Fehler zugeben, Versäumnisse eingestehen, darin sind Politiker meist nicht besonders gut. So lautet zumindest das gängige Klischee. Der SÜDKURIER wollte wissen: Wie schlagen sich die Abgeordneten, die für unsere Region derzeit im Bundestag sitzen? Allen Abgeordneten haben wir zwei Fragen gestellt.

Erstens: Wenn Sie auf die vergangenen Jahre im Bundestag zurückblicken: Welche Situation gab es, von der Sie heute sagen, dass Sie diese besser hätten lösen können?

Die zweite Frage lautet: Auf welchen Erfolg oder welches Ereignis der vergangenen Legislaturperiode sind Sie besonders stolz? Bis auf die AfD-Abgeordnete Alice Weidel haben sich alle Politiker zu den Fragen geäußert. Alice Weidel ließ mehrere Anfragen des SÜDKURIER unbeantwortet. Die Antworten der anderen zehn Abgeordneten lesen Sie hier.

Andreas Jung (CDU)

Andreas Jung ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Konstanz.
Andreas Jung ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Konstanz. | Bild: Otto Kasper Studios

Frage 1: „In der Debattte zur Wahlrechtsreform hat sich keine Partei mit Ruhm bekleckert, auch wir nicht. Auch wir Baden-Württemberger hätten von vorneherein in aller Klarheit unsere Bereitschaft erklären müssen, eine Begrenzung des Bundestags durch eine namhafte Reduzierung der Wahlkreise umzusetzen. Am besten hätten wir das schon vor Jahren umgesetzt – so wie von Wolfgang Schäuble vorgeschlagen.

Das rechtfertigt allerdings nicht den Bruch der Ampel mit demokratischen Traditionen: Mit ihrem einseitig durchgesetzten Wahlrecht können sich die Wählerinnen und Wähler erstmals nicht mehr sicher sein, dass die von ihnen im Wahlkreis gewählten Kandidatinnen und Kandidaten auch wirklich in den Bundestag kommen.“

Frage 2: „Mit meinen französischen Kollegen Frédéric Petit habe ich für das deutsch-französische Parlament ein starkes Plädoyer für eine europäische Energie-Union erarbeitet. Unser Vorschlag hat parteiübergreifend breite Unterstützung gefunden. Streit überwinden, Synergien nutzen und Infrastruktur europaweit ausbauen.“

Ann-Veruschka Jurisch (FDP)

Ann-Veruschka Jurisch sitzt für den Wahlkreis Konstanz im Bundestag.
Ann-Veruschka Jurisch sitzt für den Wahlkreis Konstanz im Bundestag. | Bild: Ulrike Sommer

Frage 1: „Die Ampel-Koalition ist mit viel Mut und Fortschrittanspruch gestartet. Der russische Angriffskrieg und die daraus resultierenden Folgen für unsere Wirtschaft haben aber dafür gesorgt, dass der Koalitionsvertrag schnell überholt war. Die unterschiedlichen Vorstellungen in der Wirtschaftspolitik von FDP und Koalitionspartnern sind immer deutlicher geworden.

Wir Freie Demokraten haben diese neue Realität schnell erkannt und entsprechend gehandelt. Wir hätten aber weiter gehen und den Koalitionsvertrag neu verhandeln müssen. Als Abgeordnete hätte ich das nicht nur klarer sehen sollen, sondern mich dann auch entsprechend in der Fraktion zu Wort melden müssen. Das war ein Fehler.“

Frage 2: „Stolz bin ich auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das ich ausgehandelt habe. Es stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich. Davor war es einfacher, auf dem Fluchtweg zu uns zu kommen als in unseren Arbeitsmarkt einzuwandern. Ich habe dazu beigetragen, das vom Kopf auf die Füße zu stellen.“

Lina Seitzl (SPD)

Lina Seitzl sitzt für den Wahlkreis Konstanz im Bundestag.
Lina Seitzl sitzt für den Wahlkreis Konstanz im Bundestag. | Bild: photothek.net

Frage 1: „Es gibt keine bestimmte Situation, an die ich dabei denke. Aber ich finde, man kann sich nur weiterentwickeln, wenn man sich und seine Positionen regelmäßig selbst hinterfragt. Gemeinsam mit meinem Team reflektiere ich regelmäßig, was wir in Berlin und im Landkreis noch besser machen können.

