Die Corona-Pandemie hat vielem eine Absage erteilt, das eigentlich wie selbstverständlich zum Leben dazu gehört. Besonders Jugendliche, die sonst ihre Zeit nutzen, um sich auszuprobieren, sich in Gruppen zu treffen und Dinge zu erleben, an die man sich wahrscheinlich im Alter noch erinnern wird, treffen die Beschränkungen hart. Drei von ihnen haben dem SÜDKURIER erzählt, was ihnen am meisten fehlt und was sie sich derzeit wünschen.

Hannes Müller, 17 Jahre alt, macht seinen Realschulabschluss

Bild 1: Frust und eine unsichere Zukunft: Drei Jugendliche berichten von den schmerzlichsten Corona-Einschränkungen und ihren Wünschen
Bild: Jennifer Moog

Für den 17-jährigen Hannes Müller bedeuten die derzeitigen Beschränkungen nicht nur Verzicht auf Treffen mit seinen Freunden und geplante Festivalwochenenden. Für ihn ist es vor allem auch Verzicht auf eine seiner Leidenschaften: den Fußball. Was dem Owinger derzeit am meisten fehlt, ist es gemeinsam mit seinen Mannschaftskollegen zu trainieren, danach noch im Trainingsheim ein Bier zu trinken. Doch das geht nicht.

Um das Fehlende etwas auszugleichen, habe die Mannschaft auch schon versucht, online zu trainieren. Doch mit der Zeit seien immer weniger Mannschaftskollegen dabei gewesen. Und: „Man trainiert halt zusammen, verabschiedet sich, macht den Bildschirm aus und das wars“, sagt Hannes. Das Training ersetzen könne das nicht. Um wenigstens ein bisschen Fußball-Charakter zu erleben, habe er sich auch schon mit drei Freunden getroffen, sich in einen großen Kreis mit viel Abstand gestellt und sich den Ball so zugekickt.

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So weit, dass er sich aus Frustration nicht mehr an die Kontaktbeschränkungen halten würde, sei er aber nicht. Er sagt: „Ich warte lieber noch ein bisschen, bis ich mich wirklich wieder mit meinen Freunden treffen darf, als mich jetzt mit vier Freunden im Keller zu treffen und zu riskieren, dass es dadurch vielleicht noch länger dauert, bis Treffen mit mehreren wieder erlaubt sind.“

Hoffnung auf baldige Lockerungen

Dass die Beschränkungen noch lange so streng bleiben wie jetzt, daran will Hannes Müller gar nicht denken. Er geht eher davon aus, dass der Sommer wieder mit Lockerungen aufwarten wird und er sich wieder mit ein paar seiner Freunde am See treffen darf. Dann wäre er fürs erste zufrieden, sagt er.

Denn Angst um seine Zukunft machen müsse er sich nicht. Auch wenn er gerade seinen Abschluss an der Realschule in Überlingen macht und somit zum sogenannten Corona-Jahrgang zählt. „Ich glaube nicht, dass wir dadurch einen Nachteil haben. Es geht ja momentan allen so“, findet er. Nach seinem Abschluss will er das Abitur nachholen. Deswegen findet er es auch nicht so schlimm, nun auf Rituale wie Abschlussfeiern, -fahrten und –streiche verzichten zu müssen. Denn in drei Jahren, hofft er, kann er nachholen, was er jetzt verpasst.

Anja Simone, 19 Jahre alt, macht gerade ihr Abitur

Bild 2: Frust und eine unsichere Zukunft: Drei Jugendliche berichten von den schmerzlichsten Corona-Einschränkungen und ihren Wünschen
Bild: Anja Simone

Anders geht es Anja Simone. In zwei Wochen stehen bei der Abiturientin aus Villingen-Schwenningen die ersten Prüfungen an. Während danach normalerweise eine Zeit folgt, die einer langgezogenen Party gleicht, mit Mottowoche, Abistreich und Abschlussfahrt, bleibt das für die 19-Jährige und ihre Abiturskollegen ein Traum, der sich nie erfüllen wird.

Stattdessen wird sie weiter die Schulbank drücken. Durch die Corona-Pandemie hat sich nämlich vieles nach hinten geschoben. Nach den Abiturprüfungen warten erneut Unterrichtseinheiten und Klassenarbeiten, dann die mündliche Prüfung. Im Juli hat sie es dann geschafft, das Abi in der Tasche. Doch gefeiert wird still und klein. „Das ist schon frustrierend“, sagt die 19-Jährige. Und weiter: „Alle haben immer gesagt, die letzten beiden Oberstufenjahre sind die besten. Und das sind sie jetzt nicht.“ Weil all das fehlt, was das Tolle darin ausmacht: Gemeinschaft, Spaß und Feiern.

Von der Regierung übersehen

Von der Politik fühlt sie sich als Jugendliche „schon ein bisschen übergangen“. Was sie meint, ist nicht, dass ihr die Partys fehlen, sondern, dass der Unterricht lange nicht funktioniert hat, vieles für die Abschlussschüler unklar blieb und dann alles nach hinten geschoben wurde. Erstwähler, davon ist sie überzeugt, werden im Herbst wahrscheinlich keine Regierung wählen, die sie übersehen hat.

