Die Landwirtschaft von Wilfried und Petra Jerg ist schnell erzählt: 156 Obstbäume, 12 Kühe, zwei Schweine fürs Eingemachte. Das ist die kleine große Welt in Katzensteig, einem Weiler mit zwei Dutzend Häusern im Hinterland des Bodenseekreises. Der 53-Jährige ist stolz auf den alten Hof mit den riesigen Dächern, seine Geräte, die neue Halle. Er hält die Fahne hoch.

Er würde nie etwas anderes machen: Wilfried Jerg.
Er würde nie etwas anderes machen: Wilfried Jerg. | Bild: Fricker, Ulrich

Den Besucher führt er durch Hof und Stall. Auf der verschneiten Wiese bleibt er stehen und zeigt übers Land. . „Das ist mein Kraftort,“ sagt Jerg. Im Winter ruht die Arbeit draußen, die Bäume auf der Streuobstwiese sind eingeschneit. Nur die Schuhe knirschen im Schnee, eine schwarze Katze spielt um die Füße.

Das Gespräch erschöpft sich nicht in Betrachtungen über den schönen Linzgau. Jerg hat ein ehrgeiziges Ziel, für das er selbstbewusst eintritt: Er will die Landwirtschaft im Südwesten erhalten. Wo er sich umsieht, hören Bauern auf. Selbst in Katzensteig hat er nur noch einen Kollegen.

Vor der Arbeit geht er in den Stall

Jerg macht das im Nebenerwerb. Sein Brotberuf ist die Volksbank in Heiligenberg, dort betreut er die Ein-Mann-Filiale im Ort. Bevor er zur Arbeit geht, knipst er im Stall dass Licht an. Vor dem Frühstück werden zwölf Kühe gemolken. 43 Cent gibt es auf den Liter. Seinen Hof betreibt er in der Freizeit und im Urlaub. Alle drei Kinder helfen mit, wenn sie zuhause sind. „Sie machen das gerne,“ sagt er schmunzelnd, und sie wissen, wo anpacken.

1999 baute Wilfried Jerg einen neuen Schuppen.
1999 baute Wilfried Jerg einen neuen Schuppen. | Bild: Fricker, Ulrich

Der Mann klagt nicht. Er macht das aus Leidenschaft. Sein Vater hat ihm den Hof nicht übergeben, dass er Ferienwohnungen draus macht. Die nächste Generation zieht den Karren weiter. Eines Tages will er das Gehöft seinem Sohn geben, der Ingenieur hat großes Interesse. Jerg zeigt auf einen Traktor aus dem letzten Jahrhundert. „Den hat mein Vater gekauft, weil er wusste, dass ich weitermache.“ Das war 1986. Das Gerät schleppt noch immer tadellos. Verglichen zu modernen Zugfahrzeugen wirkt der Traktor zierlich.

Fleisch von der Stange? Gibt es nicht bei uns , sagt Jerg

Dann wird es grundsätzlich. Das Anwesen Katzensteig betreibt Familie Jerg nebenbei. Sie könnten davon nicht leben. Landwirtschaft in entlegenen Lagen ist nicht mehr rentabel, weil die Preise nicht stimmen. Diese werden zwischen Agro-Unternehmen und Handelsketten ausgemacht. Diese legen auch die Standards fest. Das Schwein darf nicht zu schwer und nicht zu leicht sein. „Man kann es nur verkaufen, wenn alles stimmt“, sagt er. Ein Tier nach Maß und Linie, Fleisch von der Stange. Solche Tiere hatte er nie im Stall stehen.

Tierparadies: Eine der vier Katzen der Familie Jerg.
Tierparadies: Eine der vier Katzen der Familie Jerg. | Bild: Fricker, Ulrich

Er fordert mehr Regionales. Dass Fleisch aus Argentinien eingeflogen wird, sei ein Hohn. „Welche Landwirtschaft wollen wir?“, fragt er. Für ihn ist es klar, dass die beste Nahrung vor dem Haus wächst. Jerg macht Discountern und Fleischfabriken nicht einmal den Vorwurf. Der Verbraucher hat es in der Hand, niemand sonst, denn: „Die meisten Leute kaufen im Supermarkt möglichst billig ein.“

Man sollte den Kleinen helfen

Seine Konsequenz ist klar: Die Politik muss den Kleinen im Land unter die Arme greifen. Er schlägt einen Strukturausgleich für Betriebe vor, die durch ihre Lage benachteiligt sind. Das gilt für Landwirte genauso wie für die Dorfbäckerei, den Metzger, den Tante-Emma-Laden. Der Strukturpfennig würde diesen unscheinbaren Betrieben zugute kommen, weil sie etwas auf die Beine stellen, was der Riesenmarkt auf der grünen Wiesen nicht kann: Sie bringen neben ihrem Produkt noch eine Leistung für die Gesellschaft, sagt Jerg. Der Hof im Schwarzwald prägt die Landschaft, der Brezelverkäufer im Ort sorgt für Gemeinschaft, die Wirtschaft ist ein Ort der Geselligkeit. Sie sorgen alle für das gewisse Plus im Dorf.

Kleine Landwirte sollten mehr Unterstützung erhalten, sagt Wilfried Jerg. Der Landwirt aus Katzensteig (Gemeinde Heiligenberg, ...
Kleine Landwirte sollten mehr Unterstützung erhalten, sagt Wilfried Jerg. Der Landwirt aus Katzensteig (Gemeinde Heiligenberg, Bodenseekreis) steht vor einem der Bäume seiner Streuobstwiese. | Bild: Fricker, Ulrich

Das gilt auch für Katzensteig. Der Landwirt hält die Landschaft offen. Wilfried Jerg zeigt auf seine Streuobstwiese. Wenn er Bäume schneidet, pflegt er das Land. Er verhindert das Wachsen des Waldes. „Ich verzichte auf Pflanzenschutz“, sagt er. Das Obst kann er nicht verkaufen, also mostet er und brennt Obstler daraus. Wir stehen wieder auf der Wiese, er schwärmt und hofft: Das in 30 Jahren auch seine Kinder an dieser Stelle stehen werden und dasselbe sagen.