Der Vorstoß klingt bestechend: Weil allerorten in Deutschland Lehrkräfte fehlen, schlägt Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Leistungsprämien für besonders engagierte Lehrkräfte vor. Motivierte Lehrerinnen und Lehrer sollten nicht nur mehr Anerkennung, sondern auch eine leistungsorientierte Bezahlung bekommen, hatte die FDP-Politikerin am Mittwoch der „Bild“-Zeitung gesagt. So solle der Beruf attraktiver werden und mehr junge Menschen dafür gewonnen werden.
Beistand erhielt die FDP-Politikerin umgehend vom Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, Hans-Peter Meidinger, der sich eine Prämie von zehn Prozent eines Gehalts für gute Lehrer vorstellen kann.
Skepsis im Südwesten
In Baden-Württemberg stößt Stark-Watzingers Vorschlag dagegen nicht nur im Kultusministerium, sondern auch bei den Beamten selbst und bei Bildungs- und Lehrerverbänden auf Kritik. Das sei reiner Populismus, heißt es – nicht zitierfähig freigegeben – gleich bei mehreren Ansprechpartnern, schließlich bekämen Lehrer in Deutschland im internationalen Vergleich bereits Spitzengehälter – und es herrsche dennoch Lehrermangel.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) mochte sich auf Anfrage lieber gar nicht zu diesem Vorstoß äußern. Der Grund liegt auf der Hand: Zahlen müsse eine solche Prämie ohnehin nicht der Bund, sondern die Länder, die für Bildungspolitik und ihre Lehrkräfte zuständig sind.
„Wer Prämien fordert, weckt Erwartungen, die von den Bundesländern nicht erfüllt werden, und das wiederum sorgt für Unzufriedenheit“, moniert etwa Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Da sollten wir lieber andere Stellschrauben drehen.“ In Baden-Württemberg gibt es zwar im Landesbesoldungsrecht die Grundlage für Leistungsprämien für Beamten, aber für Lehrkräfte gibt es keine entsprechende haushaltsrechtliche Regelung, wie der Sprecher des Kultusministeriums mitteilt.
Rechtlich möglich wären solchen Prämien – etwa für Begleitlehrer für Schullandheime –im Südwesten derzeit in Form einer Einmalzahlung also nicht. Leistungsanreize aber gibt es laut Ministerium dennoch: Schulleiter können engagierten Kollegen etwa für Stufenlaufzeitverkürzung und vorzeitige Beförderungen vorschlagen, zudem sind Stellenzulagen und Anrechnungsstunden möglich.
Lieber Entlastung als Entlohnung
Auch Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hält Prämien für den falschen Weg. „Den Versuch gab es vor vielen Jahren schon einmal in Baden-Württemberg, er ist grandios gescheitert und hat zu Unfrieden geführt. Wir setzen heute in den Kollegien auf Teams, und Prämien für Einzelne widersprechen dem Teamgedanken. Vielmehr brauchen Lehrkräfte mehr Entlastung wie kleinere Klassen“, sagt Stein. „Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Lehrkräfte ihren Beruf nicht ausüben, um Prämien zu bekommen oder den Titel ‚bester Lehrer/beste Lehrerin.“
Und überhaupt: Was ist eigentlich ein guter Lehrer? Timm Kern, Gymnasiallehrer und FDP-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Freudenstadt, hat darauf eine Antwort. „Eine Lehrkraft, die fachlich besonders fähig und menschlich besonders engagiert ist, mit Kopf und Herz angstfreies Lernen ermöglicht, dabei das richtige Maß zwischen Fordern und Fördern findet, bei den Schülern beliebt und respektiert ist und immer ein offenes Ohr hat.“
Kern weiß aus eigener Erfahrung, dass im Lehrerkollegium meist schnell klar ist, wer einen guten Job macht. Aber Einzelnen Prämien zu bezahlen, hält er in der Praxis für kaum umsetzbar. „Das müsste nachvollziehbar und gerecht zugehen, die Kriterien müssten ganz klar sein, und da wird es schwierig. Alle Lehrkräfte einzeln zu bewerten, wäre ein unfassbarer bürokratischer Aufwand.“
Ralf Scholl, Vorsitzender des Landes-Philologenverbands, hatte erst im Sommer eine Rückkehr zum Leistungsprinzip in den Klassenzimmern gefordert. Leistung müsse sich wieder lohnen, aber in zu vielen Schulen sei diese Diskussion leider tabu, so der Lehrervertreter damals. Scholl will das neue Leistungsprinzip aber an die Schüler anlegen. Nicht an seine Kolleginnen und Kollegen.