Anfang Juli gab es am 40. Verhandlungstag eines schon seit Monaten zähen Verfahrens mit bescheidenem Erkenntnisgewinn noch einmal eine Überraschung.
Der Stuttgarter „Querdenken711“-Gründer und führende Gegner staatlicher Corona-Maßnahmen in Pandemie-Zeiten, Michael Ballweg, könnte gar keine Steuern hinterzogen haben, wie im Prozess bekannt wurde. Sondern vielmehr im Jahr 2020 zu viel Steuern bezahlt haben, und zwar, je nach Szenario, in einem Größenumfang von bis zu 200.000 Euro.
Zu diesem Schluss war offenbar zumindest das Stuttgart Finanzamt genommen, das auf Bitten der Vorsitzenden Richterin einmal nachgerechnet hatte.
Ballweg steht seit Oktober 2024 wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und vielfachen versuchten Betrugs im Zusammenhang mit der Verwendung von Spenden für die „Querdenken711“-Bewegung vor dem Stuttgarter Landgericht. Ein Prozess, der unter großer öffentlicher Anteilnahme startete.
Neun Monate in Untersuchungshaft
Ballweg hatte zuvor von Juni 2022 bis April 2023 die ungewöhnlich lange Zeit von neun Monaten in Untersuchungshaft gesessen, die erste Anklageschrift der Staatsanwaltschaft war im Oktober 2023 vom Gericht abgewiesen worden. Für seine Anhänger, die noch immer den Prozess in Stuttgart besuchen, ist Ballweg ein Opfer staatlicher Verfolgung.
Der Vorwurf
Unstrittig ist, dass Ballweg zu Zeiten der Corona-Proteste Summen im Millionenbereich von seinen Unterstützern eingesammelt, davon Rechnungen beglichen und ausgelegte Kosten erstattet hat und Teile der Summe auf private oder Krypto-Konten Ballwegs landeten und verschwanden.
Ob dies aber am Ende strafbar war und für eine Verurteilung reicht, hängt von der Frage ab, ob dem heute 51-Jährigen früheren IT-Unternehmer nachgewiesen werden kann, dass er beim Geldsammeln „gewerbsmäßig“ vorging.
Fällt das Urteil noch im Juli?
Nach bisherigem Prozessverlauf sind Zweifel angebracht, ob das Gericht dies so bewertet. An diesem Donnerstag, dem dann 41. Verhandlungstag, könnte mit den Aussagen der letzten vom Gericht geladenen Zeugen die Beweisaufnahme enden, dann könnten am 22. Juli die Plädoyers beginnen.
Danach sind vor der Sommerpause noch zwei weitere Termine anberaumt. Ob es daher schon am 31. Juli zu einem Urteil kommen könnte, darüber will sich der Sprecher des Landgerichts auf Anfrage nicht äußern.
Ausgeschlossen wäre es aber wohl nicht – genauso wenig wie ein Freispruch Ballwegs. Denn schon im März hatte die Vorsitzende Richterin der Staatsanwaltschaft und dem Ballweg-Verteidigerteam eröffnet, das Verfahren wegen Geringfügigkeit nach Paragraf 153 Strafprozessordnung (StPO) einstellen zu können – was die Staatsanwaltschaft damals abgelehnt hatte.
Staat trägt bei Freispruch die Kosten
Anfang Juni fragte dann die Staatsanwaltschaft selbst bei Gericht an, ob eine Einstellung des Verfahrens für die Kammer weiterhin infrage käme. Das Gericht bejahte – aber drei Wochen später teilte die Anklagebehörde dem Gericht mit, dass sie einer Einstellung doch nicht zustimmen würde.
Nun läuft alles auf ein Ende zu, das schon deutlich früher zu haben gewesen wäre. Und eventuell auch deutlich günstiger. Wird Ballweg freigesprochen oder bekommt gar die von seinen Verteidigern geforderte Entschädigung, trägt der Staat die Kosten des gesamten Verfahrens.