Mehr Transparenz sollte es geben über den Impffortschritt im Südwesten. Jetzt sind die Zahlen da. Und zeigen vor alle eines: Nur in wenigen Kreisen liegt die Quote der Erstimpfungen über 25 Prozent, bei vielen sogar noch deutlich unter 20 Prozent. Schlusslicht ist Pforzheim mit 11,9 Prozent, Spitzenreiter Emmendingen mit 30,7 Prozent. Im Schwarzwald, in der Bodenseeregion und am Hochrhein sind die Zahlen dabei unterdurchschnittlich.
Forderung nach Transparenz
Das Sozialministerium hat mit der Quote vor allem den Wunsch nach mehr Transparenz der Kommunen und Landräte erfüllt. Der Konstanzer Landrat Zeno Danner hatte dies schon länger gefordert und dabei auch auf die Maßnahmen bei erhöhten Inzidenzen verwiesen.
Diese seien seiner Einschätzung nach anders zu beurteilen, wenn der vulnerable Teil der Bevölkerung bereits geimpft sei oder eine gewisse Impfquote erreicht sei. Seine Forderungen sind mit der Bundesnotbremse und einheitlichen Regeln zwar vorerst überholt.

Dennoch lässt sich aus den Quoten mehr lesen geht es nach Uwe Lahl. Der zuständige Amtsleiter beim Sozialministerium sagt dem SÜDKURIER im Gespräch: „Es fällt auf, dass bestimmte Städte und Landkreise, wo eher die Mittelschicht zu Hause ist, oder mehr Akademiker leben und ein höheres Einkommensniveau herrscht, auch eine höhere Impfquote vorliegt.“
Doch was sagen diese Zahlen tatsächlich aus? Der Medizinstatistiker Gerd Antes aus Freiburg sieht darin wenig Erkenntnisgewinn und sagt dem SÜDKURIER: „Diese Zahlen sind so weder vergleichbar noch interpretierbar.“ Die jeweiligen Infektionszahlen, die Alters- und Sozialstruktur der jeweiligen Stadt- und Landkreise müsse berücksichtigt werden, um aus den Daten schlau zu werden.
Schlussendlich sei es nicht relevant, ob in einem Dorf mehr oder weniger Leute geimpft seien als im Nachbardorf. Viel wichtiger seien gezielte Impfungen etwa in Flüchtlingsunterkünften und sozial schwachen Vierteln, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben sagt er.
Sozioökonomisch benachteiligte Gebiete fallen aus dem Raster
Das Problem in sozial schwachen Milieus erkennt auch Lahl. Er erklärt: „Es deutet sich an, dass in sozioökonomisch schlechteren Lebenssituationen andere Prioritäten zählen und das Impfen und die AHA-Regeln ein Stück weit hinten runterfallen.“ Denn in sozial schwachen Milieus sei die Inzidenz oft höher, die Impfrate niedriger. Die Vermutung ist nicht neu. „Wir beobachten das schon eine ganze Weile“, gesteht Lahl.
Die Schwankungen in der Region hält er für vernachlässigbar: Hier bildet der Schwarzwald-Baar-Kreis mit 17,7 Prozent Erstimpfungen das Schlusslicht, am besten hat der Bodenseekreis mit 21,3 Prozent Erstimpfungen abgeschnitten.
Ohnehin spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Wie groß der Anteil der impfberechtigen Bevölkerung im Landkreis ist, zeigt die Statistik beispielsweise nicht. Auch spiele die Entfernung zum Impfzentrum offensichtlich eine Rolle, erklärt Lahl: „Man sieht ganz klar, wo ein Zentrum bequem erreichbar ist und wo nicht.“
Auch sei festzustellen, dass in einigen Kreisen bis zu 50 Prozent der Besucher eines Impfzentrums von außerhalb kamen. „Ich sehe das als Beleg dafür, dass es ein hohes Interesse bei den Menschen gibt, geimpft zu werden.“ Dem könne das Land ob er nach wie vor knappen Impfdosen noch nicht gerecht werden. „Das ist mir im Augenblick aber lieber, als wenn wir auf den Dosen sitzen bleiben würden“, betont Lahl.
Baden-Württemberg will Strategie anpassen
Doch wegen bislang knappen Impfstoffs und der Impfpriorisierung zunächst für ältere und vorerkrankte Menschen sei es nicht möglich gewesen, darauf einzugehen. Das soll sich nun ändern. „Wir werden jetzt unsere Strategie nachjustieren und mit den mobilen Teams in die Stadtteile gehen“, sagt Lahl. Pilotprojekte wie derzeit in Mannheim sollen verstärkt werden. „Es wird mehr solcher Projekte brauchen“, ergänzt er.
Das sieht der Freiburger Medizinstatistiker Antes ganz ähnlich. Er zitiert Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der einmal sagte: „Die Pandemie wird in den Großstädten entschieden.“ Die Sozialstrukturen in Ballungszentren spielten eine große Rolle, so Antes.

Ärzte sollen in sozial schwachen Vierteln impfen
Das Land wolle an die Ärzte appellieren, dass sie in diesen Stadtteilen impfen, so Lahl. Eine solche Aktion hatte etwa in Pforzheim stattgefunden. Zunächst nur für Menschen, die zu einer Impfung berechtigt sind, sollte etwas übrig bleiben, auch für Menschen außerhalb der Priorisierung. Binnen einer Stunde waren alle 700 Dosen vergeben, berichtet der SWR.
Der Amtsleiter drückt sich nicht von ungefähr vorsichtig aus. „Die Allgemeinbevölkerung möchte auch geimpft werden, wir haben nach wie vor Knappheit an Impfstoff. Und je mehr wir in solche Stadtteile gehen mit den mobilen Teams, desto weniger können wir an die Impfzentren geben“, macht er deutlich.
Impfstoffreserven werden angezapft – das Ziel: Platz eins
Andererseits hat der Südwesten bislang große Mengen an Impfstoff auf Halde gehabt: Eine Million Dosen hatte der Südwesten nach den Angaben des Sozialministeriums zurückgehalten. Inzwischen wird die Reserve angebrochen, schrumpfte um die Hälfte. Bis in der nächsten Woche sei sie aufgebraucht, so Lahl.
„Als wir unsere Strategie geändert haben, waren wir auf dem letzten Platz im Bundesranking, da wir große Reserven für die Zweitimpfung zurück gelegt hatten. Jetzt liegen wir im Mittelfeld. Ich möchte, dass wir einen Championplatz bekommen.“ Das Ziel: Wenn die Reserven aufgebraucht sind, müsse der Bund nachliefern. „Das ist ein gewisses Risiko, aber unsere einzige Chance, dass mehr Impfstoff geliefert wird“, erklärt der Amtsleiter rundheraus.
Mehr Impfstoff für Nachzügler-Kreise
Die Impfquoten sollen bei der künftigen Verteilung von Impfstofflieferungen eine Rolle spielen, erklärt der Amtsleiter weiter. Die Regionen, die bislang eine niedrige Quote haben, sollen demnach stärker berücksichtigt werden.