Mit einem solchen Batzen an Steuergeld könnte so einiges angestellt werden: Eine Kita gebaut oder Stellen für Lehrer geschaffen werden beispielsweise. Mit 1,5 Millionen Euro kann aber auch der Orientierungssinn von Nachtfaltern erforscht werden – das hat Anna Stöckl nun vor und der Europäische Forschungsrat hat ihr das Geld dafür bereitgestellt. Weshalb das sinnvoll ist, erklärt die Juniorprofessorin der Universität Konstanz im Gespräch.

Die Begeisterung für ihr Thema ist Anna Stöckl dabei direkt anzumerken: „Das Interessante an den Nachtfaltern ist, dass sie ein ganz anders funktionierendes System als wir Menschen sind“, sagt sie. „Die haben ein ganz kleines Gehirn.“ Trotzdem gelinge es ihnen, sich auch unter schwierigen Lichtverhältnissen zu orientieren. Über die Bedeutung ihrer Studien sagt sie: „Das ist Grundlagenforschung.“ Auf dieser können dann andere Wissenschaftler aufbauen. Aber warum ist das für den Steuerzahler relevant, der die Forschung letztlich mitfinanziert?

Anna Stöckl ist Juniorprofessorin an der Universität Konstanz. „Das Interessante an den Nachtfaltern ist, dass sie ein ganz anders ...
Anna Stöckl ist Juniorprofessorin an der Universität Konstanz. „Das Interessante an den Nachtfaltern ist, dass sie ein ganz anders funktionierendes System als wir Menschen sind“, sagt sie. | Bild: Elisabeth Böker/Universität Konstanz

So wird das Geld verwendet

Der Sehsinn der Nachtfalter sei exemplarisch dafür, wie Tiere sich generell orientieren, sagt Stöckl, die Jahrgang 1987 ist. Und es gebe auch praktische Bezüge ihrer Forschung: Die Frage nach dem Einfluss von Lichtverschmutzung auf Tiere etwa. Außerdem könnten die Nachtfalter mit ihrem Orientierungssinn als Vorbilder in der Robotik dienen.

Dem SÜDKURIER schlüsselt Stöckl grob auf, wofür die 1,5 Millionen Euro verwendet werden: „Der mit Abstand allergrößte Teil sind die Personalkosten“, sagt sie. 812.000 Euro sind das über fünf Jahre, für zwei Doktorandenstellen, eine Post-Doc-Stelle, eine Technikerstelle und studentische Hilfskräfte. Knapp 300.000 Euro nimmt der Kostenpunkt „Overheads“ ein. Damit sind in der Forschung Kosten etwa für Administratives und Grundausstattungen von Laboren gemeint.

Etwa 230.000 Euro kosten zwei Geräte, die für die Forschung neu angeschafft werden müssen. „Das eine ist eine Apparatur, mit der wir Nervenableitungen im Gehirn von Insekten machen können“, sagt Stöckl. 31.000 Euro sind für Werkstattarbeiten an den Geräten eingeplant, 80.000 Euro für Verbrauchsmaterial, 33.000 Euro für Reisekosten der Arbeitsgruppe und 10.000 Euro für die Publikation der Ergebnisse.

Die übliche Fördermenge

Runtergerechnet verbraucht Stöckls Projekt dann 300.000 Euro pro Jahr – das sei etwa der übliche Förderumfang, sagt Anja Eisenbeiß. Sie ist Leiterin des Forschungssupports der Universität Konstanz. Sie unterstützt Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei Förderanträgen, auch Anna Stöckl hat darauf zurückgegriffen.

Nur ein Bruchteil der Anträge ist erfolgreich, sagt Eisenbeiß. Gerade junge Wissenschaftler müssten sich zunächst auf sehr viele Förderungen bewerben, um sich die ersten Projekte zu ermöglichen – das fresse zu Beginn der Karriere viel Zeit.

Katharina Holzinger ist Rektorin der Universität Konstanz. Sie erklärt, wie die Forschung an der Hochschule im Allgemeinen finanziert wird: Als Grundfinanzierung bekommen die Universitäten jährlich einen Landeszuschuss. Bei der Universität Konstanz waren das 2022 etwa 140 Millionen Euro. „Die Grundfinanzierung vom Land ist zuständig für die Aufrechterhaltung des gesamten Betriebs der Universität“, sagt Holzinger.

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Im Jahresbericht der Universität ist aufgelistet, wohin das Geld geht: Knapp 115 Millionen Euro der Grundfinanzierung werden für Personalausgaben aufgewendet. Darauf folgen Sachausgaben in Höhe von 28 Millionen Euro, etwa für Energie, die Unterhaltung der Grundstücke oder die Bibliothek.

Wissenschaftler, die aus dem Landeszuschuss finanziert werden, forschten auch, sagt Rektorin Holzinger. „Aber vielleicht ist das inzwischen der geringere Anteil ihrer Tätigkeit im Rahmen der normalen Arbeitszeit.“ Sie seien besonders mit Lehre und mit Management-Aufgaben wie der akademischen Selbstverwaltung beschäftigt. Für Forschung enthalte die Grundfinanzierung zu wenig Mittel.

Die Bedeutung von Drittmitteln

Für die Wissenschaftler bedeutet das laut Holzinger: „Zur Forschungsfinanzierung müssen wir uns nach außen wenden.“ Die Forschenden müssen also sogenannte Drittmittel einwerben, von öffentlichen oder privaten Stellen. Damit könne dann auch Personal finanziert werden, das sich stärker auf die Forschung konzentrieren kann.

Die Universität Konstanz ist dabei recht erfolgreich: Im vergangenen Jahr wurden rund 65 Millionen Euro an solchen Förderungen eingeworben. Es geht dabei allerdings immer um Projekte mit einer beschränkten Laufzeit.

Die Rektorin der Universität Konstanz, Katharina Holzinger, sagt: „Zur Forschungsfinanzierung müssen wir uns nach außen wenden.“
Die Rektorin der Universität Konstanz, Katharina Holzinger, sagt: „Zur Forschungsfinanzierung müssen wir uns nach außen wenden.“ | Bild: Inka Reiter

Im Falle der Förderung von Anna Stöckl sind es fünf Jahre, üblich sind etwa bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) drei Jahre. Die Projektleiter hätten dabei eine Verantwortung gegenüber ihrer Forschungsgruppe, sagt Anja Eisenbeiß dazu. Sie müssten ständig schauen, wo sie Gelder einwerben können, um auch das Personal weiterbeschäftigen zu können. „Das finde ich sehr, sehr herausfordernd, so die Forschung zu finanzieren.“

Anja Eisenbeiß, Leiterin des Forschungssupports der Universität Konstanz, sagt: „Das finde ich sehr, sehr herausfordernd, so die ...
Anja Eisenbeiß, Leiterin des Forschungssupports der Universität Konstanz, sagt: „Das finde ich sehr, sehr herausfordernd, so die Forschung zu finanzieren.“ | Bild: Universität Konstanz

Der Wissenschaftsrat, ein Beratungsgremium für Bund und Länder, hat sich Anfang 2023 in einem Positionspapier sogar für eine Neujustierung der Forschungsfinanzierung ausgesprochen – er appellierte an die Länder unter anderem, mit der Grundfinanzierung „Forschung unabhängig von programmatischen und zeitlichen Vorgaben“ sicherzustellen.