Außerdem macht sie sich Sorgen um ihre Zukunft. Denn im Herbst will sie studieren. Irgendwas im sozialen Bereich. Festlegen will sie sich noch nicht. Eigentlich wollte sie ein duales Studium beginnen, doch aufgrund von Corona würden deutlich weniger Studienplätze angeboten als sonst. Deswegen ging Anja Simone bisher leer aus.

Pläne gibt sie nicht auf

Von ihrem Plan zu studieren, kann sie das allerdings nicht abbringen. Trotzdem quälen sie Fragen, wie: Macht es Sinn in eine fremde Stadt umzuziehen, wenn die Kurse online stattfinden? Wie finanziere ich angesichts des dünnen Arbeitsmarktes mein Studium? Und wie finde ich bei Online-Kursen Anschluss?

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Momentan frustriere sie am meisten, dass viele Menschen sich in ihrem Alltag so sehr einschränken, auf Treffen mit Freunden weitestgehend verzichten, und die Covid-Zahlen trotzdem weiter hoch bleiben. Deswegen könne sie nicht verstehen, wie Klassenkameraden Corona-Partys feiern können.

„Da gibt es schon einige, die sich nicht mehr an die Regeln halten. Aber das ist zu kurz gedacht“, sagt sie. Deswegen wolle mit großen Treffen warten, damit es schneller wieder erlaubt ist, etwas mit Freunden zu unternehmen. Denn genau das fehle ihr derzeit in ihrer Freizeit sehr: Treffen mit Freunden, in einem Café oder Restaurant ein Glas Lillet trinken.

Maria Kraus, 19 Jahre alt, hat im Herbst ein Studium begonnen

Bild 3: Frust und eine unsichere Zukunft: Drei Jugendliche berichten von den schmerzlichsten Corona-Einschränkungen und ihren Wünschen
Bild: Jennifer Moog

Bei Maria Kraus liegt die Schulzeit bereits in der Vergangenheit. In einer Zeit, in der sich noch niemand vorstellen konnte, wie ein Virus bald unser aller Leben bestimmen würde. Mittlerweile ist die 19-Jährige Studentin an der Universität in Konstanz. Im Herbst 2020 hat sie ihr Studium der Psychologie begonnen. Mitten in der Corona-Krise. „Anfangs hatte ich noch gehofft, dass zumindest die Einführungsveranstaltungen in einem kleineren Rahmen stattfinden können“, erinnert sie sich.

Doch zwei Tage vor Beginn des Semesters die Nachricht: Alles findet online statt. Für Kraus, die eigentlich aus Bremen stammt, keine einfache Situation. Sie ist in einer neuen Stadt, kennt kaum Leute. Vernetzt hätten sich die Studienanfänger dennoch, allerdings digital.

Die Freundin ist für sie ein Anker

„Anfangs war es auch noch möglich, sich zumindest zu zehnt zu treffen“, sagt sie. Diese Chance habe sie auch genutzt und so eine Freundin gefunden, mit der sie viel unternimmt. Sie sagt aber auch: „Hätte ich diese Freundin nicht, wüsste ich nicht, ob es mich nicht öfter nach Hause ziehen würde.“ Doch es sei nicht drin, übers Wochenende nach Hause zu fahren. Denn bis nach Bremen ist es ein weiter Weg.

Deswegen müsse sie hier Beschäftigungen finden. Besonders schwer sei das gewesen, als eine Ausgangssperre von 20 bis 5 Uhr herrschte. „Da konnte man abends nach dem Lernen nicht mal eben zur Freundin und noch gemeinsam kochen“, so Kraus. Deswegen habe sie gerade im Dezember und Januar viel Zeit in ihrem WG-Zimmer verbracht.

Viel zuhause, wenig Motivation

Hinzu sei gekommen, dass selbst die Bibliothek der Uni geschlossen blieb und das Zuhause der einzige Lernort blieb. „Da war es wirklich schwer, sich zu motivieren“, erzählt sie. Auch jetzt fehle oft die Motivation, weil der Ausgleich fehlt.

„Ich will gar nicht die Corona-Maßnahmen kritisieren, aber ich wünsche mir schon manchmal mehr Freiheiten“, sagt Kraus. Treffen mit fünf bis sechs anderen Studenten, um sich über die Inhalte der Kurse auszutauschen, sich kennenzulernen, das fehle. Dinge, die eigentlich selbstverständlich zum Studentenleben dazugehören.

Kraus fordert Konzepte für Studierende

Deswegen fordert sie, dass sich die Politik für eine Inzidenz unter 100 Konzepte für Studenten überlegt, beispielsweise Seminare im Freien mit 15 bis 20 Studierenden ermöglicht. Denn sie findet: „Über Schüler wird immer viel gesprochen, aber an Studierende wird selten gedacht.“

Ein richtiges Gefühl fürs Studieren unter normalen Umständen habe sie das erste Mal bei den Klausuren am Ende des vergangenen Semesters bekommen. Diese fanden in Präsenz statt. Sie sagt: „Da saß ich zum ersten Mal gemeinsam mit anderen Studierenden meines Studienganges im selben Raum und habe sie von Angesicht zu Angesicht gesehen. Das war schön.“

Sie hofft nun, dass das kommende Wintersemester zumindest einige wenige Präsenzveranstaltungen wieder zulässt und sie sich dann mit anderen Studenten über Seminarinhalte austauschen kann.