Wo Windkraft entsteht, ist Widerstand nicht weit entfernt. Kaum ein Thema wirbelt so viel Gegenwind auf wie das Thema erneuerbare Energien. Ob Solarpark oder Windpark, sobald ein neues Projekt aufkommt, ist die Gegenseite in Form von Bürgerinitiativen nicht weit.
Während Windräder im hohen Norden schon zum Landschaftsbild dazugehören, sind sie im Süden eher ein seltener Anblick. Wie groß die Herausforderungen in Wahrheit sind, zeigen die aktuellen Projekte in der Region.
„Ein glücklicher Tag“, nannte Tengens ehemaliger Bürgermeister Marian Schreier das Ergebnis des Bürgerentscheids 2016. Zwei Drittel der Bürger hatten sich damals für den Bau eines Windparks ausgesprochen – ein seltenes Signal der Zustimmung. Tengen wolle mit den drei geplanten Anlagen zwar nicht die Welt retten, aber doch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, so Schreier damals. Fünf Jahre später sieht es ernüchternder aus. Erst nach mehreren Anläufen wurde 2021 die Genehmigung für den zweiten Windpark „Brand“ beantragt.
Mittlerweile hat das Landratsamt Konstanz den Bau von drei weiteren Windrädern genehmigt. Doch aufatmen kann das Projektteam von Solarcomplex noch nicht. Wie an vielen anderen Windkraftorten auch hat die Naturschutzinitiative Rheinland-Pfalz Klage eingereicht. Nun hängt alles vom Gerichtsurteil ab. Wie lange das dauert, ist unklar.
Planung auf engem Raum
Einige wenige Windkraftprojekte in der Region befinden sich bereits in der Umsetzung. In den Landkreisen Konstanz, Waldshut und Lörrach arbeitet der Regionalverband Hochrhein-Bodensee an einer Regionalplanung, die Vorranggebiete für Windkraft nach bestimmten Kriterien ausweist. Der Begriff „Vorranggebiet“ klingt, als würde großflächig Landschaft planiert und mit Windrädern vollgestellt. Doch in Wahrheit bedeuten die ausgewiesenen Gebiete lediglich: Hier können potenziell Windkraftanlagen entstehen – nicht, dass sie automatisch gebaut werden.
Auch der Anteil der Gebiete ist überschaubar: Das Land Baden-Württemberg gibt vor, 1,8 Prozent der Fläche für Windkraft auszuweisen. Auf einer Fläche von rund 275.000 Hektar heißt das, knapp 5000 Hektar als Vorranggebiete zu benennen.

Keine so leichte Aufgabe, wie Sebastian Wilke, Direktor des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee, weiß. „Im Vergleich zu Norddeutschland haben wir es mit einer völlig anderen Topografie zu tun“, erklärt er. Durch den Wechsel von Bergen und Tälern sei man zwischen Hochrhein und Bodensee in der Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt. Obwohl es sich hier um ländlichen Raum handle, sei dieser dichter besiedelt als im Norden.
„Die Rahmenbedingungen sind hier enger“, sagt Wilke. „Dass sich die Region nicht für Windkraft eignet, stimmt allerdings nicht.“ Windkraft ist hier durchaus möglich – und das, obwohl bei uns im Südwesten die typisch norddeutsche „steife Brise“ nicht weht.
Widerstand mit vielen Stimmen
Mit den Plänen für die Windkraft entwickeln sich auch die Vorhaben der Windkraft-Gegner weiter. Ein Vorreiter in Sachen Bürgerinitiative ist das Forum Hegau-Bodensee, eine Art Dachverband für verschiedene örtliche Bürgerinitiativen gegen Windkraftprojekte. Fast 8000 Unterstützer verzeichnet die Bewegung. Auf SÜDKURIER-Anfrage wollte sich das Forum nicht äußern. Ein Blick auf die Internetseite macht die Position jedoch deutlich: Ihnen geht es in erster Linie darum, das Landschaftsbild am Bodensee zu schützen und eine potenzielle Gefahr abzuwenden.
Gleichzeitig stellen sie die generelle Nutzung der Windkraft infrage. „Der größte Teil des Stromverbrauchs in unserer Region Hegau-Bodensee wird bereits aus erneuerbaren Quellen gedeckt! Schon seit über 100 Jahren zum größten Teil aus der Wasserkraft des Rheins, neuerdings wesentlich ergänzt mit Photovoltaik und Biogas“, heißt es auf der Internetseite des Verbunds.
Dabei zeigten bereits im vergangenen Oktober SÜDKURIER-Recherchen: Es gibt im Kreis Konstanz kein einziges Wasserkraftwerk am Rhein. Und eine Studie der Hochschule Konstanz im Auftrag des Landkreises sieht kaum Ausbaumöglichkeiten.
Es fehlt an Flächen und Erfahrungen
Der Widerstand in der Bevölkerung ist spürbar, doch die Notwendigkeit, erneuerbare Energien auszubauen, ist unbestritten. Gerade der Ausbau von Windkraft geht in Baden-Württemberg nur schleppend voran. Woran das liegt, zeigte jüngst eine Studie des Freiburger Öko-Instituts im Auftrag des Schwarzwälder Energieversorgers EWS Schönau. Denn nicht immer sind Windkraftgegner der Grund für Verzögerungen. Demnach bremsen vor allem ein Mangel an geeigneten Flächen und fehlende Erfahrungen in den Behörden bei der Genehmigung neuer Projekte den Ausbau der Windkraft aus.

