Campingplätze bieten in diesem Frühjahr ein trauriges Bild. Das kommt aber weniger vom feuchtkühlen Wetter, das den echten Campingfreund niemals abhalten wird. Vielmehr ist es so, dass nur wenige Wagen aufgestellt sind und deshalb kaum Leben herrscht. Der Grund dafür liegt in der aktuellen Corona-Verordnung: In den feststehenden Wohnwagen darf nicht übernachtet werden. Die Besitzer können sich zwar tagsüber dort aufhalten und zum Beispiel kochen, aber nicht ihr Bett benützen.
Die Logik versteht Joachim Spitz nicht
Joachim Spitz und seine Frau Annette sind deshalb ziemlich sauer. „Das entbehrt jeder Logik“, sagt der Villinger. Das Ehepaar mit Sohn Maximilian sind überzeugte Stammgäste auf dem Platz Sandseele am Westende der Reichenau. Sie verbringen im Sommerhalbjahr bald jedes Wochenende auf der Insel, dazu kommen die Urlaube. Der Wohnwagen ist ihr zweites Wohnzimmer. Mit den eingeborenen Insulanern vertragen sie sich bestens.

Doch 2021 ist der Wurm drin. Familie Spitz darf sich tagsüber auf dem kaum bespielten Platz aufhalten, muss aber abends zurück in den Schwarzwald fahren. Das sind eine Stunde hin und eine Stunde zurück. Das zerhackt ein Wochenende, von der Umwelt gar nicht zu reden.
Auch Campieren ist Beherbergung, sagt das Ministerium
„Die Leute auf dem Platz halten sich an die Regeln“, sagt Annette Spitz. Wenn man sich trifft, dann ohnehin im Freien, an einem Feuer zum Beispiel. Beim Übernachten seien die Paare oder Familien ohnehin unter sich. Familie Spitz beispielsweise wohnt auch zuhause in Villingen unter einem Dach. Sie und andere Freiluftfreunde sehen nicht ein, was das Schlafverbot in der Pandemie bezwecken soll.
Das Sozialministerium, das für die Verordnungen der vergangenen 14 Monate federführend ist, lässt sich nicht erweichen. Ein Sprecher des Ministeriums begründet das mit dem allgemeinen Beherbergungsverbot. „Auch bei einer ausschließlichen Nutzung durch Dauercamper sind Campingplätze insoweit mit Hotels oder Ferienwohnungen vergleichbar, als hier eine erhöhte Kontaktwahrscheinlichkeit zwischen den Gästen besteht“, heißt es auf Anfrage.

Ist ein Wohnwagen wie ein Hotelzimmer?
Der Hinweis der Urlauber, sie seien in sanitärer Hinsicht autark, sticht in den Augen der Behörde nicht. Aus amtlicher Sicht ist ein fix installierter Wohnwagen wie ein Hotelzimmer oder eine Pension zu sehen. Auch dort werden derzeit keine Gäste angenommen.
Joachim Spitz unterstützt die Corona-Regeln voll und ganz. Das sagt er im Gespräch mehrfach. Der Firmenchef und sozial Engagierte sieht sich als besorgter Bürger. In Sachen Beherbergung vermisst er die Ausgewogenheit.
Die Besitzer von Wohnmobilen lachen sich ins Fäustchen
Einige hundert Meter weiter hat die Gemeinde einen Stellplatz für Wohnmobile ausgewiesen. „Sie parken dort auch über Nacht“, hat Spitz beobachtet. Das empfindet er als ungerecht. Manche stünden auch zwei und drei Tage dort, bevor sie weiterziehen. Und keinen kümmert es offenbar.
Erlaubt ist das laut aktueller Coronaverordnung nicht: Auch Wohnmobilstellplätze gelten demnach als touristische Übernachtungsangebote. Eine Sonderregelung gibt es dagegen für Hütten in Schrebergärten oder Zweitwohnungen. Beiderlei Habitate dürfen auch unter Corona-Bedingungen bewohnt werden, die Nacht eingeschlossen. „Die infektiologische Situation ist eine grundlegend andere“, teilt das Sozialministerium dazu lapidar mit.
Die Betreiber sind frustriert
Wenn im Mai die Plätze ziemlich leer sind und Stammgäste ausblieben, sind die Pächter frustriert. Dabei haben Caroline und Patrik Motz bereits 2020 einiges unternommen, um den hygienischen Standard zu heben. „Wir haben investiert, und es wird häufiger geputzt als früher“, berichtet sie.
Frau Motz sitzt alleine im Restaurant der Sandseele. „Wir hoffen, dass wir an Pfingsten öffnen können“, sagt die Pächterin des beliebten Areals, das der Gemeinde Reichenau gehört. Motz macht auch auf das wirtschaftliche Potenzial des Freizeitgeländes zwischen Sand, Ufer und Untersee aufmerksam. 300 Stellplätze bieten sie an. Sie sagt: „Wir gehören zu den größten Gewerbesteuerzahlern auf der Insel.“
Das Doppelbett bleibt unbenutzt
Das Geschäft zu Pfingsten ist bisher mehr Hoffnung als Gewissheit. Motz musste Buchungen rückabwickeln. Das bedeutet viel Arbeit ohne jeden Gewinn. In der Hochsaison wirbeln hier zwischen 60 und 70 Mitarbeiter, vor allem sind es Studenten und Einwanderer. Auch das fällt flach.
Die Sandseele hat sich zu einem familiären Biotop entwickelt. „Das ist der einzige Campingplatz am Bodensee, wo du keine Bundesstraße hörst und kein Bahngleis siehst,“ erkannte Joachim Spitz. Dann schließt er den Wohnwagen ab. Das Doppelbett mit dem duftend weißen Decke bleibt an diesem Tag unbenutzt.