Auf der Höri, einer Halbinsel im Bodensee nahe der Schweizer Grenze ist ein Luchs gesehen worden. Eine Einwohnerin eines kleines Weilers in der recht verschlafenen Ecke Baden-Württembergs hat ihn von ihrem Balkon aus fotografiert. Das Tier trottet seelenruhig die Straße entlang. Ein bisschen erinnert der Schnappschuss an Fotos, die die Einwohner Kanadas oder der USA immer wieder von Bären schießen, die dort seelenruhig in Mülltonnen wühlen oder die Highways kreuzen. Bären gibt es in Baden-Württemberg zwar noch nicht, immer mehr Wildtier-Sichtungen aber schon. Mittlerweile vergeht kaum ein Monat, in dem nicht irgendwo wieder ein Wolf auftaucht oder Schafe gerissen werden.
Dicht besiedelte Regionen
Klar ist, dass die Tiere scheu sind und Menschen so gut es geht aus dem Weg gehen. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob die derzeit noch sporadischen Begegnungen immer gut gehen müssen. Zumal Mensch und Tier anders als in Rumänien, Kanada oder in den USA im dichtbesiedelten Deutschland oft einfach nicht aneinander vorbei kommen.
Wer einmal mit Schäfern geredet hat, weiß, welch im Wortsinn animalische Wucht ein Angriff von Wölfen oder den im Alpenraum vorkommenden Bären haben kann. Von den betroffenen Herden bleibt oft nicht viel übrig, insbesondere wenn Bären der Jagdtrieb packt.
Einträchtig Nebeneinander herleben geht auf Dauer nicht
Daher muss in der Debatte um die Wiederansiedlung von Wölfen, Luchsen oder Bären eine Prämisse gelten: Der Mensch hat Vorrang. Die Vorstellung gefährliche Wildtiere, und das sind auch sehr scheue Großkatzen oder Wölfe nun einmal, und Menschen könnten auf Dauer einträchtig nebeneinander herleben, ist nichts weiter als naturromantische Blauäugigkeit. Und sie ist hochriskant.
Privileg der Freiheit von Angst
Die Bevölkerung Deutschlands und Mitteleuropas genießt nämlich ein beinahe einzigartiges Privileg. Sie kann seit Jahrhunderten Natur angstfrei erleben. Gefährliche oder giftige Tiere gibt es in unseren Gefilden de facto nicht. Das hat unser Verhältnis zur Natur maßgeblich positiv geprägt. Natur ist für uns insbesondere aus diesem Grund ein zutiefst schützenswerter Begriff. Und Deutschland das Land der Naturschützer.
Wölfe, Bären oder Luchse, die in größerer Zahl durch die Lande ziehen gefährden insofern unsere zutiefst unaufgeregt-positive Beziehung zur Natur. Weil sie Ängste auslösen und Konflikte provozieren, wo früher keine waren. Es gibt bei uns dauerhaft keinen Platz für sie.