Risiko oder höheres Risiko? Die Frage stellt sich, seit eine neue bundesweite Einreise-Verordnung gilt. Sie stellt sich gerade auch für Menschen aus der Grenzregion zur Schweiz, denn Quarantäne-Ausnahmen wie die 24-Stunden-Regel oder für Verwandtenbesuche könnten fallen. Und zwar dann, wenn einzelne Kantone oder das gesamte Land als Region identifiziert werden, in der die besonders ansteckenden Virusvarianten verbreitet sind.

Sorge vor Übergreifen von mutierten Coronaviren

Anlass zur Sorge geben die jüngst nachgewiesenen Fälle dieser Mutation in den Kantonen Aargau, Thurgau und Basel-Landschaft.

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Ein weiteres Übergreifen dieser Mutationen auf Deutschland will die Bundesregierung unbedingt vermeiden, auch weil es sich unter Kindern und Jugendlichen besonders stark verbreiten zu können scheint. Nicht zuletzt deshalb trafen sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Dienstag vorgezogen zu einer Konferenz.

Wie viele Fälle der Mutation gibt es bislang in der Schweiz?

Auf Anfrage des SÜDKURIER meldet das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) insgesamt 388 erkannte Fälle (Stand: 19. Januar) mutierter Viren. Hiervon tragen laut eines Sprechers 243 Viren der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Mutation (B.1.1.7), 13 weitere der Südafrika-Variante (B.1.351). Bei 132 Fällen sei nicht endgültig zu klären, ob es sich um eine Mutation handelt.

Der BAG-Sprecher gibt zu bedenken, dass diese Zahlen lediglich die insgesamt erkannten Fälle widerspiegle, nicht aber ins Verhältnis zum getesteten Virenmaterial gesetzt werden könne.

Nachweis der Mutation auch in Deutschland schwierig

In Baden-Württemberg steht man vor ähnlichen Problemen: Nachgewiesen wurden beide Varianten vereinzelt auch schon hier. Weil die Analyse des Virusmaterials aufwendig ist, lässt sich die Verbreitung der Mutation nur verzögert nachvollziehen.

Deshalb wurden zur Erkennung der Mutationen zuletzt Kapazitäten am Landesgesundheitsamt geschaffen. Zuvor musste das Virusmaterial hierfür an die Charité Berlin geschickt werden. In einem weiteren Schritt will das Land laut Sozialministerium auch die Universitätsklinken entsprechend ausrüsten.

Bleibt die Schweiz „normales“ Risikogebiet?

Die neue Verordnung des Bundes sieht neben einheitlichen Regelungen bei der Quarantäne auch eine Einteilung der Risikogebiete in drei Kategorien vor: „normale“ Risiko-, Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiete. Was geschieht also mit den Ausnahmen im kleinen Grenzverkehr, wenn die Schweiz in eine der letzten beiden Kategorien fällt?

Eine Absperrung am Inzlinger Zoll weist auf Schweizer Seite auf einen während des Frühlings 2020 gesperrten Grenzübergang hin.
Eine Absperrung am Inzlinger Zoll weist auf Schweizer Seite auf einen während des Frühlings 2020 gesperrten Grenzübergang hin. | Bild: Cristof Meyer

Bei den Vorgaben für die Quarantäne behalten zunächst die Länder die Hoheit und Baden-Württemberg unterscheidet laut eines Sprechers des Sozialministeriums derzeit nicht zwischen Risiko- und Hochinzidenzgebieten.

Dies wird sich ändern, sobald der Bund die Rahmenbedingungen für die Einordnung geschaffen hat. Nach SÜDKURIER-Informationen aus Berliner Regierungskreisen soll das voraussichtlich noch im Laufe dieser dritten Januarwoche geschehen.

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Inzidenz der Schweiz höher als in Deutschland – aber noch nicht zu hoch

Als Hochinzidenzgebiete definiert die neue bundesweite Verordnung Regionen, deren Inzidenz (neue Fälle in den vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner) mehrfach höher als in Deutschland (Stand vom 19. Januar: 132) liegt, mindestens aber bei 200.

Die Schweiz liegt insgesamt aktuell unter dieser Marke (Stand vom 18. Januar: 175), einige Kantone wie Jura (276) oder Uri (264) aber auch deutlich darüber. Zuletzt in den Fokus geriet zudem die Wintersport-Hochburg Graubünden, wo ein Sonderweg beschritten und auf Massentests statt Quarantäne gesetzt wird.

