Sterben die Bienen, müssen Obstblüten von Hand bestäubt werden – und in China, so ist vielfach im Netz zu lesen, sei dies bereits Realität. Auch Winfried Kretschmann, grüner baden-württembergischer Regierungschef, warnte etwa schon beim Neujahrsempfang der Landesregierung im Januar 2018 vor diesem Szenario: „Eine erschreckende, aber leider keine utopische Vorstellung. In China ist es teilweise heute schon so“, sagte Kretschmann bei der Erwähnung von Maja Lundes Roman „Die Geschichte der Bienen“, der dies fiktiv schildert.

Nun mahlen die Faktencheck-Mühlen der Landtags-FDP langsam, aber doch unerbittlich. Welche Erkenntnisse denn die Landesregierung über die Jinhuali-Birne aus dem chinesischen Sichuan habe, erfragte der Bodensee-Abgeordnete und Agrarexperte Klaus Hoher im August hinterlistig zum „Mythos Handbestäubung“.

Edelbirne wird von Hand bestäubt

Wohl wissend, dass die Jinhuali-Birne, eine chinesische Edelbirne, tatsächlich von Hand bestäubt wird. Allerdings nicht aus Bienenmangel, sondern aus Gründen des Blütezeitpunkts und der Wirtschaftlichkeit. Zudem erbat Hoher Auskunft über Kretschmanns Quelle in Sachen Handbestäubung sowie die Erkenntnisse im Staatsministerium über betreffende Regionen im Reich der Mitte.

Diffuse Quellenverweise

Die Antwort des Staatsministeriums, dem Anfragesteller gerade auf den Tisch geflattert, liest sich, milde gesagt, eher kleinlaut. Als Quellen für Kretschmann werden eine in der „Zeit“ zitierte Äußerung der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks vom August 2017 angeführt sowie eine ZDF-Sendung vom Oktober 2017. Kurz zuvor war Lundes Roman erschienen. Zu Regionen und der Bestäubung fallen wenige allgemeingültige Sätze.

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Parallele zu rechtskonservativem Blog

Und die Erkenntnisse im Staatsministerium zur Jinhuali-Birne entsprechen zufällig teils wortgleich einer entsprechenden Beschreibung in einem 2018 veröffentlichten Beitrag auf dem Blog „achgut“ der rechtskonservativen Journalisten Henryk M. Broder und Dirk Maxeiner mit dem Titel „Umwelt-Latein: Die Geschichte von den Bienchen“. Autor Georg Keckl stellt darin das Ausmaß von Umweltkatastrophen wie dem Bienensterben in Frage.

FDP will Kretschmann schützen

FDP-Agrarexperte Klaus Hoher wundert sich. „Man darf schon einmal fragen, mit welchen Recherchen das Staatsministerium eigentlich öffentliche Aussagen des Ministerpräsidenten vorbereitet“, sagt er. Und nimmt gar Kretschmann in Schutz. „Ich halte es für völlig verantwortungslos, einen Ministerpräsidenten mit falschen Fakten ausgestattet in gesellschaftliche Diskussionen zu schicken“, sagt Hoher.

Zahl der Bienen in China steigt

„Erstens ist die Handbestäubung nicht das Ergebnis einer menschengemachten Umweltkatastrophe, sondern Bestandteil einer gezielten Zuchtmethode für eine Luxusfrucht. Und zweitens nimmt die Zahl der Bienen in China seit Jahren zu, und nicht ab. Den Beleg dafür liefert das Staatsministerium samt Tabelle, Quelle und Fazit gleich mit: „Die Population von Honigbienen in China hat sich somit von 2008 bis 2017 um 4,4 Prozent erhöht“, lautet der erfreuliche Schlusssatz. Na dann.