Auch konstruktive Kritik von Bürgerinnen und Bürgern nehme ich gerne an. Deshalb ist mir der regelmäßige Austausch mit den Menschen vor Ort so wichtig. Manchmal kann ich nach einem Austausch wichtige Aspekte mit nach Berlin nehmen. In anderen Fällen merke ich, dass die Menschen meine Haltung zu einem Thema teilen, ich sie aber noch besser kommunizieren und bekannt machen könnte.“

Frage 2: „Auf die Verbesserungen beim BAföG, die ich erkämpft habe: u.a. 131 Euro mehr, ein Flexi-Semester und 1000 Euro Studienstarthilfe helfen nun mehr jungen Menschen. Die Mindestlohnerhöhung, das Startchancenprogramm und das Deutschlandticket machen Millionen von Menschen den Alltag einfacher.“

Volker Mayer-Lay (CDU)

Volker Mayer-Lay ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bodensee.
Volker Mayer-Lay ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bodensee. | Bild: CDU

Frage 1: „Die ersten zwei Jahre im Bundestag war ich Berichterstatter meiner Fraktion für den Verbraucherschutz. Ich habe mich stark dafür eingesetzt, dass versteckte Preiserhöhungen, sogenannte Mogelpackungen, durch die Regierung untersagt werden.

Nachdem unser Antrag von der Ampel abgelehnt wurde, Ministerin Lemke dennoch angekündigt hatte, sich gegen Mogelpackungen einzusetzen, hätte ich gemeinsam mit meiner Fraktion hier mehr Druck entfalten müssen und die Ministerin dazu drängen sollen, dass sich tatsächlich etwas tut. Hier hätten wir der leeren Ankündigung nicht Glauben schenken dürfen.“

Frage 2: „Hier gibt es zweierlei: Zum einen war es eine besondere Ehre für mich, die Bundesrepublik Deutschland beim High Level Political Forum bei den United Nations in New New York vertreten zu dürfen.

Zum anderen bin ich stolz darauf, dass die Problematik rund um das Ökosystem Bodensee, insbesondere die Quaggamuschel, aber auch die übermäßige Komoranpopulation im Bundestag angekommen ist und Lösungen angegangen werden sollen.“

Thorsten Frei (CDU)

Thorsten Frei ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Schwarzwald-Baar.
Thorsten Frei ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Schwarzwald-Baar. | Bild: Tobias Koch

Frage 1: „In den letzten drei Jahren Opposition hatten wir keine Möglichkeiten, das Land aktiv zu gestalten. Aber auch wenn man in unsere Regierungszeit zurückblickt, gibt es keine Entscheidung, die mir schlaflose Nächte bereitet. Aber selbstverständlich bewertet man bestimmte Dinge in der Rückschau oft anders als zum Zeitpunkt des Geschehens.

Denken Sie beispielsweise an die langen Schulschließungen in der Pandemie, die ich mit heutigem Wissen so nicht mehr unterstützen würde. Aus damaliger Sicht wurde das zum Schutz der Kinder als sinnvoll eingeschätzt. Ebenso würde ich heute der abschlagsfreien Rente mit 63 nicht mehr zustimmen, da sie die Probleme für die jüngere Generation unnötig und ungerecht verstärkt.“

Frage 2: „Unter Führung von Friedrich Merz ist es uns in kurzer Zeit gelungen, die Wahlniederlage 2021 zu überwinden und uns personell, inhaltlich und geschlossen als Partei und Fraktion zu erneuern. Wir haben unsere Rolle als konstruktive Opposition rasch gefunden – nach 16 Jahren Regierung keine Selbstverständlichkeit.“

Derya Türk-Nachbaur (SPD)

Derya Türk-Nachbaur sitzt für den Wahlkreis Schwarzwald-Baar im Bundestag.
Derya Türk-Nachbaur sitzt für den Wahlkreis Schwarzwald-Baar im Bundestag. | Bild: Fionn Große

Frage 1: „Es war ein Fehler, die Drohgebärden und Erpressungsversuche der FDP zu lange hinzunehmen. Es hätte uns als Fraktion gutgetan, früher klare Kante zu zeigen und den Menschen zu verdeutlichen, dass Politik nicht von Egoismen Einzelner dominiert werden darf. Es geht um Vernunft – nicht um Blockaden.“

Frage 2: „Mein größtes Highlight war, dass wir nicht nur nach 20 Jahren den Schwarzwald-Baar-Kreis wieder in Berlin vertreten, sondern auch wirklich geliefert haben. Millionen an Mitteln flossen in unsere Region – für Naturschutz, Bildung, Vereine und Infrastruktur. Dieses Vertrauen in konkrete Ergebnisse umzusetzen, macht mich wirklich stolz.“

Felix Schreiner (CDU)

Felix Schreiner ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Waldshut.
Felix Schreiner ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Waldshut. | Bild: Tobias Koch

Frage 1: „In der Politik wird es immer Entscheidungen geben, die mit zeitlichem Abstand anders bewertet werden können. Fakt ist aber, dass wir als Union die letzten drei Jahre in der Opposition waren. Gestaltet haben andere und meine Aufgabe war es vielmehr, auf die Herausforderungen unserer Region in Berlin hinzuweisen und Lösungsansätze vorzuschlagen. Die Ampel-Regierung hat sich nicht für Südbaden interessiert.