Wie lange es von der Idee zum Windrad dauern kann, zeigt sich im Schwarzwald. Nach über einem Jahrzehnt Planung beginnt der Bau des Windparks auf dem Höhenzug Länge bei Hüfingen unweit von Donaueschingen. Dieser soll 2026 mit sechs Windkraftanlagen in Betrieb gehen. Nun ist der Weg für das Projekt endgültig frei.
Fehler und Klagen haben den „Windpark Länge“ wortwörtlich in die Länge gezogen. Nach der Genehmigung durch das Landratsamt Schwarzwald-Baar im Februar 2023 hatte ein Umweltverband aus Rheinland-Pfalz Klage erhoben. Der Grund: der Schutz bedrohter Vogel- und Fledermausarten. Insbesondere der Rotmilan werde durch die Errichtung der Anlage in unmittelbarer Nähe zum Vogelschutzgebiet Wutach und Baaralb bedroht, beklagte der rheinland-pfälzische Verband damals.

Erst im November vergangenen Jahres hatten sich das Landratsamt, das betreibende Unternehmen Solarcomplex und der klagende Umweltverein auf einen Vergleich geeinigt. Dass von der Planung bis zur Umsetzung über zehn Jahre vergangen sind, stört auch den Betreiber des künftigen Windparks. „Wenn wir 2026 in Betrieb gehen, dann hatte das Projekt 13 Jahre Vorlauf“, so Solarcomplex-Chef Bene Müller. „Wenn das das Tempo der Energiewende ist, dann sieht es nicht gut aus.“
In Tengen steht der erste Windpark des Landkreises
Während viele Windkraft-Projekte in der Region zeigen, wo es hakt und knarzt, zeigt Tengen, wie es auch anders gehen kann. Denn hier steht seit Juni 2017 der erste Windpark im Landkreis Konstanz. Die IG Hegauwind, ein Zusammenschluss aus Bürgern sowie Stadt- und Gemeindewerken der Region, hatte die Idee für das Projekt und entwickelte nach vier Jahren Planung den Standort.
Mit drei Schwachwindanlagen erzeugt der Windpark jährlich rund 20 Millionen Kilowattstunden Strom – genug, um den privaten Bedarf von 20.000 Menschen zu decken. Das entspricht etwa allen Bewohnern von Tengen, Engen und Hilzingen.
Die kleine Gemeinde zeigt beispielhaft, wie die Energiewende gelingen kann – und wo sie an ihre Grenzen stößt. Gleichzeitig schwinden mit jedem gescheiterten Vorhaben auch die verbliebenen Potenziale für neue Windkraftstandorte in der Region. Denn irgendwann geht der Platz aus. Ob sich bestehende Hürden überwinden lassen und welche Projekte tatsächlich umgesetzt werden, bleibt offen. Sicher ist nur: Die Energiewende schreitet voran – und unsere Region steht vor der Entscheidung, welchen Beitrag sie dazu leisten will.