Es ist noch dunkel im Schwarzwald. Und trotzdem ist an diesem Julitag des vergangenen Jahres auf der Autobahn 81 mehr los als sonst. Die Feuerwehr ist mit einem Großaufgebot angerückt und versucht einen Brand zu löschen. Ein Lastwagen kam kurz zuvor von der Autobahn ab, krachte in eine Böschung in der Nähe der Anschlussstelle Villinigen-Schwenningen und geht in Flammen auf.
Die Einsatzkräfte können den Fahrer noch lebend retten – trotzdem stirbt er kurze Zeit später am Unfallort. Ein Schaulustiger filmt das Schreckensszenario und wird kurze Zeit später einen Screenshot seines Videos in sozialen Medien verbreiten. Er kommentiert: „Habs von der Gegenfahrbahn gesehen... ... Tragischer Scheiß.“
Die Polizei nimmt Ermittlungen gegen den Mann auf, wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, wie es in der Juristensprache heißt. Im Klartext: Wegen Gaffens. Doch jetzt wurde das Verfahren eingestellt. Der Grund: Auf dem Bild sind nur der Brand und Schäden am LKW zu sehen, nicht aber die Person. Und nur das Filmen vom verunglückten Menschen ist strafbar.
Zudem: „Das Video selbst lag nicht vor“, so Staatsanwalt Johannes-Georg Roth auf Nachfrage. Man habe nur den Screenshot bewertet. Außerdem hatte der Mann wohl keine Rettungskräfte behindert, was ebenfalls strafbar gewesen wäre.
Vielleicht ist in dem Video, das nicht an die Öffentlichkeit kam, der tote Fahrer des Lastwagens zu sehen. Doch selbst das hätte nichts geändert. Wer glaubt, dass der Gaffer verurteilt worden wäre, wenn er ein Video mit toten Menschen gedreht hätte, irrt sich.
Fatale Lücke im Gesetz
Denn nach heutiger Gesetzeslage macht man sich dadurch nicht strafbar. Das Gesetz stellt nur das Fotografieren und Filmen unter Strafe, „die die Hilflosigkeit einer Person zur Schau stellt“, zitiert Staatsanwalt Roth das Gesetz. Doch das gilt nur für lebende Menschen, Tote seien von dieser Formulierung ausgenommen. Unerheblich ist dagegen, ob man Gaffer-Aufnahmen ins Internet stellt, teilt, oder nur für sich selbst anfertigt.
Bundesregierung will Gesetz bald anpassen
Die Gesetzeslücke zum Filmen und Fotografieren toter Unfallopfer will die Bundesregierung schließen. Das Kabinett beschloss dafür einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechts bei Bildaufnahmen. Den Gesetzesplänen zufolge kann es künftig mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden, wenn jemand „eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt“.
„Den Angehörigen müssen wir das zusätzliche Leid ersparen, dass Bilder ihrer verstorbenen Eltern oder Kinder auch noch verbreitet werden“, erklärte dazu Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. „Für Menschen, die in einem solchen Moment nichts anderes im Sinn haben als Fotos zu schießen, fehlt mir jedes Verständnis“, fügte sie hinzu. Überdies behinderten Gaffer häufig „die Rettungskräfte, die alles tun, um Leben zu retten“.