An diesem Satz wird sich Theresa Schopper messen lassen müssen: „Ich will keine Kinder mehr einschulen, die nicht schulreif sind“, sagte die baden-württembergische Kultusministerin im Februar in einem Interview.

Wenige Monate später beschloss die grün-schwarze Koalition ihr Sprachförderkonzept – und machte so den Weg für eine echte Großinvestition in die Zukunft benachteiligter Kinder frei. Es folgte das Bildungspaket mit weiteren Entscheidungen: Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, eine strengere Grundschulempfehlung, der Abschied vom Werkrealschulabschluss.

Pünktlich vor den Ferien wurden jetzt noch Details zu den einzelnen Vorhaben festgeklopft. Schopper meinte nicht ganz ohne Stolz „ein paar Wochen Urlaub“ habe sie sich nun verdient.

Reformen kommen spät

Untätigkeit kann man der grünen Ministerin tatsächlich nicht vorwerfen. Während sich die Schülerinnen und Schüler bei Projektwochen und Ausflügen dem offiziellen Ferienbeginn entgegensehnen, haben Schopper und das Kabinett noch Nägel mit Köpfen gemacht.

Die eingerammten Pflöcke sollen auch über die bestehende Koalition hinweg Bestand haben, denn zumindest einer der beiden Partner dürfte allen Wahrscheinlichkeitsrechnungen zufolge nach der Landtagswahl 2026 weiter mitregieren.

Dass die Regierung jetzt Gas gibt und für die Reformen auch größere Summen in die Hand nimmt, ist aller Ehren wert, kommt allerdings reichlich spät. Beispiel Sprachförderung. Da konnten die Alarmglocken von Jahr zu Jahr lauter schrillen, da konnten noch so viele schlechte Nachrichten über Schulkinder mit großen Schwächen und geringen Kompetenzen verbreitet werden: bis sich Baden-Württemberg zu einem größeren Wurf durchgerungen hat, vergingen Jahre.

Ein paar „Sprach-Kitas“ hier, ein paar Vorschul-Projekte da: Ob ein Kind vor der Einschulung in den Genuss einer Förderung kommt, hängt bisher auch vom Wohnort und dem Engagement des Elternhauses und der Betreuungspersonen ab. So haben immer mehr Kinder, oft mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Haushalten, schon in der Grundschule den Weg in den funktionalen Analphabetismus eingeschlagen. Ein paar Wörter lesen oder schreiben – das geht. Beim Verständnis von Texten hört es auf.

Sprachförderung wird Jahre brauchen, bis sie greift

Auch die jetzt beschlossene Sprachförderung wird erst Jahre brauchen, bis sie verpflichtend greift und flächendeckend allen Kindern mit Sprachschwierigkeiten zugute kommt. Auf messbare, positive Effekte werden Schulen, Bildungspolitiker und vor allem die Kinder selbst noch viel länger warten müssen.

Das Bildungssystem ist nun mal träge, die Realitäten lassen sich nicht in einem Schuljahr umkehren. Zudem verstärken die Vorhaben eher das Problem des Fachkräftemangels. Auch Juniorklassen brauchen Lehrkräfte. Das G9 sowie die Pläne, gleich an mehreren Schularten künftig auch Informatik, KI und Medienbildung zu unterrichten, binden ebenfalls Personal.

Erledigt sind die Hausaufgaben also noch lange nicht. Dennoch: Auch unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit hat sich in Baden-Württemberg bereits einiges getan. In den Schulalltag fließt inzwischen mehr wissenschaftliche Expertise als früher ein. Lehrkräfte bekommen so Bausteine, um besser mit der oft großen Vielfalt in ihren Klassenräumen umgehen zu können. Zudem wurde auf frühere Fehler reagiert: Ein Beispiel sind die Lese-Tandems, die das Lautlesen an die Grundschulen zurückgebracht haben.

Das Land musste allerdings zuerst tief in den Abgrund blicken, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Beinahe hätte es im bildungspolitischen Hickhack den Halt verloren. Dass die vielfältigen Probleme auch äußere Gründe wie Corona, den Flüchtlingszuzug oder die Demografie haben, sei der Fairness halber erwähnt. Was die verstrichenen Jahre aber für Kinder bedeuten, die längst eingeschult wurden und von den Reformen nicht mehr profitieren werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.