Noch im vergangenen Winter waren in der Außenstelle Gottmadingen des Gesundheitsamts Konstanz, einem schmucklosen, in die Jahre gekommenen Industriegebäude, zahllose Mitarbeiter unterwegs. Die Telefone waren ständig in Gebrauch, der Stresspegel hoch. In diesen Tagen wirkt die Sonderabteilung dagegen nahezu verwaist – trotz ständig neuer Rekorde bei den Neuinfektionen.
Ein einziger Mitarbeiter telefoniert in einem der spartanisch eingerichteten Büros. Die meisten arbeiten im Homeoffice, erklärt der Leiter der Kontaktverfolgung, Paul Glaßner. Wegen Omikron wolle man die Kontakte auf ein Minimum beschränken – auch und gerade in der Schaltzentrale der Pandemie im Landkreis.

Keine allgemeine Kontaktverfolgung mehr
Ohnehin sind die Zeiten der Kontaktverfolgung per Telefon vorbei. Bereits seit November werden positiv getestete Bürger nicht mehr „routinemäßig“ kontaktiert, wie es in einer Mitteilung des Sozialministeriums heißt. Infizierte sind dazu aufgerufen, ihre Kontakte selbst zu informieren. Kontakte von Infizierten werden in der Regel nicht mehr zurückverfolgt. Haushaltsangehörige müssen in Quarantäne, sofern sie nicht geimpft oder genesen sind. Die Infizierten selbst müssen sich in Isolation begeben und gegebenenfalls nach sieben Tagen testen, um früher aus der Isolation zu kommen.
Lediglich in den vergangenen Wochen, als Omikron noch als neue Variante galt, wurde die telefonische Kontaktverfolgung zwischenzeitlich wieder aufgegriffen. „Die Kontaktpersonen der Omikron-Fälle wurden in der Anfangsphase nahezu vollständig ermittelt“, so der Sprecher des Sozialministeriums, Pascal Murmann. Mit der Änderung der Verordnung vom 11. Januar wurde die aktive Kontaktverfolgung aber erneut zurückgefahren.
Entsprechend nimmt auch die Bedeutung der Luca-App ab. Im Kreis Konstanz wurde sie seit Oktober nur drei Mal genutzt. „Es fanden zwei kleinere und eine größere Kontaktpersonennachverfolgung mit der App statt“, heißt es aus dem Landratsamt auf Nachfrage. In einem Fall handelte es sich um eine Diskothek, alle Kontaktpersonen seien über eine Warnmeldung informiert worden.
Nachdem das Gesundheitsamt aktuell keine Kontaktpersonen mehr verfolgt, liegen dem Gesundheitsamt häufig keine Informationen über die Nutzung der Luca-App vor. Sofern eine Information zur Nutzung vorliegt, wird diese verfolgt.
Laborbefunde automatisiert im System
Nur noch vereinzelt erhält das Gesundheitsamt von Praxen und Einrichtungen noch Faxe, heißt es aus dem Landratsamt. Die meisten Befunde der Labore laufen mittlerweile nahezu automatisiert über das System Demis ein, mit wenigen Clicks, so Glaßner, könne ein serieller Postversand mit Informationen zur Isolation an die Betroffenen versandt werden. Anrufe gibt es nur noch in Einzelfällen. Das Gesundheitsamt hat sich zudem dazu entschieden, über 70-Jährige telefonisch zu kontaktieren, um sicherzugehen, dass die Betroffenen die Informationen erhalten und verstanden haben, wie Glaßner erklärt.

