Es ist die größte Blamage, die das Kultusministerium in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren erlebt hat: 1440 Lehrerstellen sind wegen eines IT-Fehlers plötzlich aufgetaucht. 20 Jahre lang wurden diese Stellen versehentlich nicht besetzt, an jeder dritten Schule im Land fehlte somit ein Lehrer.
Für die Schulen im Land ist das ein Schlag ins Gesicht: Besonders an den Grundschulen und an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) fehlt seit vielen Jahren Personal. Prekär ist die Lage laut Gewerkschaften vor allem in der Region Hochschwarzwald. Wie muss sich die Nachricht von der IT-Panne für Schulleiter anfühlen, die dort irgendwie versuchen, den Unterricht aufrechtzuerhalten?
Wie soll das Personal nachbesetzt werden?
Kultusministerin Theresa Schopper tut der Fehler leid, sagt sie. Und sie will alles dafür tun, um die Stellen schnellstmöglich zu besetzen. Inzwischen ist bekannt, welche Schulart wie viele Lehrer erhalten soll. Grundschulen und SBBZ werden bevorzugt – das ist logisch, denn hier ist der Bedarf besonders groß.
Doch es stellt sich die Frage, wie es überhaupt möglich sein soll, zügig Personal in die offenen Stellen zu bringen. Denn offenbar ist es in den vergangenen Jahren ja auch nicht gelungen, ausreichend Lehrer in diesen Schularten zu einzustellen.
Das größte Problem ist der Lehrermangel
Hier macht sich bemerkbar, wie sehr das Schulsystem kränkelt. Man kann an unserem Bildungssystem vieles kritisieren: dass Kinder nicht ausreichend in Medienkompetenz geschult werden etwa. Oder dass man in seinem späteren Leben vielleicht eher wissen muss, wie eine Steuererklärung funktioniert und nicht, wie man eine gute Gedichtsanalyse schreibt.
Das Hauptproblem ist allerdings der Lehrermangel. Das schlechte Abschneiden der deutschen Schüler bei Vergleichstests wie der Pisastudie lässt verantwortliche Politiker immer wieder in Panik verfallen. Dabei liegt die Antwort doch auf der Hand: Dass die Qualität des Unterrichts leidet, liegt an fehlenden Lehrern.
Wenn Rektoren in Mangelregionen parallel mehrere Grundschulen kommissarisch leiten und Lehrer ständig zusätzliche Vertretungsstunden übernehmen müssen, dann geht das an die Substanz. Wie soll da noch jede Unterrichtsstunde ordentlich vor- und nachbereitet werden?
Quereinsteiger entlasten, sind aber keine Lösung
Immer wieder entscheiden sich Menschen ohne Lehramtsstudium für den Beruf. Viele Fächer könnten nicht unterrichtet werden, wenn es diese Quereinsteiger nicht geben würde. Doch sie können keine dauerhafte Lösung für den Lehrermangel sein.
Quereinsteiger werden meist von erfahrenen Lehrern im Kollegium betreut. Dafür gibt es in Baden-Württemberg keine Entlastungsstunden – das sorgt für zusätzlichen Stress. Auch wenn es kaum empirische Studien über Qualitätsunterschiede gibt: Bildungsforscher kritisieren, dass es den unterschiedlichen Arten des Quereinstiegs an Strategie fehlt.
Zusatzaufgaben sorgen für weiteren Stress
Belastend sind für Lehrer außerdem die vielen Zusatzaufgaben, die mit dem eigentlichen Unterrichten nichts zu tun haben. Mit der Corona-Pandemie schwappte eine Digitalisierungswelle über Deutschland. Während in den Jahren zuvor noch Kreide und Overheadprojektoren eingesetzt wurden, erhielten die Schüler plötzlich massenweise Tablets.
Neben ihrer Funktion als Wissensvermittler, Schulpsychologen und Elternversteher fanden sich Lehrer plötzlich auch als IT-Beauftragte wieder. Sie müssen Tablets verwalten und sich um Programme kümmern, mit denen Stunden- und Vertretungspläne erstellt werden.
Alles eine Frage der Finanzierung
Das haben sie nie gelernt und dafür sind sie auch nie in diesen Beruf gegangen. Eine Aufgabe, die so manchen erschöpften Lehrer an seine Belastungsgrenze bringt. Wie viel einfacher wäre es, wenn es dafür flächendeckend Fachpersonal geben würde, das die Lehrer dabei unterstützt?
Es ist völlig klar, dass all das eine Frage der Finanzierung ist. Nicht nur im Politikbereich Bildung fehlt es an Geld. Aber den Verantwortlichen muss doch klar sein: Kinder sind unsere Zukunft. Sie sollen einmal als Handwerkerinnen arbeiten, als Erzieher, als Forscherinnen oder als Pfleger. Wem diese Zukunft am Herzen liegt, der kann nur hoffen, dass Bildung endlich ernst genommen wird.