Was haben Sie heute zu Mittag gegessen?
Zugmantel: Bratwürste Nürnberger Art, dazu Kartoffeln, Gemüse und Salat.
Degen: Linsen und Feldsalat aus eigenem Anbau sowie Kartoffeln.
In der Vorbereitung für dieses Treffen, Herr Degen, habe ich gelesen, dass Sie früher Fleisch gegessen haben.
Degen: Ja, 27 Jahre lang war ich Fleischesser, seit 37 Jahren lebe ich vegan, also ohne Tierprodukte. Ich fühle mich wohl. Denn ich will so leben, dass wegen mir kein Tier sterben muss. Ich lebe aus ethischer Haltung heraus grundsätzlich gewaltfrei.
Herr Zugmantel, würden Sie es als gewalttätig bezeichnen, wenn Sie als Fleischer Tiere töten?
Zugmantel: Nein, ich habe den Beruf von meinem Vater übernommen, schon als Kind bin ich mitgefahren, als wir aus der Region die Tiere holten und sie geschlachtet haben. Wir haben aus diesen Rohstoffen unsere Produkte hergestellt und so habe ich einen regionalen Kreislauf kennengelernt. Ich führe keinen Krieg mit Tieren. Natürlich mag ich die Tiere. Wir haben aber ein anderes Verhältnis zu ihnen.
Herr Zugmantel spricht von Rohstoffen. Ist das ein Wort, das Sie in diesem Zusammenhang auch verwenden würden, Herr Degen?
Degen: Nein, ich sehe Tiere als mitfühlende Lebewesen, die ein Recht haben auf Leben, die Freude empfinden können, Trauer, Schmerz. Ein Großteil der Tiere, die Sie weiterverarbeiten, wird nur zu diesem Zweck gezüchtet.
An dieser Stelle muss man einfügen, dass Herr Zugmantel sich für regionale Strukturen und Vermarktung einsetzt, er den Schlachthof Überlingen mit aufgebaut hat und den Tieren lange Transportwege erspart. Woraus ziehen Sie Ihre Motivation?
Zugmantel: Durch regionale Kreisläufe kann man den CO-Ausstoß verringern, ich kann die Kulturlandschaft erhalten. Ich will die Tiere vor langen Transporten bewahren und möchte Einfluss haben auf die Zucht- und die Schlachtgegebenheiten. Das kann ich mit dem regionalen Schlachthof und mit dem Einkauf direkt bei den Bauern verwirklichen. Außerdem muss man erkennen, dass es Milch und Milchprodukte nur gibt, wenn Kälber auf die Welt kommen.
Degen: Ich glaube, da wird sehr viel verdrängt. Es geht um das Tiere-Essen. Wenn ich von „Fleisch“ rede, ist das eine Vernebelungstaktik. Sie als Metzger zerlegen das Tier, so dass es nachher unkenntlich wird.
Herr Zugmantel, stellen Sie einen Trend fest, wonach die Menschen bevorzugt die Fleischprodukte kaufen, die nicht mehr als Tier erkennbar sind?
Zugmantel: Ich habe keine Vernebelungstaktik oder biete irgendwelche Wischiwaschi-Produkte an. Nein, ich bereite das Fleisch so zu, dass es ein schmackhaftes Essen ergibt.
Degen: Dass durch Ihre Arbeit Massenschlachtungen vermieden werden, ist ja positiv anzuerkennen. Aber letztlich geht es immer um den Prozess des Tiere-Tötens, damit Menschen zu ihrem Gaumenkitzel kommen. Wenn man bedenkt, dass man sieben Kilogramm Getreide braucht, um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen, ist das eine enorme Verschwendung.
Zugmantel: Ich bin dafür, dass man bewusster Fleisch ist, dass man sagt, wenn ich Fleisch esse, dann mit regionaler Herkunft. Gegen die extreme Massentierhaltung bin ich auch.
Herr Zugmantel, Sie erwähnten, dass es ohne Kälbchen keine Milch gibt. Glauben Sie, dass das Kälbchen, weil es geschlachtet wird, lieber nicht gelebt hätte?
Zugmantel: Das ist schwierig zu beurteilen, ob das Tier entsprechend empfinden kann. Ich bin der Meinung, dass dem Tier, solange es lebt, ein Umfeld geschaffen werden muss, in dem es sich wohl fühlt. Deswegen bin ich für kleinstrukturierte Betriebe.