Die Übermittlung an das Landesgesundheitsamt läuft dagegen noch immer nicht reibungslos, weil das Gesundheitsamt nicht das Einheitsprogramm Sormas nutzt, sondern weiter auf das hauseigene System Panda, kurz für Pandemiedatenbank, setzt. Fälle müssen also in das Übermittlungssystem Octoware übertragen werden.
Aus dem Landratsamt heißt es dazu: Bislang seien die Zahlen an das Landesgesundheitsamt auch an Feiertagen und am Wochenende „zuverlässig übermittelt“ worden. Durch die hohe Inzidenz und die hohen Fallzahlen gebe es derzeit aber in Einzelfällen einen geringen Verzug. Das Landesgesundheitsamt übermittle die Daten dann gebündelt an das RKI.
Keine einheitlichen Systeme
„Die Umstellung hätte zu lange gedauert, wir wären nicht auf die 4. Welle vorbereitet gewesen“, begründet Glaßner die Entscheidung, am eigenen System festzuhalten, das nur in Konstanz verwendet wird. Dabei war es einmal Ziel der Landesregierung, schon bis zum Frühjahr 2020 alle 38 Gesundheitsämter auf das Einheitssystem umstellen, um eine reibungslose Übermittlung an das Landesgesundheitsamt und von dort ans Robert-Koch-Institut zu ermöglichen.
Tatsächlich sei es nicht möglich gewesen, Sormas überall einzuführen, „weil die für eine aktive Nutzung notwendigen Schnittstellen zu den weiteren Softwareprogrammen nicht vorhanden sind“, erklärt Sozialministeriumssprecher Murmann. Dies sei beim Bundesgesundheitsministerium „auf allen Ebenen“ angemahnt worden – bislang offenbar ohne Reaktion oder Behebung des Problems.
Immerhin: Wegen der automatisierten Post an Betroffene und den Verzicht auf eine breit angelegte Kontaktverfolgung sind weniger Mitarbeiter nötig, die Unterstützung durch Bundeswehr und Zoll wurde im Gesundheitsamt Konstanz eingestellt. Die bisherigen Verträge der Mitarbeiter in der Kontaktverfolgung wurden aber bis Jahresmitte verlängert, so Glaßner. Etwa 30 Mitarbeiter sind demnach derzeit in der Kontaktverfolgung aktiv.
Bürgerfragen nehmen Gesundheitsamt in Beschlag
Die Betreuung der Hotline und die Beantwortung von E-Mails, die Bürger an das Amt gerichtet haben, nehme viel Zeit in Anspruch, heißt es beim Amt. Etwa 300 Anrufe pro Tag müssen die Mitarbeiter bewältigen, derzeit sind allein zehn Mitarbeiter nur dafür abgestellt, heißt es aus dem Landratsamt. Die Fragen drehen sich häufig um die jüngste Verordnung, die Dauer der Quarantäne, wie man sich freitesten könne, Entschädigungsanträgen, der Gültigkeit von Boosterimpfungen oder Auskünften zu Reiseeinschränkungen und vieles mehr.
Bei der Kontaktverfolgung konzentrieren sich die Gesundheitsämter inzwischen auf größere Ausbrüche in Altersheimen, Schulen und Kitas. Wenn es dort zu Ausbrüchen gekommen ist, beraten die Mitarbeiter die betroffenen Einrichtungen und organisieren die Quarantäne der betroffenen Gruppen und Klassen. Seit dieser Woche komme es wieder vermehrt zu positiven Fällen an Schulen, so Glaßner.
Langfristig mehr Personal geplant
Das Amt sieht sich inzwischen besser aufgestellt, die Bearbeitung der Fälle gehe deutlich schneller, die Abläufe seien besser reguliert, resümiert indes der Leiter der Kontaktverfolgung, Glaßner. Zu Überstunden komme es nach wie vor, „aber es ist besser geworden“.
Dennoch bedeutete die Mehrbelastung, dass andere Aufgaben zumindest seltener wahrgenommen werden konnten. Bisherige Routinetätigkeiten des Gesundheitsamts aber seien nicht eingestellt worden, betont man beim Landratsamt Konstanz, man habe lediglich die Zeitintervalle verlängert.

Einen Überblick, wie viele Überstunden landesweit durch die Pandemie entstanden sind, hat das Sozialministerium nicht. Aus dem Landratsamt Konstanz heißt es dazu: „Seit Beginn der Kontaktnachverfolgung haben sich zahlreiche Überstunden angesammelt, welche in den ruhigeren Phasen zum größten Teil abgebaut werden konnten.“
Wegen der Dauerbelastung durch die Pandemie und Rückstellung anderer Aufgaben sollen Gesundheitsämter wie im Kreis Konstanz aber künftig personell verstärkt werden.