Es ist ein ewiges Hin und Her. Seit Wochen schlagen sich Menschen in der Grenzregion zwischen Deutschland und der Schweiz durchs Dickicht angepasster Regeln im Grenzverkehr: Quarantäne, Tests, Anmeldung, ja oder nein und für wen?

Vorschlag Schweizer Parteien sorgt für Aufregung

Nach dem EU-Gipfel wich gerade erst die Sorge vor einer erneuten Grenzschließung innerhalb Europas, da sorgt ein parteiübergreifender Vorstoß aus der Schweiz für neuerliche Aufregung in der Grenzregion. Er sieht nicht weniger vor als regelmäßige Tests für einreisende Berufspendler, auf Touristen käme eine Quarantäne zu.

Dabei deutete zuletzt einiges auf eine Harmonisierung der Regeln zum Nicht-EU-Land Schweiz hin. Deren Bundespräsident Guy Parmelin berichtete nach dem Gipfel per Twitter von einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Beide Länder „gehen in dieser heiklen Phase der Krise entschlossen vor. Wir haben vereinbart, dass wir in engem Kontakt bleiben“.

Der Schweizer Bundespräsident Guy Parmelin bei einer Pressekonferenz in Bern.
Der Schweizer Bundespräsident Guy Parmelin bei einer Pressekonferenz in Bern. | Bild: Peter Schneider

Trotz hoher Fallzahlen: Schweiz verfolgte lange lockere Corona-Politik

Noch am Rande des Gipfels hatte Merkel gesagt, dass man „natürlich ein Problem hat, wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht, während sie bei uns noch geschlossen sind“. Die Mahnung dürfte vor allem Tschechien gegolten haben, das kurz darauf als einziges Nachbarland zum Hochrisikogebiet erklärt wurde.

Doch: In der Schweiz schlossen Läden erst am 18. Januar. Die 7-Tage-Inzidenz liegt nicht doppelt so hoch, pendelte mit einem Wert von 155 bis 165 zuletzt aber deutlich über dem hierzulande (111, Stand: 25. Januar).

Das könnte Sie auch interessieren

Ringen um koordinierte Maßnahmen in der Grenzregion

Auf Ministeriumsebene bemüht man sich beiderseits der Grenze um diplomatische Worte. Man wolle „eine gewisse Koordination und Kohärenz der Maßnahmen in den Grenzregionen erreichen“, erklärt Yann Hulmann vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG). Ziel sei es, „die grenzüberschreitenden Sozial- und Wirtschaftsräume so wenig als möglich beeinträchtigen“. Vor allem bei den Regeln für Grenzgänger sei eine „entsprechende Koordination zentral“.

Die Länder der EU und die Schweiz sind auf einen gemeinsamen Weg durch die Corona-Pandemie bedacht.
Die Länder der EU und die Schweiz sind auf einen gemeinsamen Weg durch die Corona-Pandemie bedacht. | Bild: Michael Stahl

Aus Baden-Württemberg betont Rudi Hoogvliet, Sprecher des Staatsministeriums, den „sehr engen Austausch“ mit der Schweiz in Fragen der Pandemie-Bewältigung. Im Blick habe man vor allem die Themen Tests, Impfungen und Infektionsschutz. „Derzeit treibt uns vor allem die Sorge nach den aggressiven Virusvariationen um, die sich keinesfalls im Land ausbreiten sollten“, sagt Markus Jox, Sprecher des Landessozialministeriums.

Das könnte Sie auch interessieren

Schweizer Partei-Vorschlag: Testpflicht und Quarantäne

Mitten hinein in den diplomatischen Ton platzt nun ein Ereignis mit Seltenheitswert: Ein von den Präsidenten der sechs größten Schweizer Parteien unterzeichnetes Schreiben an den Bundesrat könnte den Grenzverkehr gehörig beeinträchtigen. Dem SÜDKURIER liegt das Dokument vor, zuerst hatte darüber die Schweizer "Sonntags-Zeitung" berichtet

Zusammengefasst fordern die Parteichefs eine Test-Pflicht bei Kurzaufenthalten und die Einhaltung einer abgeschwächten Quarantäne bei längeren Besuchen in der Schweiz.