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Das Gesundheitsamt in Graubünden meldete am 18. Januar in zwei Hotels in St. Moritz rund ein Dutzend Fälle des mutierten Coronavirus, beide Hotels wurden daraufhin unter Quarantäne gestellt. In der Gemeinde herrschen nun strikte Regeln, etwa das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit.

Die Aufnahme aus Weil am Rhein an der A5 zeigt die Kontrollen im Mai 2020. Politiker aus der Region wollen eine zweite Grenzschließung ...
Die Aufnahme aus Weil am Rhein an der A5 zeigt die Kontrollen im Mai 2020. Politiker aus der Region wollen eine zweite Grenzschließung ohne Ausnahme für den kleinen Grenzverkehr vermeiden. Würde die Schweiz zum Virusvariantengebiet erklärt, wären aber auch kaum mehr Ausnahmen für Pendler oder Familienbesuche möglich. | Bild: Philipp von Ditfurth

Regelung für Varianten-Gebiete hat Baden-Württemberg bereits festgelegt

Schon jetzt klar ist, was gilt, sollte die Schweiz von den zuständigen Bundesministerien (Inneres, Gesundheit und Auswärtiges Amt) zu einem Virusvarianten-Gebieten erklärt werden. Denn für jene Regionen, in denen die besonders ansteckenden Mutationen besonders verbreitet sind, entfällt ein Großteil der bisherigen Ausnahmen bei der Quarantäne.

Eine Anmeldung und einen Test schreibt der Bund für diesen Fall bei der Einreise ohnehin zwingend vor.

Für wen gelten dann noch Ausnahmen?

Von der häuslichen Isolation nach der Einreise aus einem Virusvarianten-Gebiet befreit werden nur noch wenige Menschen, zum Beispiel Durchreisende oder Grenzgänger.

Ausnahmen von der Quarantäne für Virusvarianten-Gebiete im Detail

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Ausnahmen für Familienbesuche oder Einkäufe „am Rande“ entfielen

Aus allen anderen Gründen wäre es im Fall einer Einstufung der Schweiz als Virusvariantengebiet vorbei mit den Quarantäne-Ausnahmen. Darunter fielen somit auch Menschen, die Verwandte ersten Grades, das getrennt lebende Kind oder den Partner im anderen Land besuchen wollen.

Mitte März 2020 haben deutsche Polizisten damit begonnen, Einreisende am Grenzübergang (hier zwischen Kreuzlingen und Konstanz) zu ...
Mitte März 2020 haben deutsche Polizisten damit begonnen, Einreisende am Grenzübergang (hier zwischen Kreuzlingen und Konstanz) zu kontrollieren. Politiker aus der Region wollen eine zweite Grenzschließung ohne Ausnahme für den kleinen Grenzverkehr vermeiden. Würde die Schweiz zum Virusvariantengebiet erklärt, wären aber auch kaum mehr Ausnahmen für Pendler oder Familienbesuche möglich. | Bild: Felix Kästle

Ebenfalls beendet würden die quarantänefreien 24-Stunden-Aufenthalte, die sonst nur nicht überwiegend zum Einkaufen oder für touristische Ausflüge genutzt werden dürfen.

Im Grunde wäre die Situation somit etwa dieselbe wie während der Grenzschließung zwischen März und Mai 2020 – mit Ausnahme der aufgestellten Zäune.

Regionale Abgeordnete: Blick auf Staatsgrenzen ist verkehrt

Der sanfte Druck auf die Entscheidungsträger in Berlin durch die beiden regionalen CDU-Bundestagsabgeordneten dürfte auch von der Erinnerung an das damalige Chaos herrühren. So erklären Andreas Jung (Konstanz) und Felix Schreiner (Waldshut) gegenüber dem SÜDKURIER: „Das Virus orientiert sich nicht an Staatsgrenzen.“

Dort wo das mutierte Virus grassiere, müsse mit Quarantäne, Massentests und eingeschränkter Mobilität gegen eine Verbreitung vorgegangen werden. „Entscheidend müssen die Inzidenzen sein, nicht die Grenzen“, betonen Jung und Schreiner allerdings.

EU-Maßnahmen auch in der Schweiz?

Sie setzen darauf, dass Kanzlerin Merkel am Donnerstag im Europäischen Rat „für vergleichbare und synchronisierte Maßnahmen zur Erkennung und Eindämmung von Virusmutanten in Europa eintreten wird“. Bezogen auf die Situation in ihren Wahlkreisen fordern sie, dass mögliche EU-weite Corona-Maßnahmen anschließend auch in der Schweiz gelten.