Ende Mai besuchte der SÜDKURIER den Obsthof von Erich Röhrenbach. Kurz zuvor war klar geworden, dass seine Äpfel im Herbst wohl nicht verfaulen müssen, sondern aller Voraussicht nach geerntet werden können. Besser noch: geerntet werden dürfen.
Denn Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gab grünes Licht für 80.000 Erntehelfer aus Osteuropa, die in ganz Deutschland bei der Ernte mithelfen dürfen. Erleichterung beim Vorsitzenden der Obstregion Bodensee – und Hubert Lehle.
Auch der Vorsitzende des Obstbaurings Überlingen war dabei, als der SÜDKURIER Einblick in die Unterkünfte der Saisonarbeiter erhielt. Heute, knapp zwei Monate später, blickt Lehle angespannt in die Zukunft.

Seine Erntehelfer haben sich zwar an die besonderen Umstände gewöhnt. Abstand halten, getrennte Arbeitsgruppen, Hände waschen – Alltag in Zeiten der Coronakrise. Aber dass sich in einer Unterkunft in Niederbayern 174 Menschen anstecken, zeigt: „Egal, wie streng die Auflagen sind. Egal, wie gut man Abstände einhält. Du kannst eben nicht alles verhindern. Hunderprozentige Sicherheit gibt es nicht.“
Lehle warnt von hysterischer Verschärfung
Auch deshalb mahnt Lehle vor Hysterie und blindem Aktionismus. „Wir haben es in den vergangenen Monaten gut hingekriegt, weil wir gemeinsam Lösungen erarbeitet haben, die für beide Seiten positiv sind“, sagt er. Was er meint? So viel Infektionsschutz wie nötig, so viel praktische Arbeit auf dem Feld wie möglich. Man stand mit dem Gesundheitsamt des Landkreises im engen Austausch. Davon hätten alle profitiert.
„Jetzt wird alles etwas unruhiger, weil es hier und da Infektionsherde gibt. Eine Person kann schon viel dummes Zeug anrichten. Da muss man genau hinschauen, keine Frage. Es ist Vorsicht angesagt. Aber man darf sich auf keinen Fall verrückt machen lassen“, findet der Obstbauer. Wichtig sei, dass man aus den Fehlern, die in Bayern begangen wurden, lernt. Anschließend könne man besonnen darüber diskutieren, was man noch besser machen kann.
„Und deshalb wollen wir auch bei den Erntehelfern die Auflagen verschärfen“
Bei Pascal Murmann, Pressesprecher des Sozialministeriums, hört sich der Blick in die Zukunft anders an. In den Schlachtbetrieben sei der Arbeitsschutz bereits strenger geworden, weil sich beim Fleisch-Riesen Tönnies niemand an die Vorgaben der Gesundheitsämter hielt. „Jetzt gab es den Fall Niederbayern. Und es gibt da Analogien. Wir haben festgestellt, dass das Problem nicht das Herkunftsland der Helfer ist. Es liegt an der Unterbringung. Und deshalb wollen wir auch bei den Erntehelfern die Auflagen verschärfen“ sagt Murmann.

Das Infektionsschutzreferat des Sozialministeriums arbeite derzeit an einem neuen Konzept. „Das wird dann dem Wirtschaftsministerium vorgelegt. Das ist für den Arbeitsschutz zuständig. Wir arbeiten unter Hochdruck daran“, sagt der Sprecher. Bei den Schlachtereien wurden die Auflagen innerhalb von zwei Wochen massiv erhöht. „Ich kann so viel sagen: Bei den Erntehelfern reden wir sicher auch nicht von Monaten.“