Der Vorstoß erzürnt einerseits die eidgenössische Tourismusbranche. Sie fürchten weitere Einbußen. Wer will schon den Urlaub in häuslicher Isolation verbringen statt auf den Pisten der Wintersport-Hochburgen?

In einigen Wintersport-Orten, hier Verbier im Kanton Wallis am 16. Januar 2021, herrschte in den vergangenen Tagen großer Andrang. In ...
In einigen Wintersport-Orten, hier Verbier im Kanton Wallis am 16. Januar 2021, herrschte in den vergangenen Tagen großer Andrang. In der Schweiz sind vielerorts die Pisten und Lifts unter Auflagen geöffnet. | Bild: Sandra Hildebrandt

Auch in Baden-Württemberg keine Ausnahmen für Urlauber

Andererseits wäre dies eine Annäherung zur Regelung in Baden-Württemberg, wo Reisen oder Ausflüge aus touristischen Zwecken auch nicht unter die Ausnahmen für Quarantäne und Tests fallen.

Das könnte Sie auch interessieren

Ganz und gar nicht im Sinne von Einheitlichkeit in der Grenzregion wäre dagegen eine Testpflicht für Berufspendler aus Nachbarstaaten. Auch sie ist im Strategie-Vorschlag der Parteien ausdrücklich vorgesehen, zum Verdruss von Vertretern aus Politik und Wirtschaft aus den grenznahen Kantonen. Sie befürchten Chaos und Staus an der Grenze samt entnervten Grenzgängern.

Bilder wie diese aus dem Frühjahr 2020 in Thayngen will man eigentlich vermeiden. Damals sorgten umfassende Kontrollen und ...
Bilder wie diese aus dem Frühjahr 2020 in Thayngen will man eigentlich vermeiden. Damals sorgten umfassende Kontrollen und Einreiseverbote für viele Staus beim Grenzübertritt zwischen Deutschland und der Schweiz. | Bild: Ennio Leanza

Schweizer Arbeitgeber sollen für Tests verantwortlich sein

Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen Partei (GLP) und Initiator des Vorschlags, wiegelt ab. Die Idee sei, sagt er gegenüber dem SÜDKURIER, dass Grenzgänger selbst „nichts machen müssen und nicht aufgehalten werden“. Dies solle im Rahmen von regelmäßigen Schnelltests in den Firmen durchgeführt werden.

Denkbar seien auch sogenannte Spucktests. Deren Anwendung ist schneller und einfacher als Tests, bei denen ein Rachenabstrich nötig ist. Mit ihnen lassen sich Coronaviren allerdings auch weniger verlässlich nachweisen. „Diese Auflagen sind verkraftbar und dienen dazu, die Grenzen offen zu halten“, sagt Jürg Grossen, der „eine Situation wie im Frühling 2020 unter allen Umständen verhindern“ will.

„Quarantäne-Light“ soll Touristen einzelne Freiheiten gewähren

Angesprochen auf die Kritik aus dem Tourismus sagt der grünliberale Politiker aus dem Kanton Bern: „Das größte wirtschaftliche Risiko“ entstehe an jenen Orten, „wo aufgrund der Einschleppung von mutierten Viren gar nichts mehr lief“. Zudem gebe es die Idee einer „Quarantäne-Light“. So könnten Touristen, sofern kein Verdacht auf eine Corona-Infektion vorliegt, ihr Domizil für Bewegung oder Sport im Freien verlassen.

Das könnte Sie auch interessieren

Noch ist offen, ob die Forderungen nach Tests und Quarantäne bei der Einreise Niederschlag in einer geänderten Corona-Verordnung finden wird. Über deren Anpassungen durch den Bundesrat konnte bis 22. Januar Stellung bezogen werden.

Die Entscheidung stehe „in den nächste Tagen“ an, erklärte ein Sprecher des Bundesamts für Gesundheit auf Anfrage am Montag. Nach Informationen des SÜDKURIER wollen Vertreter aus der Grenzregion dabei vor allem einen Punkt gestrichen sehen: Die Tests für berufsbedingte Grenzgänger, was der allgemeinen Harmonie mit Baden-Württemberg wohl nicht schaden dürfte.