Unzufrieden bin ich mit dem Zustand der hausärztlichen Versorgung. Hier gilt es, nach der Konstituierung des neuen Bundestags sofort anzusetzen und möglichst schnell konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die den Menschen helfen. Nur Gerede bringt uns nicht weiter.“

Frage 2: „Dazu gehören die Digitalisierung unserer Region, die Elektrifizierung der Hochrheinbahn und die Vorzugsvarianten der Hochrheinautobahn. Die Umsetzung von Verkehrsinfrastrukturprojekten dauert in der Regel über Wahlperioden hinaus. Es gilt, als Abgeordneter immer dranzubleiben, um solche Projekte erfolgreich umzusetzen.“

Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD)

Rita Schwarzelühr-Sutter sitzt für den Wahlkreis Waldshut im Bundestag.
Rita Schwarzelühr-Sutter sitzt für den Wahlkreis Waldshut im Bundestag. | Bild: Susie Knoll

Frage 1: „Meine Aufgabe ist es, Probleme zu lösen – nicht mich in Szene zu setzen. Deshalb habe ich lange gezögert, mich auf TikTok, Instagram und Facebook einzulassen. Für mich war klar: Klicks und Likes machen noch keine gute Politik. Aber ich habe auch gemerkt, wie wichtig es ist, gerade junge Menschen zu erreichen, die vielleicht weniger Zeitung lesen.

Digitale Kommunikation darf man nicht einfach Populisten überlassen. Denn das würde die Demokratie schwächen. Deshalb setze ich inzwischen mehr darauf, auch online politische Entscheidungen zu erklären, aber so, wie es zu mir passt: Ohne Show, sachlich, und mit dem Fokus auf das, was wirklich zählt.“

Frage 2: „„In gerade einmal drei Jahren habe ich mit der SPD-geführten Bundesregierung fast doppelt so viel Geld für den Wahlkreis holen können. Der Fokus unserer Investitionen war richtig: Gerade für Energieeffizienz und Technologieförderung flossen in dieser Legislatur mehr als 196 Millionen Euro nach Waldshut und Hochschwarzwald in Unternehmen und Gemeinden. Mit dem Startchancenprogramm investieren Bund und Länder rund 20 Milliarden Euro für gute Schulen deutschlandweit.“

Thomas Bareiß (CDU)

Thomas Bareiß ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen.
Thomas Bareiß ist direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen. | Bild: Jan Kopetzky

Frage 1: „In den letzten Jahren standen unglaublich viele, auch teilweise sehr wichtige und weitreichende Entscheidungen an. Und natürlich schaut man auch zurück und fragt sich auch selbstkritisch, was hätte man besser oder klüger entscheiden können. Nur wenn man sich und seine Entscheidungen auch hinterfragen kann, besteht die Offenheit, sich in Zukunft verbessern zu können.

Wie immer werden auch in der Politik Fehler gemacht. Politische Entscheidungen können aus einer gewissen zeitlichen Distanz anders bewertet werden, wenn man falsch lag oder in eine falsche Richtung ging muss die Politik den Mut haben, dies zuzugeben und auch einen Fehler korrigieren, sollte das noch möglich sein.“

Frage 2: „Als Wirtschaftsstaatssekretär konnte ich in der Coronapandemie mit meiner Arbeit vielen Mittelständlern, Handwerksbetrieben, Einzelhändlern und beispielsweise der Gastronomie helfen. Viele kämpften damals um ihre Existenz. Trotz vieler Schwierigkeiten haben wir das damals gut hinbekommen. Auf die damaligen Hilfen werde ich auch heute noch oft angesprochen. Das macht mich dankbar und auch ein bisschen stolz.“

Robin Mesarosch (SPD)

Robin Mesarosch sitzt für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen im Bundestag.
Robin Mesarosch sitzt für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen im Bundestag. | Bild: Fionn Große

Frage 1: „Ich lerne jeden Tag dazu. Entsprechend gehe ich davon aus, dass ich heute einiges besser machen würde als vor drei Jahren. Und wir hatten in den letzten Jahren brutale Krisen, in denen alles sehr schnell gehen musste. Natürlich ist man da im Nachhinein schlauer. Mir fällt aber zum Glück nichts ein, bei dem ich total daneben gelangt hätte.

Was mir am meisten nachgeht: wenn ich für jemanden keine oder nicht genügend Zeit gefunden habe. Das lässt sich als Abgeordneter leider nie vermeiden, weil der Tag eben nur 24 Stunden hat. Es gibt immer mehr zu tun, als man schaffen kann. Ich bin sehr gut darin, viele Dinge gleichzeitig zu erledigen. Trotzdem bedauere ich es, nicht allem gerecht geworden zu sein.“

Frage 2: „Auf vieles! 2022 ist uns wegen des Kriegs die Hälfte unserer Gaslieferungen weggebrochen. Wir haben in kürzester Zeit Ersatz beschafft für unsere Wohnungen und Betriebe. Über 30.000 Leute bei uns haben dank der Mindestlohnerhöhung mehr Geld. Fürs Gammertinger Schwimmbad konnten wir über eine Million Euro besorgen.“