Ein Netzwerk aus Gewalt, Zwang und Menschenhandel – und erneut führt eine Spur direkt ins Umfeld der United Tribuns: Dem Landgericht Konstanz steht bald ein weiterer aufsehenerregender Prozess bevor. Im Mittelpunkt stehen vier Männer, denen die Staatsanwaltschaft Konstanz unter anderem Zwangsprostitution, Menschenraub, Drogenhandel und weitere schwere Straftaten vorwirft. Die mutmaßlichen Taten erstrecken sich vom Bodensee über den Schwarzwald bis in die Schweiz. Insgesamt gibt es 24 Geschädigte.
Die Angeklagten sind 27, 29, 30 und 36 Jahre alt. Sie stammen aus Villingen-Schwenningen, Bräunlingen und Trossingen. Alle sind auf freiem Fuß.
Das Ausmaß
Die Liste der Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft Konstanz erhebt, liest sich wie ein ABC der organisierten Kriminalität: Gewerbsmäßige und bandenmäßige Zwangsprostitution, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, versuchte räuberische Erpressung, Bedrohung, erpresserischer Menschenraub, Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige.
Auch Betrug nach dem Muster „falscher Bankmitarbeiter“ wird ihnen vorgeworfen. Bei dieser Masche geben sich Täter am Telefon als Bankmitarbeiter aus, warnen vor angeblichen Buchungen oder Hackerangriffen und bringen ihre Opfer dazu, sensible Daten preiszugeben oder Geld auf vermeintlich sichere Konten zu überweisen.
Zwölf Frauen gelten nach den Ermittlungen als Geschädigte im Bereich der Zwangsprostitution. Hinzu kommen ein Opfer des Menschenraubs und elf weitere Geschädigte im Zusammenhang mit Betrugstaten, die zwischen Februar 2023 und 2024 stattgefunden haben sollen.
Ein eingespieltes System
Die Staatsanwaltschaft beschreibt ein System, das man aus früheren Verfahren in der Region schon bestens kennt: Die mutmaßlichen Täter sollen zwischen Februar 2020 und Mai 2022 gezielt junge Frauen, zum Teil unter 21 Jahren, angesprochen haben – oft solche, die in schwierigen finanziellen, psychischen oder familiären Situationen waren. Unter dem Vorwand einer Liebesbeziehung oder Freundschaft sollen sie die Frauen dazu gebracht haben, sich zu prostituieren.
Die Frauen taten das laut Staatsanwaltschaft in Hotels, Wohnungen und Bordellen. Diese sollen sich in Konstanz, Villingen-Schwenningen, Stuttgart, München, Darmstadt befunden haben sowie in der Schweiz in Kreuzlingen, Zürich und Dübendorf. Die Einnahmen kassierten die Beschuldigten wohl vollständig ab. Den Frauen sollen sie dabei vorgespiegelt haben, das Geld sei für gemeinsame Zukunftspläne, für Anschaffungen oder zur Bezahlung angeblicher Geldstrafen bestimmt.
Tatsächlich sollen die Männer den größten Teil des Geldes für sich behalten haben. Für die Prostitution wurden Inserate auf Internetplattformen geschaltet. Die Täter sollen arbeitsteilig vorgegangen sein, Frauen untereinander „weitergegeben“ und sich gegenseitig bei der Kontrolle der Opfer unterstützt haben. Wer aussteigen wollte, sei bedroht oder sogar körperlich angegriffen worden.
Verbindungen zum Milieu der United Tribuns
Die vier Angeklagten sollen nach Einschätzung der Ermittler zum Umfeld der mittlerweile verbotenen Rockergruppe United Tribuns gehören. Kontakte zu Mitgliedern der Gruppierung sind laut Staatsanwaltschaft belegt. Bereits frühere Ermittlungen hatten gezeigt, wie eng die Szene des organisierten Menschenhandels mit dem Rockermilieu verbunden ist.
Die Anklage ist beim Landgericht Konstanz eingegangen, bestätigt die Pressestelle. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht, dieser dürfte auch nicht vor Jahresende feststehen.

Erst Ende 2023 war in einem anderen Verfahren um Mitglieder United Tribuns in Konstanz die sogenannte Loverboy-Methode Thema: Das Landgericht verurteilte fünf Männer unter anderem wegen Zwangsprostitution, bandenmäßigem Drogenhandel und Beihilfe. Mehrere Haftstrafen, teils bis zu sieben Jahren, wurden verhängt. Nur einer kam mit Bewährung davon: Justin D., der Monate später mit Armin ‚Boki‘ C. festgenommen wurde und nun in Bosnien-Herzegowina einem Verfahren entgegensieht.
Internationale Ermittlungen gegen Boki
Derweil laufen in Bosnien-Herzegowina weiter Ermittlungen gegen Armin C., den als „Boki“ bekannten Präsidenten und Gründer der United Tribuns. Ihm, seinem Sohn, Justin D. und weiteren Verdächtigen wird vorgeworfen, junge Frauen in Bosnien und Westeuropa mit Gewaltanwendung zur Zusammenarbeit und Prostitution gezwungen zu haben.
C. wurde vor wenigen Tagen in Bosnien-Herzegowina nach monatelanger Untersuchungshaft unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Die Ermittlungen gegen ihn dauern an.