Lena Deike (21) bekennt sich zur Heimat. Sie ist in Friedrichshafen geboren, aufgewachsen und der Zeppelinstadt bis heute treu. Wenn die Lehramtsstudentin nicht in der Hochschule Ravensburg-Weingarten in einer Vorlesung über Mathematik, Deutsch oder Sachunterricht sitzt, engagiert sie sich für ihren Verein, den Württembergischen Yacht-Club (WYC) in Friedrichshafen. Segeln – das macht und kann sie von Kindesbeinen an.
Dort betreut Deike ein besonderes Projekt. Der Startschuss dazu fiel im Juni 2024 beim „Wendekurs“, einer Veranstaltung zusammen mit der Turning Point Stiftung, die benachteiligten Kindern und Jugendlichen mithilfe des Segelsports einen persönlichen Wendepunkt zu mehr Mut, Selbstvertrauen und Teilhabe ermöglichen will.
Es sollte der Start eines regelmäßigen Trainings für junge Menschen mit Handicap werden. Als sie sich zum Mitmachen entschloss, wusste die junge Frau nicht, was auf sie zukam.
Wie schwierig würde die Arbeit werden?
Denn ihre neuen Klienten sind Schüler, die die Tannenhag-Schule in Friedrichshafen-Fischbach besuchen. Dort werden Kinder und Jugendliche mit starken Entwicklungsverzögerungen und geistiger Behinderung gefördert. Träger ist die Stadt Friedrichshafen. Die Frage war: Wie schwierig würde die Arbeit mit Kindern dieser Schule werden?
Immerhin ging Deike mit einem Kapital an den Start: Nach einem Jahr Bundesfreiwilligendienst im WYC hatte sie Routine als Trainerin. Die Arbeit mit den Kindern machte ihr so viel Freude, dass sie Grund- und Hauptschullehrerin werden wollte.
Sichtbarer Erfolg bei Grundschülern
Dabei reizte sie die Arbeit mit den Grundschülern besonders. „Weil nach vier Jahren der Fortschritt deutlich sichtbar ist und ich weiß, dass ich selber zu diesem Erfolg beigetragen habe“, erklärt sie die Begeisterung für ihren künftigen Beruf.
Heue ist die Studentin immer noch erstaunt, wie schnell auch Schüler mit Handicap auch das Segeln lernen können. Acht Kinder beschlossen, Segeln zu ihrem Hobby zu machen.
Trainingslager lässt Gruppe zusammenwachsen
Bereits im September bot der WYC ein Schnuppertraining für sie an, gefolgt von Theorieunterricht und Sport im Winter. Im April startete dann das erste Training in der Optimisten-Jolle. „Das hat viel besser funktioniert, als ich erwartet habe“, sagt Deike.
Nach dem dritten Training konnte man die beiden Gruppen zusammenlegen und die Kinder mit Beeinträchtigung in das reguläre Segeltraining integrieren. Ein Trainingslager über vier Tage ließ die Gruppe zusammenwachsen.
Rollstuhlkinder fahren direkt ans Boot
Kam es bei der ersten Besprechung noch zu Zweifeln, ob ein Kind im Rollstuhl überhaupt segeln kann, so waren am vierten Tag die Hemmungen verflogen. Jeder half dem anderen beim Auf- und Abbauen der Boote.
Die Segel-Lehrerin ist stolz auf die Fortschritte ihrer Schüler. Die kennen die Abläufe und fragen selbstständig nach den Schwimmwesten. „Wir haben den Inklusionskindern von Anfang an klar gemacht, dass sie uns fragen müssen, wenn sie Hilfe brauchen.“ Niemand steht da und wartet, dass etwas von selber passiert.
Die beiden Rollstuhlkinder fahren direkt ans Boot und steigen geschickt selbst ein. Ein Helfer schiebt das Boot auf dem Slipwagen ins Wasser. Die Segler wissen, woher der Wind weht, und segeln los. Sie fassen Mut und bewegen das Boot sicher allein ohne Hilfe. „Das stärkt in zunehmendem Maße ihr Selbstbewusstsein“, sagt Lena Deike.
Ihr ist es wichtig, dass Inklusion im Verein selbstverständlich ist. „Menschen mit Beeinträchtigung gehören dazu, und wir sehen, dass es möglich ist. Es ist Quatsch, ihnen diese Teilhabe zu verwehren.“