es noch ganze 18 Neubestellungen, in den Büchern stehen nur 24 nicht abgearbeitete Aufträge.

Wie der Airbus A380 entspricht die 747 nicht mehr den ökonomischen Anforderungen der Fluggesellschaften. Die setzen auf den Langstrecken lieber Zweistrahler wie die A350 oder die Boeing-Modelle 777 und 787 ein. Boeing fliegt aber auch ohne den Riesen Rekordgewinne ein. Zu den 1548 ausgelieferten 747-Maschinen werden wohl nur noch wenige dazukommen, wenngleich Präsident Donald Trump auch die nächste Präsidentenmaschine „Air Force One“ auf der Basis der 747 bestellt hat. Er ist nicht der Einzige: Auch der japanische Kaiser und der Sultan von Brunei schätzen den Jumbo als fliegenden Regierungssitz.