Degen: Ich finde es interessant, dass Herr Zugmantel von sich aus erwähnt, dass die Kälbchen nur für die Milchproduktion gezüchtet werden. Viele wissen nämlich nicht, dass jede Kuh einmal jährlich befruchtet werden muss, wenn sie Milch geben soll, wodurch ein Rinder- oder Kälberüberfluss entsteht. Ich sage ganz bewusst: An der Milch klebt Blut.
Aus solchen Sätzen, meine ich herauszuhören, dass Sie gerne missionieren möchten. Oder täusche ich mich?
Degen: Ich bin seit 38 Jahren Veganer. Ich war bei mehreren Welt-Vegetarier-Kongressen, europäischen Kongressen oder auch deutschen Treffen ähnlicher Art. Ich sehe diese Aufgabe als Aufklärungsarbeit.
Herr Zugmantel, welche Folgen hätte es, wenn man die Tierzucht abschafft?
Zugmantel: Wenn nur noch Produkte aus Getreide und Gemüse produziert werden, ginge ein sehr hoher Genusswert verloren. Außerdem bin ich nicht der Meinung, dass man alle Flächen, die jetzt für die Futtermittelproduktion genutzt werden, anderweitig nutzen könnte.
Degen: Man könnte Flachs, Hanf oder Raps anbauen, Produkte, die vielfältig Verwendung finden.
Herr Degen, einen knusprigen Sonntagsbraten kann man nicht so einfach ersetzen. Oder welche Alternativen kennen Sie?
Degen: Es gibt Hunderte von vegetarischen oder veganen Kochbüchern, die eine große Vielfalt von leckeren Speisen anbieten. Ich vermisse nichts. Es ist nachgewiesen, dass eine pflanzliche Ernährung nicht nur ausreichend ist, sondern auch wesentlich gesünder als der übermäßige Fleischkonsum.
Zugmantel: Fleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung, Fleisch bietet von der biologischen Wertigkeit her, gerade in den Mineralstoffen, mehr als die pflanzlichen Produkte. Vor allem in der Eisen-, Zink -und Selenversorgung kann es zu Problemen kommen, wenn man sich vegetarisch ernährt.
Degen: Viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs kämen nicht vor, wenn sich die Menschen vegan ernähren würden.
Zugmantel: Dem möchte ich entschieden widersprechen. Der Vorsitzende der Europäischen Gesellschaft für Krebsprävention sagt, wer reichlich Obst und Gemüse ist, braucht sich bei Fleisch nicht zurückzuhalten.
Herr Degen, glauben Sie, dass Veganer die besseren Menschen sind?
Degen: Die Erde ist aus meiner Sicht – nehmen Sie es mir nicht übel – ein Schlachthaus, weil täglich so viel Blut fließt. Und ohne Frieden zwischen Mensch und Tier wird es keinen wirklichen Frieden auf dieser Erde geben.
Zugmantel: Seit mehr als zwei Millionen Jahren ist Fleisch eines unserer Hauptnahrungsmittel. Hätte es sich so lange gehalten, wenn es so schlecht wäre?
Degen: Es gibt Hinweise, dass Menschen, die sich wirklich konsequent pflanzlich ernähren, weniger gewaltbereit sind. Die Hemmschwelle zum Töten von Menschen wird heruntergesetzt, wenn man ein Tier tötet.
Vermutlich werden Sie das nicht stehen lassen können, Herr Zugmantel?
Zugmantel: Na ja, wenn ich Tagesschau sehe, stelle ich fest, dass gerade in Ländern, in denen wenig Fleisch gegessen wird, sich die Leute die Köpfe einschlagen. Da sehe ich absolut keinen Zusammenhang, dass Vegetarier oder Veganer friedliebender seien. Bei aller Liebe!
Herr Degen, würden Sie kleinen Kindern, die gerne Schnitzel mögen, knallhart sagen, was da auf dem Teller liegt?
Degen: Ich habe drei Kinder, darunter einen Sohn, der isst noch ab und zu Fleisch. Es macht keinen Sinn, beim Essen davon zu sprechen, man muss es im Vorfeld tun.
Zugmantel: Ich habe auch drei Kinder, natürlich wird bei uns niemand gezwungen, Fleisch zu essen. Meine Tochter hat es eine Zeit lang auch nicht getan. Jeder Mensch muss nach seiner Fasson glücklich werden.