Herr Minister, wie viel Geld fehlt aktuell noch in Ihrem Entwurf für den nächsten Doppelhaushalt?

Wir können die Steuerausfälle auffangen. Das Parlament wird nicht in die unangenehme Situation kommen, durch Streichanträge Lücken stopfen zu müssen.

Gibt es ein Thema, über das wir öffentlich viel zu wenig diskutieren?

Ja, Produktivität. Wenn wir mit einer schrumpfenden und älter werdenden Bevölkerung unseren Wohlstand halten wollen, dann geht das nur mit mehr Produktivität. Die ist bei uns im Vergleich zu vielen anderen Regionen stagnierend. Diskussionen wie die Vier-Tage-Woche passen deshalb nicht in die Zeit. Wir brauchen bessere Arbeitsanreize, wir brauchen aber auch stärker den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und digitalen Tools in Unternehmen und in der Verwaltung. Es gibt nicht den einen Hebel, um die Produktivität wieder zu steigern. Das hat sehr, sehr viele Facetten, und das ist etwas, was mir große Sorge macht.

Ist die Rente mit 70 einer dieser Hebel, die wir brauchen?

Wir können nicht überall Haltelinien definieren und uns einreden, dass eine älter werdende Bevölkerung damit den Wohlstand erhalten kann. Der Sachverständigenrat hat vorgeschlagen, die Lebensarbeitszeit auch an die Lebenserwartung zu koppeln, das finde ich plausibel. Aber ich weiß, dass diese Diskussion polarisiert. Trotzdem sollten wir offen darüber diskutieren, dass zum Beispiel jemand länger arbeitet, der studiert hat, als jemand, der seit dem 16. Lebensjahr an der Werkbank steht.

Sie sind gerade von einer Reise in die USA zurückgekehrt. Welche Folgen erwarten Sie nach dem Wahlsieg Donald Trumps für die Wirtschaft in Baden-Württemberg?

Baden-Württemberg exportiert etwa 14 Prozent seiner Produkte in die Vereinigten Staaten – Maschinen und Anlagenbau, pharmazeutische Industrie, Automobilwirtschaft. Wenn Trump Ernst macht und die USA pauschal zehn Prozent an Zöllen draufschlagen, kostet das in Baden-Württemberg ganz konkret Wohlstand und Arbeitsplätze. Die Kehrseite von Handelskriegen sind oft auch Währungskriege. Man wertet die Währung absichtlich ab, um möglichst kompetitiv zu sein, und all diese Unsicherheit ist für Baden-Württemberg schädlich.

Danyal Bayaz (Mitte) beantwortet in Stuttgart die Fragen von Ulrike Bäuerlein und Jens Schmitz.
Danyal Bayaz (Mitte) beantwortet in Stuttgart die Fragen von Ulrike Bäuerlein und Jens Schmitz. | Bild: Finanzministerium Baden-Württemberg

Welche Chance haben wir denn, dem zu begegnen?

Zunächst sind wirtschaftliche Resilienz, diversifizierte Märkte und Lieferketten wichtig. Wir müssen Druck machen bei der EU, sich für Freihandelsabkommen auf der Welt einzusetzen, damit wir weniger von den USA abhängig sind, auch wenn sie wichtigster Handelspartner bleiben. Und wir müssen mit unseren Unternehmen Strategien entwickeln, wie wir in europäische Souveränität stärker investieren können, übrigens auch in technologische Souveränität, damit wir nicht von den Elon Musks dieser Welt einseitig abhängig sind.

Die zweite Seite hat zumindest mittelbar mit Baden-Württemberg zu tun – das Thema Sicherheit und Verteidigung. Das ist eine schwierige Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland, dass wir mehr Geld für Militär, für Sicherheit, für Verteidigung in die Hand nehmen müssen. Der Bund wird sich aufgrund des Topthemas Verteidigungsausgaben rarmachen bei gemeinsamen Aufgaben mit den Ländern wie dem Deutschland-Ticket. Das hat natürlich unmittelbar Auswirkungen auf den Landeshaushalt.

Wird der kommende Doppelhaushalt im Land der letzte seiner Art – ohne gravierende Sparzwänge? Sie haben zu Maßnahmen gegriffen, die man nur einmal ausschöpfen kann.

Sie haben recht, nicht alles, was wir heute machen, steht im Lehrbuch für vorausschauende Haushaltspolitik. Ich würde mich mal aus dem Fenster lehnen und sagen, dass andere, wenn sie die Verantwortung getragen hätten, jetzt nicht völlig anders entschieden hätten. Wir haben versucht, das Heute und das Morgen in eine gesunde Balance zu bekommen. Ich habe auch gesagt, wir können uns das jetzt noch zwei, drei Haushalte irgendwie aus den Rippen quetschen. Aber dem großen Investitionsbedarf nachzukommen, den wir haben – das werden wir so auf Dauer nicht hinbekommen.

Danyal Bayaz und seine Ehefrau Katharina Schulze 2019 bei den Bayreuther Festspielen.
Danyal Bayaz und seine Ehefrau Katharina Schulze 2019 bei den Bayreuther Festspielen. | Bild: Tobias Hase/dpa

CDU Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel hat eine Ewigkeitsgarantie für die Schuldenbremse gefordert. Die sehen Sie demnach nicht kommen?

Das würde ich unter politischer Folklore verbuchen, man hört da ja mittlerweile auch andere, differenziertere Töne. Realpolitik heißt auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir mit China und den USA mit ihrem Protektionismus und ihrer subventionierten Wirtschaft nicht auf Augenhöhe mithalten können, wenn wir einfach unsere Hände freiwillig hinter dem Rücken fesseln.

Und ich habe den Eindruck, dass das mittlerweile die allermeisten Ökonomen, auch Sachverständigenrat, Deutsche Bundesbank, der Internationale Währungsfonds so sehen. Eine politische Partei, die womöglich in der nächsten Regierung den Kanzler stellt, wird dieser Realität ins Auge schauen müssen.

Das könnte Sie auch interessieren

Warum ist im Bund von Sondervermögen die Rede und nicht von Sonderschulden?

Weil es wahrscheinlich ein schöner Euphemismus ist. Aber Geld hat ja etwas unheimlich Faszinierendes, das ist mit ein Grund, warum ich diesen Job so gern mache. In Goethes „Faust“ heißt es an einer Stelle: „Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff‘ es denn!“ Das hat ein bisschen was von Alchemie. Das Vermögen des einen sind die Schulden des anderen. Wenn ich eine baden-württembergische Staatsanleihe am Markt platziere und Sie kaufen die, um Zins zu bekommen, dann sind das für mich Schulden, und für Sie ist es Vermögen. Es ist eine Frage der Perspektive.

Sie sagen, Geld sei faszinierend. In der Wirtschaft gibt es mehr zu verdienen als in der Politik.

Ja, auf dem privaten Konto mag das sein. Aber in der Politik kann man unheimlich gut gestalten, und Geld hat seine faszinierende Wirkung auf mich vor allem mit Blick auf seine Wirkung, weniger seinen Wert. Natürlich ist es auch mir wichtig, ein ordentliches Einkommen zu haben und meinen Kindern etwas zu ermöglichen. Wir werden in der Politik sehr gut bezahlt für das, was wir machen. Allerdings war es nie mein Ziel, möglichst viel Geld zu verdienen. Dafür geht man nicht in die Politik.